Verkehrsrecht: Regeln fürs Radeln

Selbst wer sich im Auto eng an die Regeln hält, überfährt als Radfahrer mitunter manches Ge- oder Verbot. Doch Achtung: Es drohen empfindliche Bußen und sogar Punkte in Flensburg. Schlimmer noch: Bei einem Unfall kann hoher Schadenersatz fällig werden. Die kürzlich überarbeitete Straßenverkehrsordnung bringt auch neue Regeln für Radfahrer. Hier fassen wir die wichtigsten verkehrsrechtlichen Infos zusammen.
Wann Radfahrer für Unfälle haften
Radfahrer haben Pflichten ...
Polizeibeamte nehmen Radfahrer genauso in die Pflicht wie Autofahrer. Bei Verstößen gegen die Verkehrsregeln müssen sie mit hohen Geldbußen rechnen. Bei Unfällen können zudem Schadenersatz und Schmerzensgeld fällig werden. Beispiel Fußweg: Wer verbotenerweise darauf fährt und dann beim Queren einer Straße mit einem Auto zusammenstößt, ist dran. Der Radler muss zumindest einen großen Teil des Schadens tragen.
Tipp: Eine private Haftpflichtversicherung verhindert, dass Sie als Radfahrer auf Schäden sitzen bleiben. Die Kfz-Haftpflicht zahlt nur für Unfälle im Auto. Günstige Tarife speziell für Ihren individuellen Bedarf liefert der Vergleich private Haftpflichtversicherung der Stiftung Warentest.
... aber auch einige Privilegien
Einige Sonderregeln für Radfahrer: Sie dürfen rechts an stehenden Autos vorbeifahren, wenn genug Platz ist. Viele Einbahnstraßen in Tempo-30-Zonen sind für Fahrradfahrer auch in der Gegenrichtung frei. Radler müssen den Fahrradweg nur benutzen, wenn die Straßenverkehrsbehörde dies angeordnet und eins der Schilder mit weißem Radler auf blauem Grund aufgestellt hat. Allerdings sind diese Schilder nur ausnahmsweise noch zulässig.
So urteilen deutsche Gerichte
Falsche Straßenseite. Wer den Radweg auf der falschen Seite benutzt, haftet. 5 000 Euro Schmerzensgeld muss ein Radler zahlen, der einen Fußgänger anfuhr. Zwar hatte der Radler Vorfahrt – auch auf der falschen Straßenseite. Aber er hatte eine erhöhte Vorsichtspflicht. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gab dem Fußgänger 10 Prozent Mitschuld, weil ein Zebrastreifen nah war (Az. 4 U 233/16).
Anders gewichtete das Oberlandesgericht Hamm die Haftung, als eine links fahrende Radlerin mit einem Auto kollidierte. Der Fahrer erhielt zwei Drittel Mitschuld, weil er die Vorfahrt verletzte und vom Pkw grundsätzlich eine Betriebsgefahr ausgeht (Az. 9 U 173/16).
Gegen die Richtung. Wer in Gegenrichtung auf einem Fahrradschutzstreifen fährt, verstößt gegen das Rechtsfahrgebot. Er sollte deshalb besonders aufmerksam sein. Vor allem müsse er darauf achten, ob Fußgänger, aus seiner Sicht von links, die Straße überqueren wollen, befand das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 4 U 233/16) in einem Hinweisbeschluss zu einem Urteil des Landgerichts.
In dem Fall hatte ein in Gegenrichtung fahrender Radler einen Fußgänger zu Boden gerissen. Dieser hatte sich bei dem Zusammenstoß einen Gelenkbruch zugezogen und den Radler verklagt. Das Landgericht hatte den Radler zu einem Schmerzensgeld von 5 000 Euro verurteilt. Zunächst legte er Berufung ein, nahm sie jedoch nach dem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts zurück. Der Kläger trägt eine Mitschuld von 10 Prozent: Er hatte den Fahrradschutzstreifen nur wenige Meter entfernt von einem Fußgängerüberweg überquert.
Abstand. Radfahrer müssen beim Überholen eines anderen Radlers genügend Abstand einhalten. Bleiben in Höhe der Ellenbogen nur 10 Zentimeter, müssen sie darauf verzichten zu überholen (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. 9 U 115/15).
