Fahrrad-Laufräder: Was Speichen aushalten müssen
Die Laufräder tragen Fahrer und Gepäck und übertragen die Kraft des Fahrers und der Bremsen auf die Fahrbahn. Bei der Fahrt durch Schlaglöcher oder über Bordsteinkanten müssen sie extremen Belastungen standhalten. Sie sind für einen großen Teil des Fahrgefühls verantwortlich.
Das müssen Laufräder leisten
Die wichtigsten Anforderungen an Laufräder: Sie sollen exakt rund laufen, stabil und steif sein, und das bei möglichst geringem Gewicht.
Stabilität sorgt für Sicherheit
Die Seitensteifigkeit vermittelt Spurtreue und garantiert ein sicheres Fahrverhalten. Höhere Festigkeit bei Gewichtsbelastung verringert Kraftverluste beim Rollen, bringt allerdings auch Einbußen beim Komfort. Am Hinterrad ist außerdem die Torsionsfestigkeit von Bedeutung. Je stärker sich die über Kette und Ritzel angetriebene Nabe gegen die Felge verdreht, umso mehr Kraft geht verloren und umso größer ist der Verschleiß.
Nabe, Speichen und Felge
Klassische Fahrrad-Laufräder bestehen aus Nabe, Speichen und Felge. Die Naben enthalten Lager, in denen sich die Achse frei dreht. Standard bei der Felge sind Hohlkammerfelgen. Die Speichen sind meist aus Stahl. Eine Seite ist an der Nabe eingehängt. Die andere Seite hat ein Gewinde. Auf dieses Gewinde wird durch die Speichenlöcher in der Felge eine spezielle Mutter (Speichennippel) geschraubt.
Auch bei extremen Belastungen stabil
Die Speichen werden straff gespannt, damit sich das Rad bei Belastung so wenig wie möglich verformt. Wichtig: Speichen sind elastisch. Nur dadurch lässt sich die Speichenspannung so regulieren, dass das Rad exakt rund läuft und auch bei extremen Belastungen stabil bleibt.
Mehr Spannung, weniger Risse
Hauptmanko bei Laufrädern ist zu geringe und/oder ungleichmäßige Speichenspannung. Betroffene Räder sind dadurch unnötig weich und bekommen schnell Höhen- und/oder Seitenschläge. Das kostet Kraft und beeinträchtigt das Fahrgefühl. Außerdem drohen Speichenrisse. Grund: Im Fahrbetrieb ändert sich die Spannung einer Speiche ständig. Die Speichen, die von der Nabe aus nach oben zeigen, tragen jeweils das Gewicht von Rad, Fahrer und Gepäck. Nach unten zeigende Speichen werden entsprechend entlastet.
Höhere Belastung bei geringerer Spannung
Einer besonders hohen Belastung unterliegen die Speichen auf der 5-Uhr- und der 7-Uhr-Position. Dorthin will sich die auf 6 Uhr durchs Gewicht bedrückte Felge gern oval verformen. Die Belastung für diese Speichen ist umso höher, je geringer die Spannung der Speichen insgesamt ist. Außerdem nehmen bei einem Radumlauf die Spannungsunterschiede mit abnehmender Vorspannung dramatisch zu. Im Extremfall sind senkrecht nach unten zeigende Speichen zunächst völlig entspannt und bekommen gleich anschließend sehr viel Spannung. Das halten sie nicht lange durch. Mit anderen Worten: Ursache für Speichenbrüche ist in der Regel nicht eine zu hohe, sondern eine zu geringe Speichenspannung.
Speichen mit verjüngtem Mittelstück
Bei hochwertigen Laufrädern sind Edelstahl-Speichen im Einsatz, bei denen der Mittelteil dünner ist als das gebogene Ende mit dem Speichenkopf (DD-Speichen – Dickend- oder Doppeldickend). An den wichtigen Stellen wie den hoch belasteten Bogen sowie am Gewinde lässt man die Speichen dick, reduziert aber ihren Querschnitt in der Mitte. Dadurch wird die Speiche elastischer und dehnt sich stärker. Was sich bewegen kann, kann nicht brechen. Die Lebensdauer wird erhöht.
DD-Speichen nur an hochwertigen Fahrrädern verbaut
Eine typische DD-Speiche ist an der bruchgefährdeten Biegung im Nabenflansch und am Nippel 2 mm dick, im Mittelteil nur 1,8 mm. Speichen mit verjüngtem Mittelstück sind teurer als herkömmliche Speichen und an preiswerten Fahrrädern kaum zu finden.
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Gekreuzt oder radial? Verschiedene Laufradtypen
Häufig werden Vorderräder radial und das Hinterrad gekreuzt eingespeicht. Doch wann lohnt sich welche Einspeichung? Laufräder können zweifach bis fünffach gekreuzt werden. Da das Hinterrad rund zwei Drittel des Gewichts tragen muss, muss das hintere Laufrad entsprechend stabil sein. Deshalb werden hier die Speichen gekreuzt. Generell gilt: Je mehr Speichen ein Laufrad braucht, desto größer muss die Kreuzungsanzahl sein. Zumindest am Hinterrad muss ein Teil der Speichen schräg von der Nabe zur Felge laufen. Erst wenn die Nabe sich weit genug verdreht hat, würden die Speichen die Felge in Fahrt bringen. Deshalb werden die Speichen an der Nabe abgewinkelt und über Kreuz zur Felge geführt.
