Fahr­rad

Fahr­radrahmen und -gabeln: Des Fahr­rads Kern

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Der Rahmen bestimmt die Geometrie, trägt das Gewicht und muss alle Teile sicher zusammenhalten. Die Gabel steuert das Vorderrad und bestimmt das Fahr­verhalten.

Der Zweck bestimmt die Rahmenform

Der Rahmen ist quasi der Kern eines jeden Fahr­rads. Er entscheidet über die Sitzhaltung und über seinen Charakter – ob es eher sport­lich oder bequem ist, ob daraus ein Alltags­rad, ein Renn­rad oder ein bequemer Last­esel zum Einkaufen wird. Mountain­bikes haben spezielle Rahmen, und für Lastenräder werden bekannte Rahmenformen modifiziert und verlängert. Vereinfacht gesagt, besteht ein Fahr­radrahmen aus zwei ineinander gesteckten Drei­ecken – das ergibt den klassischen Rahmen für das Herrenrad, auch Diamant­rahmen genannt.

Diamant­rahmen für „Herrenräder“

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Ein E-Bike mit Diamant­rahmen. © www.messingschlager.com | pd-f

Der Diamant­rahmen hat sich im Laufe der Fahr­rad­entwick­lung als die stabilste Rahmenform heraus­gestellt. Das hintere der beiden Rahmen-Drei­ecke, das mit den Ketten­streben zusammen das Hinterrad führt, wird auch als Hinterbau bezeichnet.

Trapez­rahmen für „Damen­räder“

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Konventionelles Fahr­rad mit einem Trapez­rahmen. © www.cannondale.com | pd-f

Beim Trapez­rahmen, auch Damen­rahmen genannt, ist das Ober­rohr stark abge­senkt, um einen leichteren Einstieg zu ermöglichen. Aus dem Trapez­rahmen haben sich andere Tiefein­steigerformen entwickelt, wie der„Schwanenhals-“ oder „Wave-Rahmen“. Typisch für sie sind dicke, weit geschwungene Unter­rohre. Manche dieser Rahmen haben auch zusätzliche Versteifungen im Bereich über dem Tret­lager. Sie sorgen für die nötige Stabilität. Der Unterschied zum Diamant­rahmen: Rahmen mit tiefem Einstieg sind weniger verwindungs­steif. Dauertests der Stiftung Warentest haben zudem gezeigt, dass es zu Rahmen­anrissen kommen kann – etwa an den Schweiß­nähten.

Individuelle Rahmen­anfertigung

Bei der Rahmenproduktion gehen die Hersteller von durch­schnitt­lichen Körper­proportionen aus. So wird einem 60-cm-Rahmen eine entsprechende Länge des Ober­rohrs zugemessen, einem 54er-Rahmen eine etwas kürzere. Wer nun zwar lange Beine aber einen im Verhältnis etwas kürzeren Oberkörper hat (oder umge­kehrt), passt nicht unbe­dingt in dieses stan­dardisierte Schema. Er ist mit einer individuellen Rahmen­anfertigung besser bedient.

Maßgeschneiderte Rahmen

Man kann sich auch Fahr­radrahmen „auf den Leib schneidern“ lassen. „Bike Fitter“ vermessen den Körper und leiten daraus Rahmengrößen ab. Nach diesen individuellen Vorgaben kann man sich dann sein Fahr­rad bauen lassen. Auch verschiedene Hersteller, die Rahmen in Hand­arbeit bauen, bieten diesen Service an.

Hier einige Web-Adressen:

Geometrie bestimmt Sitz­position und Fahr­verhalten

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Die wichtigsten Maße. © Stiftung Warentest

Wenn man von der Geometrie beim Fahr­rad spricht, meint man das Verhältnis von Ober­rohr, Sattel­rohr und Steuer­rohr zueinander. Ein großer Winkel am Sattel­rohr führt dazu, dass man ziemlich senkrecht über dem Tret­lager sitzt. Verbunden mit einem kurzen Ober­rohr, einem großen Steuer­rohr­winkel und einem kurzen Radstand ergibt das eine sport­liche Sitz­position und Fahr­weise.

