
Gekürzte Kurse, ausgiebige Eigenwerbung und wenig Nutzwert: Seminare für Existenzgründer bieten oft nicht, was sie sollten. Wenn ein Dreitagesseminar unangekündigt nur an zwei Tagen stattfindet, die ebenso knappe wie kostbare Unterrichtszeit für Hinweise auf weitere Veranstaltungen des Anbieters drauf geht und das Gelernte am Ende nicht in der Praxis anwendbar ist, werden die Teilnehmer kaum fit für die eigene Firma. Fundiertes Basiswissen ist aber entscheidend für den Erfolg der Businessidee.
Alle Testergebnisse für Existenzgründerseminare
Nur nicht mit der Geschäftsidee baden gehen
Ein kleines Café im Kiez eröffnen, ein Fotostudio aufmachen, ein Internet-Start-up aufziehen oder Stadtspaziergänge veranstalten – Deutschlands Existenzgründer sind ideenreich und wagen den Schritt in die Selbstständigkeit jedes Jahr hunderttausendfach. Etwa ein Drittel von ihnen geht jedoch binnen der ersten drei Jahre mit dem frisch gegründeten Business wieder baden. Ein Grund: Häufig hapert es an solidem Wissen, das den angehenden Unternehmern helfen könnte, ihre Geschäftsidee zum Erfolg zu machen.
Fit für die eigene Firma
Die dafür relevanten Grundkenntnisse, die Gründungswillige fit für die eigene Firma machen, vermitteln unterschiedliche Informations-, Beratungs- und Bildungsangebote von Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, Volkshochschulen, Gründerzentren und Unternehmensberatungen. Besonders verbreitet sind zwei- bis fünftägige Präsenzseminare in Blockform. 36 solcher Kurse hat die Stiftung Warentest geprüft. Allerdings mit lediglich durchwachsenen Ergebnissen: Teils wurden Kurse nach Gutdünken des Anbieters gekürzt oder sie verkamen zu reinen Werbe- und Informationsveranstaltungen, die die Bedürfnisse der Teilnehmer allzu oft außer Acht ließen. Ihre konkrete Gründungsidee war selten Thema in den Lehrgängen für angehende Firmeninhaber. Auch auf die spätere Anwendbarkeit des Gelernten in der unternehmerischen Praxis wurde zu wenig Wert gelegt. Das ist umso bedenklicher, weil es belegt: Das Bildungsangebot in diesem Sektor ist über die Jahre beständig im Mittelmaß stecken geblieben. Die Stiftung Warentest hat Gründerseminare bereits 2003 und 2008 unter die Lupe genommen – die Resultate ähneln sich sehr: Das Niveau der Kurse ist allenfalls durchschnittlich.
In der Masse nur Mittelmaß
Auch in diesem Test erhielten 14 Kurse hinsichtlich der Kategorie „Kursdurchführung“ nur eine mittlere Bewertung. Zwei – und zwar das Gründer-Unternehmer-Zentrum, ein Veranstalter mit mehreren Standorten im Osten Deutschlands, sowie der Rostocker Anbieter LeinenLos – hoben sich allerdings durch eine sehr hohe Qualität in diesem Prüfpunkt von der mittelmäßigen Masse ab. Es gab jedoch auch Ausreißer nach unten: Drei Lehrgänge, der des IEU – Institut für Existenzgründungen, der VHS Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin sowie der Volkshochschule Dresden, wiesen hinsichtlich der Durchführung nur eine sehr niedrige Qualität auf.
Norden, Süden, Osten, Westen
Die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest haben Kurse im gesamten Bundesgebiet getestet. Einige Anbieter geben Seminare über die Republik verteilt, einige an mehreren Standorten in einem Bundesland. Andere Angebote wiederum sind lediglich lokal begrenzt. Bei den bundesweiten Anbietern hat Mennesclou mit einem günstigen und methodisch hervorragenden Existenzgründerlehrgang die Nase vorn. Angehende Firmenchefs aus dem Norden sind zum Beispiel bei LeinenLos ebenfalls gut aufgehoben. Gründer aus dem Süden werden über einen motivierenden Unterricht bei der HWK der Pfalz und der IHK Akademie München und Oberbayern gut an die Materie herangeführt. Wer sich im Westen selbstständig machen will, erfährt bei dbt und dem Institut-Gründungsoffensive.de, was er für die Umsetzung seiner Businessidee wissen muss. Das Gründer-Unternehmer-Zentrum in Leipzig bereitet im Osten gründlich auf die Gründung vor (siehe Tabelle).