Gekreuzte Laufräder
Gekreuzte Laufräder, die man auch semitangential nennt, besitzen ein markantes Kreuzungsmuster. Wenn beispielsweise ein Rad dreifach gekreuzt ist, heißt das, dass eine Speiche drei andere Speichen kreuzt, die sich auf der gleichen Seite der Nabe befinden. Die meisten Laufräder sind dreifach gekreuzt. Je größer ein Laufrad belastet werden soll, desto mehr sollten die Speichen sich kreuzen.
Vorteile: Gekreuzte Laufräder sind stabil oder neigen weniger zu Verformung des Laufrades. Die gekreuzten Speichen stützen sich am Kreuzungspunkt gegenseitig ab. Spannungsunterschiede und damit Verschleiß und Bruchrisiko werden dadurch geringer. Die hohen Kreuzungszahlen haben zur Folge, dass sie den hohen Drehmomenten beim Treten besser widerstehen.
Nachteile: Gekreuzte Speichen sind in der Regel länger. Dadurch steigt normalerweise auch das Gewicht der Laufräder. Allerdings hängt das Gewicht auch entscheidend von der Anzahl der Speichen ab. Mit der Zahl der Kreuzungen nimmt auch auch die Seitensteifigkeit ab – und damit die Spurstabilität.
Radiale Laufräder
Bei radial eingespeichten Rädern verlaufen die Speichen direkt ohne eine Kreuzung von der Nabe zur Felge. Wie Sonnenstrahlen streben die Speichen von der Fege weg. Deswegen werden radial gespeichte Laufräder auch Sonnenräder genannt.
Vorteile: Radial eingespeichte Räder sind seitenstabiler als gekreuzt gespeichte. Auch bei der Festigkeit gegenüber Gewichtsbelastungen liegen Räder mit Radialspeichen vorn. Zudem sehen sie nicht nur gut aus, sie haben auch einen kleinen aerodynamischen Vorteil.
Nachteile: Da die Speichen mit einem kleineren Winkel in der Felge sitzen, besteht eine größere Gefahr, dass sich die Nippel lösen. Und dass die Speichen leichter an der Nabe ausreißen. Generell sind radiale Laufräder in der Laufrichtung weniger stabil. Ein Antriebsrad verdreht sich bei jedem Pedaltritt, gekoppelt mit stark wechselnder Speichenspannung. Deshalb werden Sonnenräder hauptsächlich am nicht so stark belasteten Vorderrad eingesetzt. Ausnahme Rennräder: Radialspeichung links für die höhere Seitensteifigkeit und geringeres Gewicht, Tangentialspeichung rechts für bessere Antriebseigenschaften.
Billige Laufräder oft unnötig schwer
Trotz der oft zu geringen und ungleichmäßigen Speichenspannung und der Verwendung einfacher gerader Speichen sind auch billige Laufräder meist ausreichend stabil. Die Hersteller setzen vergleichsweise massive Felgen ein und verbinden sie durch 32 oder gar 36 Speichen mit der Nabe. Bei halbwegs anständiger Montage hält das auch ohne optimale Speichenspannung. Solche Laufradsätze sind jedoch unnötig schwer. Für ein Trekkingrad können die Räder (ohne Reifen, Schnellspanner und Ritzel) locker drei Kilogramm wiegen. Ein optimierter Laufradsatz wiegt bei ähnlich hoher Belastbarkeit kaum mehr als die Hälfte.
Systemlaufräder: Leicht, aerodynamisch günstig, belastbar
Vor allem in modernen Rennrädern und Mountainbikes sind sogenannte Systemlaufräder im Einsatz. Sie bestehen aus exakt aufeinander abgestimmten Naben, Speichen und Felgen, die meist auch mit spezieller Fertigungstechnik montiert werden.
Vorteile: Je nach Einsatzzweck sind sie besonders leicht, aerodynamisch günstig oder besonders belastbar. Auf ihrem Spezialgebiet sind sie herkömmlichen Laufrädern in der Regel überlegen.
Nachteile: Reparaturen sind schwieriger und machen spezielle, oft teure Ersatzteile und Werkzeuge nötig. Während klassische Laufräder mit 32 oder 36 Speichen auch nach dem Riss einer Speiche meist noch benutzbar sind, verformen sich Systemlaufräder mit geringerer Speichenzahl in der Regel so stark, dass sie nicht mehr fahrbar sind.
Welche Laufradgröße ist für wen die richtige?
Für welche Größe man sich entscheidet, hängt von den Vorlieben und Einsatzgebieten ab.
Stabilität hängt von Länge und Anzahl der Speichen ab
26-Zoll-Räder seien weniger anfällig für „Achter“ als 28-Zoll-Räder, heißt es, Doch das stimmt so nicht, denn die Stabilität hängt auch von der Länge und Anzahl der Speichen ab – und davon, wie oft sie sich kreuzen.
29-Zoll-Räder sind 28-Zoll-Räder mit großem Reifenquerschnitt. Sie laufen bei Fahrten über Stock und Stein ruhiger als 26-Zoll-Räder, sind aber nicht so wendig und lassen sich wegen der größeren und weiter außen liegenden Masse nicht so gut beschleunigen. 29-Zoll-Räder kommen vornehmlich bei Mountainbikes zum Einsatz.
Verhältnis Oberkörper-Beinlänge beachten
Die Größe der Laufräder sollte auch von der Größe der Fahrerin oder des Fahrers abhängig gemacht werden. Ein Zwei-Meter-Mann ist mit einem 28-Zoll-Rad besser bedient als mit einem 26er. Generell kann man sagen, dass ab einer Größe von 1,80 m der Fahrer in der Regel besser zu einem 28er oder 29er Rad greift. Doch die absolute Körpergröße allein ist nicht entscheidend, es kommt auch darauf an, wie sich Größe des Oberkörpers und Beinlänge zueinander verhalten.
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