Fahrradbremsen: Alternativen zum Rücktritt
Eine alte Rennfahrerweisheit besagt: Wer später bremst, ist länger schnell. Ergänzung: Und muss dann natürlich schneller zum Stehen kommen. Für Verzögerung an Fahrrädern sorgen vor allem Felgen- aber auch Scheiben-, Trommel-, Rollen- und Rücktrittbremsen. test.de erklärt ihre Eigenheiten und benennt die Vor- und Nachteile.
Risiko Überschlag
Für alle Fahrradbremsen gilt: Sie dürfen weder zu viel noch zu wenig bremsen. Je geringer die Bremswirkung, desto länger der Bremsweg und desto höher das Risiko von Zusammenstößen. Ebenfalls gefährlich: Wenn die Vorderrad-Bremse zu hart zupackt. Dann blockiert das Rad, und Rad wie Fahrer überschlagen sich. Gefahr droht vor allem, wenn plötzlich ein Hindernis auftaucht und der Fahrer den Bremshebel in Panik mit aller Kraft zieht. Bisher ist jedenfalls für Großserienfahrräder noch kein wirkungsvolles Bremssystem ohne Überschlagsrisiko verfügbar.
Kein ABS fürs Fahrrad
Theoretisch lässt sich jede Fahrradbremse recht leicht genauso einrichten, dass sie bei maximaler Handkraft des Fahrers die höchste Verzögerung ohne Blockierrisiko erzeugen. Die Einstellung passt jedoch nur für Fahrer mit derselben Handkraft und Sitzposition, demselben Gewicht und derselben Menge Gepäck. Automatische Antiblockiersysteme, wie sie bei Autos und Motorrädern längst im Einsatz sind, gibt es für Fahrräder nicht. Allerdings gibt es sogenannte Break Booster. Die enthalten ein Federelement, das übermäßig starke Bremshebelkräfte vermeidet. Der Booster ist ein kleines zylindrisches Teil, das in der Nähe des Bremshebels in die Bremsleitung eingefügt wird
Bremsleistungsverlust bei Regen
Ebenfalls wichtig: Bremsen müssen auch bei Nässe zuverlässig funktionieren. Sonst wirds gefährlich. Vor allem bei Nieselregen drohen böse Überraschungen: So lange die Felge noch feucht ist, muss der Fahrer kräftig bremsen, um die nötige Verzögerung zu erreichen. Ist die Felge trockengebremst, nimmt die Verzögerung plötzlich zu. Wenn dann ein Rad blockiert, kann es wegrutschen oder einen Überschlag verursachen.
Verschiedene Arten von Bremsen
Im Folgenden erklären wir die Funktionsweisen von Felgenbremsen, Nabenbremsen und Scheibenbremsen – und sagen, welche Vor- und Nachteile die einzelnen Bremsenarten haben.
Felgenbremsen
So funktioniert es: Felgenbremsen wirken außen am Rad auf die Felgenflanken.
Vorteile: Felgenbremsen sind preiswert und haben sich bewährt, sie bieten eine gute Verzögerung und sind leicht zu warten.
Nachteile: Die Flanken der Felge verschleißen. Vor allem bei hohem Anteil von Schlechtwetterfahrten können die Felgen schon nach wenigen Tausend Kilometern hinüber sein. Wer nicht rechtzeitig das Rad wechselt oder eine neue Felge montiert, riskiert einen Reifenplatzer durch ein abreißendes Felgenhorn. Moderne Felgen verfügen über Verschleißindikatoren. Je nach System ist die Verschleißgrenze erreicht, wenn ein farbiger Ring oder Punkt erscheint oder verschwindet.
Diese Typen von Felgenbremsen gibt es:
- Bremszangen. Sind eigentlich nur an Renn- und Fitnessrädern noch im Einsatz. Bei Fahrrädern mit breiteren Reifen sind kaum Hebelverhältnisse zu erzielen, die es ermöglichen, die Bremsbeläge mit ausreichend hohem Druck an die Felge zu pressen.