Werbung statt Weiterbildung
Existenzgründer fit zu machen – das leisten allerdings längst nicht alle Kurse. Mankos gab es zum Beispiel auf der inhaltlichen Ebene: Statt gründungsrelevantes Wissen zu vermitteln, wurden einige Kurse für Werbezwecke missbraucht: „Wir haben uns darüber lustig gemacht, dass gleich wieder ein Werbeblock kommt“, sagte einer unser Tester angesichts der gehäuften Hinweise auf weitere Workshops zum Thema Businessplan oder Marketing. Sogar per E-Mail wurde er zweimal ermuntert, sich dafür anzumelden. Auch an der Fülle der anzusprechenden Themen scheiterte manch ein Kurs. Zu den Stichworten, die ein Teilnehmer dort unbedingt gehört haben sollte, zählen „Businessplan“, „Gewerbeanmeldung“ und „soziale Absicherung“. Finanzierungsfragen müssen ebenfalls angesprochen werden und auch die Überlegung „Eigne ich mich überhaupt zum Unternehmer?“ muss eine Rolle spielen (siehe Was ein guter Kurs bieten sollte).
Keinen Plan vom Businessplan
Manch ein Tester verließ den Kurs jedoch, ohne einen Businessplan gesehen zu haben. „Niemand von uns hätte ihn nach dem Seminar erstellen können“, zog einer unser Tester etwa nach dem Besuch eines Kurses ein frustriertes Fazit. Wie es besser geht, zeigt zum Beispiel die Handwerkskammer Dresden. Hier wurde die Gründung Schritt für Schritt durchgespielt. Jeder Teilnehmer musste zudem eine Marketingidee für sein Projekt erarbeiten und vorstellen.
Schwächen in Sachen Vermittlung
Fakt ist also: In den Existenzgründerkursen muss viel Stoff in kurzer Zeit untergebracht werden – und zwar so, dass der Gründer in der Praxis etwas damit anfangen kann. Wesentlich für den Nutzwert solcher Weiterbildungen ist daher die Art der Vermittlung der Businesskenntnisse. Genau hier scheitern etliche Anbieter kläglich: Sieben Veranstalter brachten es dort nur auf die Bewertung sehr niedrig. Weitere sieben schlossen mit niedrig ab. Die Hauptkritik der Weiterbildungsexperten: Der Unterricht ist überwiegend frontal gestaltet, viel zu theorielastig, sehr schematisch und zu selten an den Interessen, Ideen und Bedürfnissen der Teilnehmer orientiert. Auch Übungen kommen in vielen Fällen deutlich zu kurz. Generell kann angesichts der Testergebnisse der Eindruck entstehen, dass die Seminarinhalte ohne Rücksicht auf die Belange der Teilnehmer geplant werden. Immerhin erfragen einige Anbieter vorab wenigstens die Branche, in der der Kursanwärter gründen will. In den seltensten Fällen wird das jedoch später thematisiert.
Besserer Blick auf die Zielgruppe
Dabei könnten die Seminare einen deutlichen Mehrwert haben, wenn sie die Zielgruppe besser im Blick behielten. Zugeschnitten auf definierte Teilnehmerkreise wären die Dozenten in der Lage, effektiver auf die Gründer einzugehen. Denn wer sich als Freelancer selbstständig macht, muss nichts über Personalbeschaffung wissen. Wer aus der Berufstätigkeit heraus gründet, muss sich andere Fragen stellen als ein Arbeitsloser. Einer der Tester kam sich jedenfalls fehl am Platz vor, weil der Dozent nur die Belange derjenigen Teilnehmer berücksichtigte, die Arbeitslosengeld bezogen. Für dieses zweifelhafte Vergnügen zahlte er noch dazu 40 Euro mehr als die Seminarbesucher, die die Arbeitsagentur zum Existenzgründerlehrgang geschickt hatte.
Viele Köche verderben den Brei
Vor allem bei den längeren Kursen im Test traten ganze Dozententeams an, um den Gründern gemeinsam beim Start des eigenen Betriebes auf die Sprünge zu helfen. Von Vorteil ist diese Vermittlungsform, wenn Experten und Sachkundige über spezielle Themen wie Rechts-, Versicherungs- und Finanzfragen referieren. Fragwürdig wird das Konzept jedoch, wenn sich die Vortragenden nicht miteinander abstimmen, sich in ihren Auskünften widersprechen oder wiederholen, wie das etwa in den Kursen der IHK Ostthüringen zu Gera und der IHK Projektgesellschaft Ostbrandenburg der Fall gewesen ist.
Mängel bei den Materialien
Hilfreich sind auch Handreichungen, die es den Teilnehmern ermöglichen, Wichtiges im Nachhinein nachzulesen. Die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest haben daher die Qualität des Lehrmaterials ebenfalls geprüft. Die unterschied sich zum Teil erheblich und reichte von der wenig aufschlussreichen Loseblattsammlung bis hin zu gut gemachten Materialien. Der Anbieter LeinenLos gewährte den Seminarbesuchern sogar Zugang zu einer eigenen virtuellen Lernplattform. Ärgerlich ist es hingegen, wenn das Skript gänzlich ausbleibt. Ein Tester hatte sich im Seminar des Ifu Institut für Unternehmensgründung vorab erkundigt, ob er mitschreiben solle. Auf den Hinweis, das stehe alles im Material, ließ er seinen Stift ruhen. Auf das angekündigte Skript wartet der Test-Gründer jedoch immer noch.