Neue Straßenverkehrsordnung: Das ändert sich für Radfahrer

Radschnellweg. An dieses neue Verkehrsschild werden sich Radfahrer und andere Verkehrsteilnehmer künftig gewöhnen müssen.
Am 14. Februar 2020 hat der Bundesrat die Novelle zur Straßenverkehrsordnung (StVO) verabschiedet. Für Radfahrerinnen und Radfahrer bringt sie einige Neuerungen:
Autos müssen einen Mindestabstand einhalten. Und zwar 1,50 Meter in geschlossenen Ortschaften. Außerhalb von Ortschaften sind es zwei Meter.
Erweitertes Parkverbot an Kreuzungen. Der Abstand, den Autos von Kreuzungen mit baulichem Fahrradweg einhalten müssen, wird von fünf auf acht Meter ausgeweitet, damit Fahrräder besser gesehen werden.
LKW müssen langsamer abbiegen. Sie dürfen beim Abbiegen nur noch Schritttempo fahren, wenn mit Fahrrädern zu rechnen ist.
Fahrräder dürfen die grünen Abbiegepfeile von Autos nutzen. Allerdings nur dann, wenn sie von einem Fahrradweg oder einem baulich angelegten Radweg nach rechts abbiegen.
Räder können nebeneinander fahren. Aber nur, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird.
Personen mit dem Fahrrad befördern ist nun erlaubt. Zwar nicht mit einsitzigen Rädern, aber mit Rikschas oder Lastenfahrrädern. Das könnte für die Verkehrswende und den Klimaschutz wichtig werden.
Verkehrszeichen „Radschnellweg“. Das wird jetzt in die StVO aufgenommen – Radschnellwege sollen Radfahrerinnen und Radfahrern helfen, schneller ans Ziel zu kommen.
Die wichtigsten Regeln für Radler – von Alkohol über E-Bike bis Zebrastreifen
Alkohol
Wer betrunken im Straßenverkehr erwischt wird, kann auch als Radfahrer seinen Führerschein verlieren. Je nachdem, auf welchem Gefährt der Radler sitzt, gelten aber unterschiedliche Promillegrenzen.
Fahrrad. Radler mit 1,6 Promille oder mehr gelten als absolut fahruntauglich. Dann kann auch der sogenannte Idiotentest, die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), fällig werden. Bei Unfällen müssen Radfahrer aber auch unter Umständen schon bei 0,3 Promille Alkohol im Blut eine Buße oder Geldstrafe zahlen.
Pedelec. Für Elektrofahrräder mit einem Motor, der maximal 250 Watt leistet und sich ab 25 Stundenkilometern ausschaltet, die sogenannten Pedelecs, gelten dieselben Regeln wie für Räder ohne Motor.
S-Pedelec. Schnellere Elektrofahrräder mit einer Motorunterstützung bis 45 Stundenkilometer gelten als Kfz. Für sie gilt, was auch für Autos gilt: 0,5 Promille sind eine Ordnungswidrigkeit, 1,1 Promille am Steuer gelten als Straftat.
Ampel
Welche Signale ausschlaggebend sind, hängt davon ab, ob Fahrradfahrer auf dem Radweg unterwegs sind oder sich die Fahrbahn mit Autos teilen.
Auf dem Radweg. Sind Radfahrer auf einem Radweg unterwegs, gilt für sie die Fahrbahnampel oder – wenn vorhanden – die Radfahrerampel. Die Fußgängerampel gilt seit dem dem 1. Januar 2017 nicht mehr für Radfahrer.
Auf der Straße. Fahren Radler auf der Fahrbahn, weil kein → Radweg vorhanden ist oder dieser nicht benutzungspflichtig ist, müssen sie sich an die Signale der Fahrbahnampel halten.
E-Bikes
Fahrräder, bei denen ein Motor unterstützt, sind zunehmen auf Straßen und Radwegen unterwegs. Für sie gelten teils andere Regeln als für Räder oder Motor.
Pedelecs. Pedelecs mit einem Motor, der maximal 250 Watt leistet und sich ab 25 Stundenkilometern ausschaltet, gelten im rechtlichen Sinn als Fahrräder (siehe unseren Test von Pedelecs). Damit dürfen Sie alle Radwege benutzen.