Sport­liche Sitz­position

Die sport­liche Sitz­position ist typisch für Renn­räder. Solche wendigen Fahr­räder haben auch einen kurzen Nach­lauf. Das ist der Abstand zwischen dem Aufstands­punkt des Vorderrads und der gedachten Verlängerung des Steuer­rohrs zum Boden (siehe Grafik).

Bequeme Sitz­position

Umge­kehrt führen kleine Sattel­rohr- und Steuer­rohr­winkel und ein großer Radstand zu einer bequemen Haltung und sturem Gerade­auslauf – wie etwa bei Holland- oder Cityrädern. Generell gilt: Je senkrechter man über dem Tret­lager sitzt, desto mehr Kraft bringt man auf die Pedale. Auch eine nach vorne gebeugte Haltung verstärkt diese Kraft. Je aufrechter man sitzt, desto bequemer ist man unterwegs. Leicht variieren kann man die Sitzhaltung mit dem Vorbau – er kann länger, kürzer oder nach oben abge­winkelt sein. Auch den Sattel kann man horizontal um einige Zenti­meter verschieben und damit die Sitzhaltung etwas anpassen.

Welche Sitz­position ist die richtige?

Die Sitz­position hängt zunächst von der Art des Fahr­rads ab. Ein Trekkingrad bietet eine gemäßigt sport­liche Haltung. Auf einem Renn­rad sitzt man nach vorne gebeugt. Ein Tiefein­steiger ist komfort­abler als ein Trekkingrad, man sitzt noch aufrechter. Und auf einem Holland­rad sitzt man sehr aufrecht. Ob man gut auf einem Fahr­rad sitzt, das zu den eigenen Ansprüchen passt, muss man dennoch ausprobieren. Dazu sollte man vor dem Kauf auf einer Probefahrt bestehen, und sie sollte nicht zu kurz ausfallen. Denn Radfahren soll Spaß machen – wenn Schmerzen auftreten, stimmt etwas nicht.

Sitz­position verändern

Und doch kann man auch die einmal durch den Fahr­radtyp mehr oder weniger fest­gelegte Sitz­position etwas variieren. Und zwar an folgenden Bauteilen:

  • Sattel
  • Sattel­position über dem Tret­lager (vorne/hinten)
  • Vorbau
  • Lenker
  • Kurbellänge

Alle Sättel kann man sowohl in der Höhe als auch horizontal verstellen. Manchmal helfen da schon ein, zwei Zenti­meter. Zudem kann man den Vorbau verstellen, indem man längere oder kürzere Teile anbringt. Es gibt Vorbauten mit starker Neigung nach oben und auch Gabelschaft­verlängerungen, wenn man zu stark gebeugt sitzt. Man kann mit verschiedenen Lenkerformen experimentieren und zu guter Letzt auch mit unterschiedlichen Kurbellängen.

Tempo versus Komfort

Sich tiefer über den Lenker zu beugen, senkt den Luft­widerstand deutlich und bringt spür­bar mehr Tempo. Allerdings lässt auch der Komfort deutlich nach. Als wie angenehm oder unangenehm eine bestimmte Sitz­position empfunden wird, variiert von Fahrer zu Fahrer. Aufschluss verschaffen nur ausreichend lange Fahrten. Dass eine aufrechte Sitz­position generell besser für den Rücken ist, wie es früher hieß, ist fraglich. Erschütterungen durch Fahr­bahn­unebenheiten wirken sich so viel stärker auf die Band­scheiben aus als bei einer nach vorn geneigten Haltung. Letzt­lich entscheidet die Praxis. Die Sitz­position ist dann in Ordnung, wenn der Fahrer sie auch nach langen Touren noch als angenehm empfindet.

Die passende Rahmengröße finden

Rahmengrößen werden in Zenti­metern angeben. Ein 60-er Rahmen hat zum Beispiel ein Sattel­rohr, das 60 Zenti­meter lang ist – gemessen von der Tret­lager­mitte bis zur Oberkante des Sattel­rohrs. Beim 54-er Rahmen beträgt diese Länge 54 Zenti­meter. Die Sitzhaltung wird dabei auch von der Länge des Ober­rohrs beein­flusst. Ein kurzes Ober­rohr sorgt eher für aufrechten Sitz, ein längeres für ein gestreckte Sitzhaltung. Vorsichtig sollte man mit Angaben wie „S“, „L“ oder „XL“ sein – sie sagen meist wenig über die tatsäch­liche Rahmengröße aus, sondern dienen eher der Orientierung. Wie bei Kleidern, können sie unterschiedlich ausfallen.