Zeitlich zu kurz gekommen
Im Test traten weitere Mängel zutage: Nicht nur das finanzielle Budget ist bei Gründern oft ziemlich klein, auch die Zeitfenster sind häufig eng. Wer mit seinem Start-up in den Startlöchern steht und einige Tage investiert, um sich in Sachen Gründung kundig zu machen, sollte daher von den Seminaranbietern einiges erwarten dürfen – vor allem, dass die angesichts der Themenfülle ohnehin nicht allzu üppig bemessenen Unterrichtseinheiten auch voll ausgeschöpft werden.
Aus Drei mach Zwei
Bei den getesteten Seminaren war das jedoch nicht immer der Fall: Ein paar Kurse wurden von drei auf zwei Tage verkürzt. Die Begründungen erschienen hanebüchen: Nicht einzusehen ist, dass eine Dozentin aus privaten Gründen das Seminar eine Tag früher beendete. Bei zwei weiteren Anbietern wurde die geringe Teilnehmerzahl als Grund für die Verkürzung angeführt und versichert, der Stoff würde in der verbleibenden Zeit ausreichend behandelt – allerdings zeigen die Ergebnisse der Untersuchung, dass genau das dort nicht der Fall gewesen ist. Das durchaus lax zu nennende Zeitmanagement einiger Anbieter stimmt ärgerlich: Denn Selbstständige haben viel zu lernen und einiges zu bedenken – da ist jede verschenkte Seminarstunde ein Schlag ins Kontor. Eine überraschende Erkenntnis übrigens: Der Test hat gezeigt, dass Kurse nicht grundsätzlich besser sind, wenn sie länger dauern. Nutzen Zwei-Tages-Seminare ihre Zeit optimal aus, können sie im Gegenteil ebenso effektiv sein wie ein Fünf-Tages-Seminar. Die haben zwar an sich mehr Potenzial, doch die Untersuchung zeigt, dass das in manchen Fällen nicht optimal ausgeschöpft wurde.
Verdacht in Punkto Fördermittel
Der Staat will Start-ups. Denn grundsätzlich ist ein dynamisches Gründungsgeschehen von volkswirtschaftlichem Wert: Neugründungen bringen nicht nur den Selbstständigen selbst in „Lohn und Brot“, sondern – sofern vorhanden – auch deren Angestellte. 2011 schafften Neugründungen beispielsweise rund 453 000 Vollzeitstellen. Selbstständige werden deshalb mit staatlichen Mitteln unterstützt (siehe Geld für Gründer). Auch für die Anbieter von Existenzgründerseminaren gibt es Gelder, zum Beispiel vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Ziel der Zuwendungen ist es, die Kosten der Kurse zu reduzieren, um so die monetäre Hemmschwelle für die Teilnahme zu senken. Das erklärt, dass das Gros der Lehrgänge mit 30 bis 100 Euro tatsächlich erschwinglich ist. Offenbar verführt die Förderung den ein oder anderen Anbieter zu finanziellen Unsauberkeiten. Für die Höhe der Zuwendung ist die Dauer des Lehrgangs entscheidend. Eines der Seminare wurde gekürzt – „und wir wurden dazu aufgefordert, die Papiere falsch auszufüllen“, sagte ein Tester: Er musste schriftlich bestätigen, dass der Lehrgang wie ausgeschrieben stattfand.
Seminare bieten erste Orientierung
Eines muss angehenden Selbstständigen von Beginn an bewusst sein: Ein Einführungsseminar verschafft nur einen Überblick über die wesentlichsten Themen, die auf die Agenda eines Gründers gehören. Es kann nur Orientierung über die vielfältigen Anforderungen an den künftigen Firmenchef bieten. Eine individuelle Beratung und eigene Recherchen, zum Beispiel auf einschlägigen Gründerportalen im Internet, kann ein Basislehrgang keinesfalls ersetzen (siehe Tipps). Wo die Existenzgründerberatung etwas bringt und welches Gründerportal informativ ist, haben die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest bereits geprüft. Sinnvoll ist ein solches Seminar für Selbstständige übrigens beinahe zu jedem Zeitpunkt des Gründungsvorhabens. Gewisse Formen sollte die Geschäftsidee vor dem Besuch eines Existenzgründerkurses allerdings bereits angenommen haben. Sich zu einem recht frühen Zeitpunkt einen Überblick über die wichtigsten Gründungsthemen zu verschaffen, ist jedoch in jedem Falle angebracht.
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