S-Pedelecs. Elektrofahrräder, bei denen der Motor bis Tempo 45 mithilft, gelten als Kleinkrafträder und brauchen ein Versicherungskennzeichen. Wer ein solches Rad fährt, muss auf der Straße fahren und sich an dieselben Promillewerte halten wie Autofahrer (→ Alkohol).
Elektro-Leichtmofas. Elektro-Leichtmofas, die ohne Treten bis 20 Stundenkilometer schaffen, dürfen außerorts auf allen Radwegen fahren. Innerorts dürfen sie nur Radwege mit dem Schild ‚Mofa frei’ nutzen.
E-Bikes. Bei den „echten“ E-Bikes handelt es sich um Leichtmofas mit Elektromotor, die auch ohne Treten bis zu 25 Kilometer pro Stunde schnell werden. Auch sie müssen auf der Straße fahren. Ausnahme: Der Radweg ist mit dem neuen Sonderzeichen „E-Bikes frei“ gekennzeichnet. Für S-Pedelecs gilt diese Ausnahme nicht.
Fahrradstraße
Radfahrer. Fahrradstraßen sind in Deutschland dem Fahrradverkehr vorbehalten. Für Radfahrer gilt dort – wie für andere Fahrzeuge – eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde. Auf diesen Straßen dürfen Fahrräder nebeneinander fahren.
Kraftfahrzeuge. Andere Fahrzeuge dürfen Fahrradstraßen nur eingeschränkt nutzen, beispielsweise nur als Anlieger oder nur in eine Fahrtrichtung. Außerdem müssen gilt für sie ebenfalls Tempo 30. Gefährden oder behindern sie Radfahrer, müssen sie ihre Geschwindigkeit anpassen.
Inline-Skater und Rollschuhfahrer. Sie dürfen die Fahrradstraße nur nutzen, wenn unter dem Verkehrsschild „Fahrradstraße“ das Zusatzzeichen „Inline-Skaten und Rollschuhfahren frei“ angebracht ist. Sonst müssen sie auf dem Gehweg oder Seitenstreifen rollen.
Kinder. Wie beim Radweg gilt für → Kinder unter 8 Jahren: Sie müssen mit ihrem Fahrrad den Gehweg nutzen.
Fußgänger
Auf dem Gehweg. Erwachsenen ist das Radfahren auf dem Gehweg verboten (Ausnahme: Sie begleiten radelnde → Kinder). Verursachen sie dort einen Unfall mit Fußgängern, müssen sie zumindest einen erheblichen Teil des Schadens zahlen.
Auf Radweg und Straße. Abseits des Gehwegs sind die Regeln nicht so eindeutig: Grundsätzlich sollten Radler damit rechnen, dass Fußgänger sie nicht rechtzeitig bemerken und entsprechend langsam fahren. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verurteilte beispielsweise einen Radfahrer zu Schadenersatz, weil er eine Fußgängerin auf der Straße umgefahren und schwer verletzt hatte. Ein Mitverschulden pauschal nach dem Motto „Mit Fußgängern ist zu rechnen“ kommt nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm nicht in Frage.
Geisterfahrer
Radler, die auf dem Radweg in Gegenrichtung unterwegs sind, leben gefährlich – und sind nicht immer im Recht.
Vorfahrtstraße. Auch wenn ein ein Radler verbotenerweise auf dem linken Radweg einer Vorfahrtsstraße fährt, behält er die Vorfahrt. Sie gilt für die gesamte Fahrbahn, inklusive Radwege. Der Falschradler muss aber damit rechnen, dass andere ihn übersehen, und vorsichtig sein. Bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Radfahrer oder Autofahrer muss er deshalb zumindest einen Teil des Schadens tragen. Dies hat das OLG Hamm entschieden (Az.: 26 U 60/13).
Handy
Dürfen Radfahrer das Handy benutzen? Hält der Fahrer Smartphone, Tablet oder Navigationsgerät in der Hand, darf er sie während der Fahrt nicht nutzen. Geht es auch ohne Hände, also über eine Freisprecheinrichtung, ist die Benutzung erlaubt. Allerdings nur so laut, dass der Nutzer den Fahrzeugverkehr noch hört. Ob In- oder On-Ear-Kopfhörer, macht keinen Unterschied.
