Fast drei Viertel der Unternehmen in Deutschland bieten ihren Beschäftigten Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung an. Doch was, wenn der Mitarbeiter einen anderen Lehrgang machen oder der Chef die Kosten nicht übernehmen möchte? test.de gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema.*
Wenn der Mitarbeiter selbst eine Weiterbildung machen möchte
Habe ich gegenüber meinem Arbeitgeber ein Recht auf Weiterbildung?
Nein, das Gesetz räumt einem Arbeitnehmer keinen grundsätzlichen Anspruch auf Weiterbildung ein. Ein solches Recht kann ein Mitarbeiter allenfalls durch einen entsprechenden Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder einen individuellen Arbeitsvertrag haben. Die Details eines solchen Anspruchs können dabei sehr unterschiedlich sein. So können Verträge zum Beispiel das Recht auf eine bezahlte oder aber auch nur unbezahlte Freistellung von der Arbeit enthalten. Auch die Kostenbeteiligung des Arbeitgebers ist in individuellen Klauseln geregelt.
Habe ich Anspruch auf Bildungsurlaub?
Ja. In fast allen Bundesländern gibt es spezielle Gesetze zum so genannten Bildungsurlaub. Das sind Tage, an denen der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern bezahlten Urlaub für eine Weiterbildung geben müssen. Nur in Bayern und Sachsen gibt es diese Regelungen nicht. Arbeitnehmer in diesen Ländern haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub. Thüringen bringt ein entsprechendes Gesetz gerade auf den Weg. In den meisten Ländern haben Arbeitnehmer Anspruch auf fünf Tage pro Jahr oder alle zwei Jahre auf zehn Tage Bildungsurlaub, und zwar zusätzlich zum normalen Urlaubsanspruch. Der Inhalt der Fortbildung muss nicht in unmittelbarem Bezug zur ausgeübten Tätigkeit stehen. Wichtig ist jedoch, dass der Kurs als Bildungsurlaub anerkannt ist. Eine Übersicht über die Gesetze der Länder und anerkannte Angebote gibt es auf www.iwwb.de.
Achtung: Die Kosten für die Weiterbildung während eines Bildungsurlaubes muss der Arbeitgeber nicht übernehmen.
Muss der Arbeitgeber mir auch für eine Weiterbildung frei geben, die nicht als Bildungsurlaub anerkannt ist?
Nein. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder individuellem Arbeitsvertrag ergeben. Einen allgemeinen Anspruch auf Freistellung anlässlich einer Weiterbildung gibt es nicht. Das gilt auch für Mitarbeiter, die regelmäßig am Wochenende arbeiten und an einem Wochenendkurs teilnehmen möchten. Weitere Informationen erhalten Sie in unserem Special Weiterbildung finanzieren.
Tipp: Sprechen Sie mit Ihrem Chef über Ihre Weiterbildungswünsche und machen Sie ihm den Nutzen deutlich, den auch er davon vielleicht hat. In den meisten Fällen wird sich eine einvernehmliche Lösung finden lassen.
Kann mein Chef wegen einer Weiterbildung eine Vertragsbindung von mir verlangen?
Ja, das kann er – aber nur wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So müssen die Parteien hierüber vorab eine Vereinbarung getroffen haben und der Arbeitnehmer muss für die Zeit der Fortbildung bezahlt freigestellt worden sein. Die Fortbildungsdauer sollte dabei in einem „angemessenen Verhältnis“ zur Dauer der geforderten Vertragsbindung des Mitarbeiters stehen. „Konkret rechtfertigt zum Beispiel eine zweimonatige Fortbildungsfreistellung in der Regel eine höchstens einjährige Bindung“, erläutert Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. In vielen Fällen sei die vom Arbeitgeber verlangte Vertragsbindung aber zu lang und die Vereinbarung daher unwirksam. „Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber zwar einen Lehrgang vollständig bezahlt, sein Mitarbeiter aber seinen Urlaub dafür geopfert hat.“ In einem solchen Fall ist die Bedingung einer bezahlten Freistellung nicht erfüllt.
Hinweis: Gibt es keine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, kann der Mitarbeiter jederzeit kündigen, ohne Rückzahlungsforderungen befürchten zu müssen.
Ist es ratsam, mit meinem Arbeitgeber einen Weiterbildungsvertrag abzuschließen?
Für den Arbeitnehmer kann ein Vertrag sinnvoll sein, wenn für ihn die Gewährung einer längeren und kostspieligen Weiterbildung eine wichtige Voraussetzung ist, um überhaupt bei seinem Arbeitgeber zu bleiben. An sich nutzt ein solcher Vertrag aber vor allem dem Arbeitgeber: Er kann dort zum Beispiel festhalten, dass der Mitarbeiter die Kosten der Weiterbildung zurückzahlen muss, wenn er vor Ablauf einer vereinbarten Frist kündigt. Denn für ein Unternehmen ist es mehr als ärgerlich, wenn ein Mitarbeiter, in den es mit Weiterbildungen viel Zeit und Geld investiert hat, schon kurz darauf kündigt.
Wichtig in einem solchen Vertrag sind folgende drei Punkte:
1. die Höhe der Fortbildungskosten, die der Mitarbeiter zurückzahlen muss, wenn er vor Ablauf der vereinbarten Frist kündigt,
2. die Länge dieser Frist und
3. die genauen Modalitäten der Rückzahlung.
Kann ich von meinem Arbeitgeber eine Weiterbildung verlangen, beispielsweise wenn ich eine neue Aufgabe übernehmen soll?
