Auch wenn das angesichts ständiger Negativmeldungen über Griechenland seltsam klingen mag: Die Eurokrise verzieht sich so langsam. Der schwache Euro hilft der Konjunktur, vor allem das exportstarke Deutschland boomt. Das größte Wachstum verzeichnete im vergangenen Jahr Irland, mit einer Rate von fast 5 Prozent. Auch in Spanien und Portugal wächst die Wirtschaft wieder, nur Italien ist noch nicht raus aus der Rezession. test.de gibt einen kleinen Überblick.
Schwung durch die EZB
Der Schub kam Anfang März. Als Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), die Details seines Anleihenkaufprogramms bekannt gab, rutschte der Euro auf einen Kurs von 1,05 Dollar, die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen sanken weiter. Beides versetzte die Aktienmärkte mächtig in Schwung. Details zum Anleihekaufprogramm und den Folgen für Anleger im FAQ: Lohnt sich Sparen überhaupt noch?
Boom an den Börsen
Der deutsche Leitindex Dax sprang darauf binnen zehn Tagen von rund 11 500 auf mehr als 12 200 Punkte – ein Plus von 6 Prozent. Seit Beginn des Jahres verzeichnete der Dax ein Plus von 22 Prozent. Auch andere Krisenländer konnten sich über Kursgewinne freuen, allen voran Portugal, dessen Börse stärker stieg als die deutsche. Die Ausnahme bildet Griechenland: Die Athener Börse liegt seit Jahresbeginn im Minus (siehe Länderportraits).
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Draghis Konjunkturprogramm
Mario Draghis Absicht ist, die Wirtschaft anzukurbeln und so mittelfristig wieder eine Inflationsrate von 2 Prozent pro Jahr zu erreichen. Den Wechselkurs wolle er nicht beeinflussen, sagt er, doch schon die niedrigen Leitzinsen und der negative Einlagenzins haben dazu geführt, dass viele Anleger ihr Geld auf der Suche nach Rendite außer Landes gebracht haben – in die USA etwa, wo die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen bei knapp 2 Prozent pro Jahr liegen und nicht bei rund 0,2 Prozent wie hierzulande. Und nun kommt zu den Niedrigzinsen noch die Geldschwemme durch das Anleihenkaufprogramm der EZB. 60 Milliarden Euro pro Monat will sie für den Kauf von Staatsanleihen ausgeben, vorerst bis September 2016, was insgesamt mehr als eine Billion Euro bedeutet.

1,05 Dollar kostete der Euro zuletzt Anfang 2003. Ende März 2014 war die Gemeinschaftswährung noch 1,37 Dollar wert. Sein Allzeithoch markierte der Euro bei einem Kurs von 1,60 Dollar, das war im Juli 2008.
Auslandsurlaub und Importe werden teurer
Ein schwacher Euro beunruhigt viele. Anleger haben Angst vor Geldverlust, Urlauber müssen für ihre Überseereise stärker in die Tasche greifen – und auch Importwaren dürften teurer werden, Kleidung zum Beispiel. Benzin und Heizöl sind bisher nicht betroffen, weil der Ölpreis stark gesunken war. Steigt er wieder an wie zuletzt nach den Unruhen im Jemen, dürfte das den Geldbeutel der Deutschen spürbar schmälern.
Export profitiert vom schwachen Dollar
Für die Märkte jedoch wiegt der Nutzen des schwachen Euro stärker – was sich unter anderem im Höhenflug des Dax spiegelt. Immerhin macht Deutschlands Export 43 Prozent an der Wirtschaftsleistung aus, wovon der größere Teil in Länder außerhalb der Eurozone geht. Je billiger der Euro, desto günstiger die deutschen Produkte – und umso höher womöglich die Nachfrage. Der ifo-Index ist zuletzt fünf Mal in Folge gestiegen (siehe Grafik unten). Das spült Geld in die Unternehmenskassen, es sorgt für Arbeit und füllt die Portmonees der Menschen. Mehr noch als Deutschland exportiert das einstige Krisenland Irland, mit einem Anteil von 51 Prozent. Den anderen Krisenstaaten hilft die Euroschwäche weniger. Die Exportquote Portugals, Italiens und Spaniens liegt bei etwa 25 Prozent, die Griechenlands beläuft sich auf magere 12 Prozent – Tourismus inklusive (Angaben für 2013).

Euroland nimmt Fahrt auf
Die Absicht hinter dem Anleihekaufprogramm ist, die Konjunktur anzukurbeln. Verkäufer der Anleihen sind unter anderem Banken, die das Geld weiterverleihen sollen, an Unternehmen zum Beispiel, die investieren und Arbeitsplätze schaffen sollen. Doch gerade in den Krisenländern sind viele Unternehmen schon hoch verschuldet, sie können nicht noch mehr Schulden machen. Und die Banken, die neue Eigenkapitalvorschriften umsetzen müssen, haben wenig Spielraum für die Vergabe neuer Kredite, zumal noch alte Kredite auf ihren Bilanzen lasten. Viele, die Staatsanleihen halten, mögen zudem gar nicht verkaufen. Versicherer zum Beispiel brauchen sichere Anlagen für die Anlage von Kundengeld.
Trotzdem: Die Wirtschaft in Euroland wächst. Viele der Länder sind aus der Rezession heraus. Im gesamten Euroraum wuchs die Wirtschaft 2014 um 0,9 Prozent. Für 2015 prognostiziert die Bank BNP Paribas einen Anstieg von 1,8 Prozent, für 2016 sogar 2 Prozent.
Angst vor neuer Spekulationsblase
Anleger fürchten, dass das Geld an die Börsen fließt und dort eine Kursblase verursacht. Ganz von der Hand zu weisen ist die Sorge nicht. Doch dass die Aktien steigen, hat außer guten wirtschaftlichen Aussichten und günstigen Verschuldungsmöglichkeiten schlicht rechnerische Gründe. Je niedriger die Zinsen, desto mehr sind künftige Gewinne der Unternehmen heute wert. Wie sich Zinsen und andere Einflüsse auf Aktienkurse auswirken können, zeigt der Beitrag Das Pantoffel-Portfolio – bequem und krisenfest. Ein schwacher Euro belastet Geldanleger dagegen kaum. Geld, das sie hierzulande in Euro verdienen und ausgeben, ist vom Wechselkurs unberührt. Internationale Anlagen wie Aktienfonds Welt steigen, wenn der Dollar an Wert gewinnt. Doch verlassen sollte man sich darauf nicht. Auch die USA haben eine starke Exportwirtschaft, die besser fährt, wenn der Dollar schwächelt. Die US-Notenbank Fed wird die Zinsen daher wohl doch nicht so schnell erhöhen wie erwartet.