Größen­rechner

Die passende Größe kann man mit Größen­rechnern auf den Webseiten von Online-Händ­lern und Fahr­radherstel­lern finden. Dazu misst man zuerst seine Schritt­länge. Man klemmt sich ein Buch zwischen die Beine und misst den Abstand vom Boden bis zur Kante des Buch­rückens und gibt dieses Maß dann in den Online-Rechner ein. Manche Anbieter unterscheiden auch noch nach den verschiedenen Fahr­radtypen. Größen­rechner gibt es zum Beispiel bei fahrrad.de, fahrrad-xxl.de, megabike24.de oder bikeexchange.de. Andere Anbieter, etwa Rosebikes, geben für die Schritt­länge auch noch Umrechnungs­quotienten an, um anhand der Schritt­länge die passende Größe zu ermitteln. Er beträgt für Renn­räder und Gravelbikes 0,66, für Trekking- und Reiseräder 0,61.

Alu, Stahl, Carbon oder Titan? Eine kleine Material­kunde

Material für Fahr­radrahmen und -gabeln sind vor allem Stahl, Aluminium, Carbon und Titan. Im Massenmarkt werden Fahr­radrahmen heute vor allem aus Aluminium hergestellt. Stahl­rahmen fristen ein Nischendasein, Carbon wird an sport­lichen Rädern verwendet, Titan ist ein „Luxusmaterial“ und macht das Fahr­rad sehr teuer. Hier nennen wir die wichtigsten Vor- und Nachteile der verschiedenen Materialien.

Vorteile

Nachteile

Aluminium

  • leichter als Stahl
  • belast­bar
  • keine Elastizität
  • hart, unkomfortabel
  • ästhetisch weniger ansprechend, da große Rohr­quer­schnitte für hohe Festig­keit erforderlich

Stahl

  • welt­weit verfügbar und verarbeit­bar
  • elastisch und fest
  • unempfindlich gegen Stöße und Schläge
  • besserer Komfort als Aluminium
  • Material rostet
  • schwerer als Aluminium
  • teurer in der Fertigung, da die Rahmen heut­zutage in Hand­arbeit hergestellt werden

Carbon

  • sehr leicht
  • sehr steif
  • gute Gestalt­barkeit
  • dämpft leicht
  • aufwendige Fertigung
  • bricht oder reißt bei Über­lastung
  • schwierige Reparatur

Titan

  • leicht
  • stabil
  • nicht rostend
  • gegen Kratzer resistente Oberfläche
  • aufwendige Verarbeitung (Schweißen mit Schutz­gasen)
  • teuer

Die Fahr­radgabel – starr oder gefedert?

Die Fahr­radgabel wird durch das Steuer­rohr geführt. Sie über­nimmt die Führung des Vorderrads. Von Steuer­rohr­winkel hängt ab, ob sich das Rad leicht lenken lässt oder eher stur gerade­aus läuft. Eine steil stehende Gabel führt zu einem eher kippeligen Fahr­verhalten, eine flache zu einem ruhigen Gerade­auslauf. Und von der Nach­giebig­keit der Gabel hängt bis zu einem gewissen Grad auch der Fahr­komfort ab.

Starre Gabeln

Die Gabel besteht in der Regel aus demselben Material wie der Rahmen. Das heißt: An Stahlrädern sind die Gabeln ebenfalls aus Stahl – und damit etwas flexibler als bei einem Alu-Rad. Eine gewisse Elastizität wird bei Alu-Gabeln durch die Biegung erreicht. Teurer sind Carbongabeln, sie kommen bei besseren Fahr­rädern vor und dämpfen die Stöße der Fahr­bahn ein biss­chen.