- Cantilever-Bremsen. Sind ein Auslaufmodell. Bei Neuräder findet man sie nur noch bei billigen Importen und bei Kinder- und Jugendrädern.
Vorteile:Sie funktionieren einwandfrei, solange sie richtig eingestellt sind.
Nachteile: Die richtige Einstellung zu finden, erfordert ein gewisses Geschick. Sie muss außerdem schon ziemlich bald wieder korrigiert werden. Bei Nässe lässt sich die Bremswirkung spürbar nach. - V-Bremsen. Werden häufig verwendet, bei Billigrädern genauso zu finden wie bei hochwertigen Mountainbikes.
Vorteile: Mit zur Felge passenden Belägen funktionieren die meisten Modelle unproblematisch.
Nachteile: Die Bremszüge müssen richtig verlegt und von Zeit zu Zeit sorgfältig gereinigt werden. Sonst leidet die Bremsleistung. Ebenfalls wichtig: V-Bremsen gibt es mit unterschiedlich langen Armen. Der Bremshebel am Lenker muss zur Bremse passen. Mit Bremshebeln für Bremszangen oder Cantilever-Bremsen sind die meisten V-Bremsen nicht kompatibel. Sie würden viel zu giftig reagieren. Bei Nässe lässt sich die Bremswirkung spürbar nach. - Hydraulische Felgenbremsen. Werden immer mehr zum Standard.
Vorteile: Spezielles Hydrauliköl presst die Bremsbeläge ohne Verluste durch Reibung des Zugs in der Hülle an die Felge. Der sonst von Zeit zu Zeit nötige Austausch der Bremszüge ist nicht erforderlich. Auch die Bremsflüssigkeit braucht keinen Wechsel, muss nur bei Bedarf entlüftet werden.
Nachteile: Wie bei anderen Felgenbremsen auch müssen Bremsbeläge und Felgen regelmäßig erneuert werden. Bei Nässe lässt sich die Bremswirkung spürbar nach.
Bremsbeläge: Bei allen Felgenbremsen ist zu beachten: Nur mit zur Bremse und zur Felge passenden Bremsbelägen funktionieren sie richtig. Je nach Felgenmaterial und Bearbeitung der Bremsflanke können Beläge, die mit anderen Rädern problemlos funktionieren, Schwierigkeiten machen. Auch verschiedene Aluminiumfelgen können mit ein und demselben Bremsbelag sehr unterschiedlich reagieren. Hinzu kommt: Manche Felgen verschleißen sehr schnell, wenn ungeeignete Beläge im Einsatz sind. Welcher Belag mit einer bestimmten Felge gut zusammenarbeitet, lässt sich im Einzelfall kaum absehen. Detaillierte Angaben des Herstellers der Bremsbeläge und/oder Felge sowie Erfahrungen von Fahrradhändlern können weiterhelfen.
Nabenbremsen
So funktioniert es: Bei Nabenbremsen setzt die Bremswirkung an der Mitte des Rades an.
Vorteile: Bei Nabenbremsen wird kein tragendes Bauteil nach und nach abgeschliffen. Sie funktionieren auch bei Nässe gut.
Nachteile: Die Bremsleistung muss über die Speichen zur Straße übertragen werden. Das ist Stress für Nabenflansche, Speichen und Felgen. Nur sorgfältig eingespeichte und mit ausreichend stabilen Bauteilen bestückte Laufräder sind den Belastungen beim Bremsen über die Nabe auf Dauer gewachsen. Außerdem leitet die Scheibenbremse am Vorderrad die Bremskraft in nur einen Gabelholm und das noch mit erheblicher Hebelwirkung ein. Da leidet der Geradeauslauf und es drohen bei zu knapp kalkulierten Rohren gefährliche Brüche.
