Handelt der Kunde grob fahrlässig, erstatten Versicherer den Schaden in der Regel nur teilweise oder gar nicht. Kunden sollten Tarife wählen, die solche Kürzungen ausschließen.
Vollkasko zahlt nur die Hälfte
Schnell mal auf der Busspur am Verkehr vorbeiflitzen? Wer so fährt, riskiert einiges. Ein Mercedes-Fahrer überholte rechts – und übersah, dass die Ampel für Busse einen waagerechten Balken zeigte. Das bedeutet: rot. Fahrzeuge im Querverkehr kreuzten die Bahn, es krachte. Gut 26 300 Euro kostete die Reparatur des Wagens. Die Vollkaskoversicherung zahlte nur die Hälfte. Zu Recht, fand das Landgericht Hamburg (Az. 302 O 220/15).
Grob fahrlässig gehandelt
Die Ausreden des Fahrers ließ das Gericht nicht gelten. Er habe nicht gemerkt, dass es eine Busspur war, führte er an. Auf der Straße stand in dicken Buchstaben „BUS“, hielt ihm der Richter vor. Nächster Versuch: Er habe sich vom Navi lotsen lassen. „Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrer nicht dem Navi folgen darf, ohne den Verkehr zu beachten“, steht im Urteil. Der Mann habe grob fahrlässig gehandelt.
Haftpflicht zahlt voll
Die Opfer eines solchen Unfalls müssen sich keine Sorgen machen. Sie gehen nicht leer aus. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Mercedes-Fahrers musste für die Schäden voll aufkommen – auch wenn er grob fahrlässig gehandelt hat.
Bei anderen Versicherungsarten behalten Versicherer Geld ein ...
So wie die Kfz-Haftpflicht muss auch die private Haftpflichtversicherung voll zahlen – selbst bei grober Fahrlässigkeit. In vielen anderen Sparten jedoch dürfen Versicherer ihre Zahlung kürzen, von der Hausrat- über die Kasko-, von der Reisegepäck- bis zur Wohngebäudeversicherung. In leichten oder schweren Fällen von grober Fahrlässigkeit erstatten sie anteilig weniger, sie behalten eine Quote ein.
... oder verweigern die Zahlung komplett
In besonders schweren Fällen dürfen sie die Zahlung sogar komplett verweigern. Der Kunde bleibt dann auf seinem Schaden sitzen, obwohl er über eine Police verfügt.
Was heißt „grob fahrlässig“?
Als „grob fahrlässig“ betrachten Juristen ein Verhalten, bei dem jemand die übliche Achtsamkeit ungewöhnlich stark verletzt hat oder das unterlässt, was jedermann als völlig selbstverständlich einleuchtet – ein kapitaler Fehler, den man spontan mit „Wie kann man nur!“ kommentieren würde. So ein Ausrutscher kann auch Menschen passieren, die sonst sehr auf Vorsicht und Sicherheit bedacht sind.
Diese Klausel ist wichtig
Wer in solchen Fällen nicht leer ausgehen will, sollte einen Tarif wählen, der auch bei grober Fahrlässigkeit zahlt. Im Kleingedruckten steht dann zum Beispiel eine Klausel wie diese: „Wir verzichten auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ Damit erklärt der Versicherer, dass er auch bei schwerem Fehlverhalten des Kunden voll leistet.
Tipp: Mehr zur Verzichts-Klausel in unserem ausführlichen Special Grobe Fahrlässigkeit – kleine Klausel, große Wirkung. Zum Thema Schadenregulierung siehe unser Special Wie viel Versicherer bei grober Fahrlässigkeit zahlen.
In diesen Fällen greift die Klausel nicht
Alkohol am Steuer. In der Kfz-Kaskoversicherung greift die Klausel nicht, wenn der Fahrer Alkohol oder andere Rauschmittel konsumiert oder grob fahrlässig den Diebstahl des Autos ermöglicht hat. Ab etwa 0,3 Promille Alkohol am Steuer gilt „relative Fahruntüchtigkeit“. Dann darf die Kasko ihre Leistung um 50 Prozent kürzen, urteilte das Oberlandesgericht Hamm (Az. I-20 U 74/10). Bei höheren Promillewerten sind es mehr. Ab 1,1 Promille gilt „absolute Fahruntüchtigkeit“, dann braucht der Versicherer gar nichts zu zahlen, befand der Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 225/10).