Vorteile

Nachteile

  • leicht und preis­wert
  • gute Befestigungs­möglich­keiten für Pack­taschen
  • kein Wartungs­aufwand
  • weniger komfortabel als Federgabeln, vor allem auf holp­rigem Unter­grund

Federgabeln

Eine gute Federgabel federt nicht nur ein, sondern dämpft auch die Ausfederungs­bewegung. Stan­dard ist die Öl- oder Luft­dämpfung. Sie ist einstell­bar. Von billigen mecha­nischen Varianten sollte man die Finger lassen: Sie arbeiten mit Stahlfedern, die nach geraumer Zeit häufig Spiel bekommen. Dann lieber Starr­gabeln und breitere Reifen verwenden. Mitt­lerweile gibt es Federgabeln, die die Federung und Dämpfung auto­matisch den Boden­unebenheiten anpassen – ein Feature, das vor allem Mountain­biker schätzen. Es dürfte in absehbarer Zeit auch Einzug in den Massenmarkt finden.

Vorteile

Nachteile

  • höherer Fahr­komfort
  • bessere Führung des Vorderrads auf holp­rigem Unter­grund
  • größerer Wartungs­aufwand
  • höheres Gewicht
  • billige Modelle bieten weniger Komfort als eine starre Gabel und breite Reifen
  • Gepäck kann meist nur mit Spezialhalterungen angebracht werden
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38 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • thomas.engelhardt am 19.06.2022 um 21:06 Uhr
    Nabenmotor kann rekuperieren

    Beim Vergleich der Motortypen fehlt beim Nabenmotor als Vorteil die Möglichkeit, bei Bergabfahrten Energie in den Akku zurück zu speisen. Hier wäre insgesamt mal eine genauerer Vergleich zwischen der Effizienz eines Mittelmotors und eines Hinterrad Nabenmotors interessant gewesen. So fehlt meines Wissens bei den Hinterradnaben Motoren (Gudereit e-13) die Möglichkeit, dass beim Bremsen zunächst automatisch rekuperiert wird, bis die gewünschte Verzögerung nicht mehr allein durch das rückspeisen des Motors geleistet werden kann. Andererseits entfallen beim Nabenmotor die Verluste über den Antriebsstrang, hier wäre die Frage wie vor diesem Hintergrund das geringere Drehmoment des Nabenmotors zu bewerten ist.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 30.05.2022 um 13:20 Uhr
    Über­setzungs­verhältnis

    @Danke_für_den_Fisch: „Übersetzungsverhältnis“ ist umgangssprachlich nicht falsch und wird daher häufig verwendet, um den Unterschied zwischen kleinstem und größtem Gang anzugeben.

  • Danke_für_den_Fisch am 26.05.2022 um 21:52 Uhr
    Rechtschreibung

    Sollte es nicht "Übersetzungsbandbreite" anstelle von "Über­setzungs­verhältnis" heissen?

  • minellikari am 09.05.2021 um 13:21 Uhr
    Es ist Geschmacksache. Mein Geschmack: Nabenmotor

    Persönlich würde ich meinen Nabenmotor nicht gegen einen Mittelmotor eintauschen. Auch nicht bergauf (ich wohne in einer Stadt in den Voralpen, es ist nirgends flach).
    Namentlich die Aussage im Beitrag: "das Fahr­gefühl ähnelt sehr stark dem bei einem konventionellen Fahr­rad" kenne ich selbst nur vom Nabenmotor, und nicht von den Mittelmotoren, die ich bis jetzt getestet habe. Ich kenne natürlich nicht alle. Jene Vielfahrer e-Biker, die ich kenne, die täglich bis zu 60km fahren, sind alle auf Nabenmotoren umgestiegen und wollen nicht mehr zurück.
    Was ich übrigens nicht zu vernachlässigen finde, ist die Energierückgewinnung. Ich habe oft gelesen, sie nütze wenig.Mir hilft sie zu geschätzt 20-30% mehr Reichweite, natürlich nur im unebenen Gelände. Und gezielt eingesetzt. Es geht dann halt weniger flott bergab...
    PS: Bitte keine überbordenden Emotionen in den Antworten. Es geht ja auch freundlich, sachlich und unpersönlich 👍 🤗

  • B.Klaas am 16.03.2021 um 09:53 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.