Diese Typen von Nabenbremsen gibt es
- Rücktrittbremse. Vor allem bei älteren Radlern nach wie vor beliebt. Wird die Kurbel ein Stück rückwärts gedreht, presst sich in der Hinterradnabe ein Metallkonus ins Nabengehäuse und erzeugt die Verzögerung.
Vorteile: Auch für ungeübte Radfahrer einfach zu bedienen.
Nachteile: Technisch veraltet, wenig wirkungsvoll und oft genug schwer zu dosieren. Bei langen Abfahrten kann die Nabe heiß laufen und das Schmierfett in den Lagern schmelzen und herauslaufen. Es drohen dann Lagerschäden. - Trommelbremse. Die Bremsbeläge werden von innen gegen eine Metalltrommel gedrückt. Bei Trommelbremsen sind spezielle Bremsbeläge im Einsatz.
Vorteile: Unabhängig von Witterungseinflüssen, Wirkung lässt auch bei Nässe nicht nach. Vergleichsweise geringer Verschleiß.
Nachteile: Nicht geeignet für starke Bergabfahrten oder den Transport großer Lasten. - Rollenbremse. Die Bremsbeläge werden wie bei der Trommelbremse von innen gegen eine Metalltrommel gedrückt. Bei Rollenbremsen reibt Metall auf Metall. Die entstehende Hitze wird über spezielle Kühlkörper abgeführt.
Vorteile: Rollenbremsen verschleißen sehr langsam. Schlechtes Wetter ändert nichts an der Bremsleistung. Wasser und Schmutz können kaum eindringen.
Nachteile: Die Bremsen sind recht schwer und werden bei langen Abfahrten sehr heiß. Das bislang einzige Rad mit Rollenbremsen, das im test-Labor war (Cityrad Batavus Ouverture), erzielte zu wenig Bremsleistung.
Scheibenbremsen
So funktioniert es: Ein Bremssattel drückt beidseitig auf eine Scheibe, die sich rund um die Fahrradnabe befindet. Die Löcher in der Scheibe führen dazu, dass durch den bei Scheibenbremsen üblichen hohen Flächenpressdruck Wasser schnell abgeleitet werden kann.
Vorteile:
- Besonders bei Nässe spielen Scheibenbremsen ihre Vorteile aus. Etwa 20 Prozent weniger Handkraft ist nötig, um dieselbe Bremsleistung zu erzielen.
- Zumindest hochwertige Scheibenbremsen sind gut dosierbar, funktionieren auch bei Regen und im Gelände tadellos und erzeugen wünschenswert viel Verzögerung.
Nachteile:
- Scheibenbremsen sind schwerer als Felgenbremsen und auch technisch komplexer.
- Sie neigen zuweilen zu ohrenbetäubenden Quietsch- und Schleifgeräuschen und es dauert etwas, bis sich Beläge und Scheibe eingeschliffen haben und ihre volle Bremsleistung erreichen.
- Bremsscheibe und Sattel müssen exakt montiert und die Bremse muss genau eingestellt sein.
- Der Bremsbelag muss sowohl zur Bremse als auch zur Scheibe passen. Die Vorgaben der Hersteller sind strikt zu beachten.
- Bei langen und steilen Abfahrten werden Scheibenbremsen sehr heiß. Aber im Gegensatz zu Felgenbremsen kann der Reifen dadurch keinen Schaden nehmen.
- Bei Hochgebirgstouren mit Gepäck können sie überhitzen und dadurch ihre Wirkung verlieren, wenn die Scheibe zu knapp kalkuliert ist. In Internetforen kursieren diverse Berichte von Horrorunfällen.
Diese Typen von Scheibenbremsen gibt es: Mechanische und hydraulische. Die mechanischen Scheibenbremsen werden vor allem bei Billigrädern verbaut. Hydraulische findet man bei mittel- und hochpreisigen Rädern.