Nein, hierauf besteht kein Anspruch. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bestimmte Lehrgänge zu finanzieren oder den Arbeitnehmer hierfür freizustellen. „Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer neue Aufgaben übernehmen soll und es eigentlich sinnvoll wäre, vorher eine Weiterbildung zu machen“, so Anwalt Hensche. Ausnahme: Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen oder es gibt eine Betriebsvereinbarung, die einen solchen Anspruch enthält.
Tipp: In mehreren Bundesländern können Unternehmen Fördergelder für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter beantragen. Sprechen Sie Ihren Chef darauf an! Beschäftigte in kleinen und mittelständischen Unternehmen können außerdem über das Förderprogramm WeGebAU Unterstützung beantragen. Weitere Informationen lesen Sie im Leitfaden Weiterbildung finanzieren der Stiftung Warentest.
Für Mitglieder der IG Metall gibt es seit einem Jahr die so genannte Bildungsteilzeit. Was ist das?
Die IG Metall hat als erste Gewerkschaft einen Anspruch auf Bildungsteilzeit durchgesetzt. Das heißt: Für alle Mitglieder, die in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie arbeiten, ist ein tarifvertraglicher Anspruch auf Weiterbildung festgeschrieben – auch wenn sie nicht betrieblich notwendig oder zweckmäßig ist. Sie können dafür in Teilzeit gehen oder eine Auszeit nehmen.
Der Arbeitnehmer muss Kosten und Zeit für seine Weiterbildung selber aufbringen. Kann er das, muss der Arbeitgeber ihn für die Zeit der Weiterbildung freistellen und ihm bis zu sieben Jahre die Rückkehr garantieren. Mithilfe dieser Regelung ist es sogar möglich, ein Studium aufzunehmen.
Der Tarifvertrag sieht vor, dass der Rahmen für die Weiterbildung in einer Bildungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgehalten wird. Darin werden beispielsweise festgelegt:
- Beginn und Dauer der Weiterbildung
- Art und Umfang der Freistellung
- Rückkehr auf einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz nach Beendigung der Weiterbildung.
Tarifvertraglich geregelt ist auch, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Bildungskonto einrichten kann, auf dem Zeit und Geld als Guthaben angespart werden können. Es können Teile des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes eingezahlt werden. So wird während der Weiterbildung eine finanzielle Sicherheit geschaffen. Zudem ist es möglich, bis zu 152 Stunden Mehrarbeit jährlich aus dem Arbeitszeitkonto anzusparen, die für die Weiterbildung genutzt werden können.
Tipp: Weitere Informationen erhalten Sie im Infoflyer Tarifliche Bildungsteilzeit der IG Metall.
Wenn der Chef die Weiterbildung anbietet
Kann mich mein Chef zu einer Weiterbildung zwingen?
In der Regel ist der Mitarbeiter zunächst nur zu der im Arbeitsvertrag vereinbarten Leistung verpflichtet. Im Rahmen seines sogenannten Weisungsrechts kann der Arbeitgeber aber von ihm verlangen, an bestimmten Weiterbildungen teilzunehmen. Hierbei geht es insbesondere um Fortbildungen, die es dem Mitarbeiter überhaupt erst ermöglichen, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten auch künftig nachzukommen. Das kann der Fall sein, wenn sich sein Berufsbild aufgrund technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen wesentlich ändert. „Der Arbeitnehmer muss sich aber nicht höher oder anderweitig qualifizieren lassen, als es seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung entspricht“, sagt Michael Kauert, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber auch den zeitlichen Rahmen der Fortbildung festlegen. Die Interessen des Arbeitnehmers sollte er dabei aber berücksichtigen. Wenn der Kurs außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfindet, kann der Mitarbeiter sich weigern, wenn hierdurch die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschritten würden.
Tipp: Bevor Sie eine Weiterbildung ablehnen, sollten Sie überlegen, ob diese für Sie nicht auch eine Chance für ein besseres berufliches Fortkommen darstellt.
Kann der Arbeitgeber von mir verlangen, dass ich auf eigene Kosten eine Weiterbildung mache?
Nein, das kann er nicht. Nur wenn der Arbeitgeber die Kosten übernimmt, kann der Arbeitnehmer zur Teilnahme an einer Weiterbildung verpflichtet sein. Doch selbst wenn der Chef die Weiterbildung zahlt, kann es Fälle geben, in denen der Arbeitnehmer nicht zwingend zur Teilnahme verpflichtet ist. Steht die vorgesehene Fortbildung beispielsweise in keinerlei sachlichem Kontext zu seinen eigentlichen Arbeitsaufgaben, kann sich der Mitarbeiter verweigern.
Kann mich der Arbeitgeber, wenn ich nur in Teilzeit oder befristet angestellt bin, von Weiterbildungsmaßnahmen ausschließen?
Nein, das kann er im Allgemeinen nicht. Denn laut Teilzeit- und Befristungsgesetz muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass auch befristet oder in Teilzeit Beschäftigte an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können – es sei denn, dringende betriebliche Gründe sprechen dagegen. Das Gesetz hält allerdings nicht fest, dass der Arbeitgeber Weiterbildungsmöglichkeiten grundsätzlich schaffen müsse. Für den Arbeitgeber besteht daher keine Verpflichtung, derartige Veranstaltungen anzubieten. „Das Gesetz gewährt befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Teilzeit-Mitarbeitern lediglich einen Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an Weiterbildungsmaßnahmen, sofern diese generell angeboten werden“, so Rechtsanwalt Michael Kauert.
* Diese FAQ wurden erstmals am 16. November 2015 auf test.de veröffentlicht und am 18. Januar 2016 aktualisiert.