Viele gesetzlich Krankenversicherte wissen gar nicht, dass sie statt in eine Facharztpraxis auch in eine Fachambulanz gehen können. Wann das möglich und im Einzelfall sinnvoll ist, kann am ehesten der Hausarzt sagen. test.de erklärt, in welchen Fällen der Besuch im Krankenhaus möglich und ratsam ist.
Odyssee für Patienten
Sigmar Hausmann bekommt jetzt eine Vorzugsbehandlung. Nach einem chaotischen Irrweg vom Hausarzt über den Facharzt zum Krankenhaus behandelt den 64-jährigen Diabetiker nun ein Professor in der Stoffwechselambulanz des Uni-Klinikums Dresden. Hausmanns Hausärztin hatte ihn zunächst an diese Klinikfachambulanz überwiesen. „Meine Blutfett- und Blutzuckerwerte sind viel zu hoch“, klagt er. „Doch um in der Fachambulanz mit der Behandlung beginnen zu können, brauchte ich noch eine Ultraschalluntersuchung der Hals- und Beingefäße“, sagt der Patient. „Die müsse ich von einem Facharzt machen lassen, weil es in der Klinik zu viele Untersuchungsfälle gebe, wurde mir dort gesagt. Erst mit dem Ergebnis könne ich in der Ambulanz weiterbehandelt werden.“
Arzttermin im November 2019
Der Rentner wandte sich Anfang September 2016 an einen Facharzt für Innere Medizin seines Wohnortes Meißen. Einen Termin für die notwendige Untersuchung bekam er für den 11. November – allerdings erst im Jahr 2019. Auf seine entgeisterte Nachfrage bestätigte ihm der Arzt schriftlich: „11.11.2019.“ Dies sei keineswegs ein Irrtum, früher sei kein Termin frei.
Anruf bei der Zeitung hilft
Hausmann wandte sich an sein Heimatblatt, die Sächsische Zeitung. Ihre Berichterstattung zeigte Wirkung. Nun hatte der Internist, der die Untersuchung zunächst als nicht dringlich eingestuft hatte, einen Termin frei. Der Rentner konnte mit der Behandlung im Uni-Klinikum beginnen. Hausmann hätte sich auch an eine Terminservicestelle oder seine Krankenkasse wenden können (Unser Rat). Dort sollen gesetzlich Versicherte Hilfe bei der Facharztsuche bekommen.
Was können, was sollen Krankenhäuser leisten?
Der Fall aus Sachsen zeigt drastisch: Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus arbeiten längst nicht immer Hand in Hand. Im Gegenteil. Strittig ist zum Beispiel, welchen Anteil die Krankenhäuser an der lukrativen fachärztlichen Behandlung von Patienten haben sollen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert, „dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser deutlich stärker genutzt werden müssen“. Nach Meinung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind die Krankenhäuser aber „schon jetzt überfordert“ und könnten mehr ambulante Patienten „nicht verkraften“.
Notfallambulanzen überlaufen
Tatsächlich: Bei der ambulanten Notfallversorgung stöhnen auch die Krankenhäuser. Denn immer mehr Patienten nutzen die Notfallambulanz als erste Anlaufstelle bei Erkrankungen, die kein Notfall sind und eigentlich auch in einer Facharztpraxis behandelt werden können. Dort gibt es aber womöglich erst Wochen später einen Termin. Für die Hospitäler rechnet sich ihre Behandlung nicht: Pro ambulanten Notfall zahlt die Krankenkasse im Durchschnitt 40 Euro, so die DKG. Dem „stehen Fallkosten von mehr als 100 Euro gegenüber“.
„Ungesteuertes Nebeneinander“
An einer Ausweitung der ambulanten Notfallversorgung unter den derzeitigen Bedingungen sind die Krankenhäuser nicht interessiert. Mit ihren Fachambulanzen aber wollen sie stärker an der lukrativeren ambulanten Regelversorgung teilhaben. Doch die niedergelassenen Fachärzte wehren sich dagegen, dass „Krankenhäuser massenhaft ambulante Fälle abgreifen“, so KBV-Vorsitzender Andreas Gassen. Folge sind eine „ineffiziente Konkurrenz“ und ein „ungesteuertes Nebeneinander“, klagt der Vorsitzende des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen, Ferdinand Gerlach.
Ins Krankenhaus zum Spezialisten
Viele gesetzlich Krankenversicherte wissen gar nicht, dass sie statt in eine Facharztpraxis auch in eine Fachambulanz gehen können. Wann das möglich und im Einzelfall sinnvoll ist, kann am ehesten der Hausarzt sagen. Er kennt die ärztliche Versorgung in der Region und kann seinem Patienten den Weg weisen. Möglich ist diese fachärztliche Behandlung etwa
- im Rahmen einer ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) bei schweren Krankheiten wie schwerer Herzinsuffizienz, Rheuma oder bestimmten Krebsarten, etwa Brustkrebs,
- durch „ermächtigte Krankenhausärzte“, die im Hospital ambulant behandeln können, wenn es in der Region an niedergelassenen Fachärzten fehlt,
- in Hochschulambulanzen, an die niedergelassene Ärzte Patienten überweisen, die kränker und schwerer zu versorgen sind als ein Durchschnittspatient – wie im Fall Hausmann,
- im Rahmen einer vor- und nachstationären Behandlung,
- in psychiatrischen Ambulanzen,
- in geriatrischen Ambulanzen,
- im Rahmen einer „pseudostationären Behandlung“. Hier werden Patienten morgens stationär aufgenommen und nachmittags entlassen. Die Hospitäler rechnen die Kosten dann über ihr stationäres Budget ab. Allein im Jahr 2014 wurden rund 235 000 Patienten auf diese Weise versorgt, so die AOK.
Hausarzt als Lotse wichtig
Der Hausarzt weiß auch, ob es in der Nähe eines der von Krankenhäusern gegründeten Medizinischen Versorgungszentren gibt, die nur räumlich an das Krankenhaus angebunden sind und in denen Ärzte verschiedener Fachrichtungen unter einem Dach arbeiten. Diese können ambulante Leistungen ohne Einschränkungen anbieten und wie eine konventionelle Facharztpraxis mit den Krankenkassen abrechnen. Damit Patienten optimal behandelt werden, sind Rat und Hilfe des Hausarztes wichtig – für eine „koordinierte Betreuung aus einer Hand“, so Gesundheitssachverständiger Gerlach.
Endlich in Behandlung
Sigmar Hausmann ist jedenfalls froh, dass er jetzt Patient der Fachambulanz der Uni-Klinik ist. Der Weg dorthin war nicht einfach. Und Hausmann ist sicher: „Wenn ich die Zeitung nicht eingeschaltet hätte, hätte ich jetzt noch keine Behandlung bekommen.“
-
- Soll ich mich privat krankenversichern? Wir sagen, für wen das sinnvoll ist, und in welchen Ausnahmefällen der Weg zurück in die gesetzliche Krankenkasse möglich ist.
-
- Beiträge, Leistungen, Kosten – das gilt für Kinder, Studenten, Berufstätige und Rentner, wenn sie bei einer Krankenkasse versichert sind.
-
- Die gesetzliche Krankenkasse kommt für Gesundheitskosten in EU-Ländern und einigen Nicht-EU-Ländern auf – unter bestimmten Voraussetzungen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.