Auto geklaut. Auch bei Diebstahl des Pkw hilft die Klausel meist nicht. Die Mitarbeiterin eines Pflegeheims ließ den Autoschlüssel in einem Korb im unverschlossenen Pausenraum liegen. Ihr Auto wurde gestohlen und sie bekam 50 Prozent weniger erstattet (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 10 U 1292/ 11). Einem Mercedes-Fahrer, der in einer Kneipe seine Jacke samt Schlüssel nahe der Tür aufgehängt hatte, wurden 90 Prozent gekürzt (Landgericht Köln, Az. 24 O 283/ 09). Mit nur 25 Prozent Abzug kam ein Fahrer davon, der den Schlüssel in einer Sporttasche in der Umkleidekabine gelassen hatte (Landgericht Berlin, Az. 42 O 397/11).
Beispiele für grobe Fahrlässigkeit
Wo die Grenze zwischen fahrlässig und grob fahrlässig verläuft, müssen oft Gerichte entscheiden. Von ihrem Urteil hängt ab, wie viel die Versicherer erstatten müssen. Ist Tempo 130 im Regen auf der Autobahn grob fahrlässig, wenn die Reifen gerade mal die vorgeschriebenen 1,6 Millimeter Profil haben? Ja, fand das Landgericht Itzehoe (Az. 3 O 153/00), das ist grob fahrlässig. Das Landgericht Aschaffenburg sprach dagegen einen Fahrer frei, der in die Leitplanken geriet, weil er in die Straßenkarte sah, die seine Beifahrerin hielt (Az. 3 O 266/04).
Hier entschieden Gerichte zugunsten der Versicherungen
Jeder Fall ist genau abzuwägen. Bei diesen Beispielen entschieden die Gerichte zugunsten der Versicherungen:
- Ein Urlauber ließ beim Einchecken am Flughafen seine Fototasche hinter sich stehen. Dann war sie weg. Die Reisegepäckversicherung kürzte die Erstattung um 40 Prozent. Der Mann hätte die Tasche im Blick behalten müssen, argumentiert das Landgericht Hannover (Az. 13 O 153/08).
- Nach einem langen Arbeitstag vergaß eine Frau, zu Hause den Herd auszuschalten. In der Pfanne entzündete sich das heiße Fett, bald brannte die Küche. Die Wohngebäudeversicherung zahlte nur 70 Prozent (Amtsgericht Schweinfurt, Az. 2 C 886/12).
- Ein Mann fuhr in die Tiefgarage – vergaß aber die Fahrräder auf dem Autodach. Die Vollkaskoversicherung kürzte um 30 Prozent (Landgericht Hagen, Az. 7 S 21/13).
Vorsicht mit Kerze und Feuerzeug

Grob fahrlässig ist es auch, offene Flammen, zum Beispiel Kerzen, nicht zu beaufsichtigen. Ein Mann, der Kerzen anzündete und für eine halbe Stunde in den Garten ging, bekam von seiner Versicherung keinerlei Erstattung für den Schaden (Landgericht Krefeld, Az. 5 O 422/05). Vor allem Eltern müssen aufpassen. Streichhölzer und Feuerzeuge dürfen nicht für Kinder erreichbar sein. Als ein Achtjähriger auf dem Tisch ein Feuerzeug fand und damit Teelichter entzünden wollte, mussten die Eltern für den Brandschaden allein aufkommen (Landgericht Bielefeld, Az. 21 S 166/06). Vorsicht auch bei Wunderkerzen: Sie direkt am Weihnachtsbaum zu entzünden, wertete das Landgericht Offenburg als grob fahrlässig (Az. 2 O 197/02).
Dauerthema geplatzte Wasserrohre

Häufig gibt es Streit um grobe Fahrlässigkeit in der Hausrat- und in der Wohngebäudeversicherung. Wer die Wohnungstür nur hinter sich zuzieht und nicht abschließt, riskiert den Schutz. Es reicht aber, die Tür einmal abzuschließen (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az. 7 U 189/99).
Ein Dauerthema sind geplatzte Wasserrohre. Hauseigentümer müssen Wasserleitungen vor Frost schützen. Das steht ausdrücklich in vielen Wohngebäudepolicen als vertragliche Pflicht. Wer sie verletzt, kann sich nicht darauf berufen, dass der Versicherer bei grober Fahrlässigkeit die Entschädigung nicht kürzen darf. Die Klausel gilt nicht bei Pflichtverletzungen.
Sobald ein Schaden passiert, muss der Kunde ihn schnell der Versicherung melden, am besten noch am selben Tag. Dauert es länger als eine Woche, gilt auch das in der Regel als grob fahrlässig. Die gepriesene Klausel hilft dann nicht weiter.
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