Helm
Fahrrad und Pedelec. Für Radler auf Rädern ohne Motor sowie auf Pedelecs besteht keine Helmpflicht. Wer ohne Helm verletzt wird, trägt daher auch keine Mitschuld. Unfallforscher sind sich einig, dass jeder Radfahrer dennoch Helm tragen sollte, da er bei Unfällen vor schweren Kopfverletzungen schützen kann. Tipp: Gute Helme zeigt unser Vergleichstest Fahrradhelme.
Rennrad. Für Rennradfahrer sieht es etwas anders aus. Für sie besteht zwar keine Helmpflicht, sie laufen aber Gefahr, dass sie für Verletzungen, die ein Helm verhindert hätte, keinen Schadenersatz vom Unfallverursacher bekommen.
S-Pedelec und E-Bike. Für sie sind wie beim Mofa Motorradhelme vorgeschrieben. Für S-Pedelecs werden mittlerweile aber auch spezielle Helme angeboten. Sie sehen ähnlich aus wie herkömmliche Fahrradhelme, sollen dem Kopf aber eine größere Schutzfläche bieten.
Kinder
Kinder unter 9 Jahren. Die Straßenverkehrsordnung schreibt vor, dass Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr auf dem Gehweg fahren müssen. Ausnahme: Der Radweg ist baulich von der Fahrbahn getrennt. Dann dürfen sie auch den Radweg nutzen. Radfahr- oder Schutzstreifen auf der Fahrbahn bleiben aber weiterhin tabu. Wichtig: Auch Kinder können für Unfälle im Straßenverkehr haftbar gemacht werden, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle zeigt.
Kinder unter 11 Jahren. Bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen Kinder mit Fahrrädern die Gehwege benutzen.
Begleitpersonen. Auf dem Gehweg radelnde Kinder unter 8 Jahren dürfen von einer erwachsenen Aufsichtsperson mit Rad begleitet werden. Diese darf auch neben Kindern herfahren, die nicht ihre eigenen sind, wenn sie diese beaufsichtigt. Voraussetzung ist, dass die Person mindestens 16 Jahre alt ist. Ansonsten ist der Gehweg für erwachsene Radler tabu (→ Fußgänger).
Liegerad
Für Liegefahrräder gelten dieselben Verkehrsregeln wie für herkömmliche Fahrräder.
Radweg
Wahlfreiheit. Fahrradfahrer gehören grundsätzlich auf die Straße. Ist ein Radweg vorhanden, können sie wählen.
Radwegpflicht. Ein rundes Verkehrsschild zeigt an, wenn Radler auf dem Radweg fahren müssen: Es zeigt einen Radfahrer auf blauem Grund. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dürfen benutzungspflichtige Radwege nur dort ausgewiesen werden, wo das Fahren auf der Straße „eine außerordentliche Gefahr“ bedeutet. Teils weisen Kommunen solche Radwege aber auch aus, wo es auf der Straße genauso sicher oder – etwa aufgrund der Gefahr von Abbiegeunfällen – sogar sicherer wäre.
Liegeräder. Die Räder gelten als normale Fahrräder. Deshalb gehören auch sie auf den Radweg, soweit er benutzungspflichtig ist.
Hindernisse. Parken Autos auf dem Radweg, können Radler die Polizei rufen, um sie abschleppen zu lassen. Der Grund: Auch wenn Autos nur teilweise den Weg blockieren, können sie Fahrradfahrer bereits gefährden.
Zebrastreifen
Dürfen Fahrradfahrer einen Zebrastreifen überfahren? Ja, allerdings ist das so, als würden sie über eine Straße fahren. Sie haben keinen Vorrang. Der Vorrang an einem Fußgängerüberweg mit Zebrastreifen (Zeichen 293) gilt nach § 26 StVO nur für Fußgänger und Rollstuhlfahrer. Die Vorzüge eines Zebrastreifens genießen Radfahrer deshalb nur, wenn sie absteigen und schieben.
Muss ein Auto abbremsen, weil ein Radfahrer einen Zebrastreifen überquert, riskiert der Radfahrer ein Bußgeld für eine vermeidbare Behinderung. Beim Unfall trägt er eine Mitschuld (LG Frankenthal Az: 2 S 193/10 – 24.11.2010).
Dieser Artikel ist hilfreich. 6250 Nutzer finden das hilfreich.