Ethisch-ökologische Investments Nach­haltig anlegen: Waffen und Atom­strom weiter tabu

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Ethisch-ökologische Investments - Nach­haltig anlegen: Waffen und Atom­strom weiter tabu

Nach­haltige Fonds. Für die meisten Anbieter bedeutet der Krieg gegen die Ukraine bisher keine Zeitenwende in ihren Anla­gestrategien. © Getty Images / Shanina

Der Krieg in der Ukraine hat eine Debatte ausgelöst: Sind Waffen nach­haltig, wenn sie Frieden sichern? Hilft mehr Atom­strom? Wir fragen Anbieter nach­haltiger Fonds.

Reagieren die Anbieter?

Hersteller von Streubomben und anderen geächteten Waffen sind für ethisch-ökologische Fonds ausgeschlossen. Ebenso gilt häufig ein Investitions­verbot für konventionelles Kriegs­gerät. Doch mit dem Einmarsch Russ­lands in die Ukraine wird die Wehr­fähig­keit der Staaten neu diskutiert, und die Energie­abhängig­keit von Russ­land hat die Diskussion um Kern­energie als mögliche klima­verträgliche Alternative wieder entfacht.

Wir haben bei einigen Anbietern nach­haltiger Fonds nachgefragt, ob und wie sie auf die veränderte Situation reagieren. Es gibt ein historisches Vorbild: Nach der Erdbeben­katastrophe im japa­nischen Fukushima vor mehr als zehn Jahren nahmen einige nach­haltige Fonds die als CO2-neutral geltende Atom­kraft neu auf ihre Ausschluss­liste.

Unser Rat

Nach­haltige Banken. Die von uns untersuchten Banken schließen Waffen­geschäfte komplett aus (Stand Januar 2021). Atom­kraft ist mit Ausnahme der islam­konformen KT-Bank ebenfalls bei allen tabu. Detaillierte Informationen zu allen Ausschluss­kriterien sowie aktuelle Konditionen für Tages- und Fest­geld finden Sie im Test Nachhaltige Zinsen.

Nach­haltige Fonds. Das Spektrum ethisch-ökologischer Fonds reicht von sehr streng bis wenig nach­haltig. Sie wollen sicher­gehen, dass bestimmte Branchen oder Geschäfts­praktiken ausgeschlossen sind? Vergleichen Sie Ihren Fonds mit unseren Test­ergeb­nissen. Sie finden sie in unserer großen Fondsdatenbank. Die gesamte Unter­suchung können Sie in unserem Beitrag So legen Sie sauber an nach­lesen.

Aktuelle Bericht­erstattung. Der Krieg in der Ukraine hat die Börsen in Unruhe versetzt. Die Inflation steigt. Was Anleger jetzt beachten sollten, lesen Sie auf unserer Themenseite Alles zum Thema Finanzkrisen.

Die Energiefrage

Atom­strom könnte helfen, unabhängiger von Energielieferungen aus Russ­land zu werden, war verschiedentlich zu hören. Doch Andreas Kraemer, Gründer des Ecologic Instituts in Berlin, sagt: „Weder Atom­strom noch Kohle können ausfallendes Gas oder Öl aus Russ­land ersetzen.“ Die flexiblen Gaskraft­werke können kurz­fristige hohe Strom­nach­frage befriedigen, mit Atom- und Kohle­strom geht das nicht. Das meiste Gas wird zudem zur Wärmeerzeugung, als Kraft­stoff und in der Industrie gebraucht.

„Wir sehen keinen Anlass, die Kriterien zu über­denken“, sagt Andreas Kraemer, der auch im Anla­geausschuss des Fonds Ökovision sitzt. Der welt­weit anlegende Aktienfonds schließt Atom­kraft rigide aus. Im Gegen­teil: Jetzt zeige sich, wie wichtig Energieeffizienz oder erneuer­bare Energien seien.

Atom­kraft in unserer Bewertung

Unser Finanztest-Ausschluss­kriterium umfasst den Betrieb von Atom­kraft­werken, die Herstellung von Komponenten und den Abbau von Uran. Nur 67 von 187 untersuchten Fonds schließen Atom­kraft voll­ständig aus. Viele erlauben den Uran­abbau, so auch die Fondsanbieter Union Investment und Deka (Stand Juni 2021). Ingo Speich, Leiter Nach­haltig­keit der Deka, stellt anders als bei Fukushima nun keinen Sinneswandel bei Investoren fest: „Hiesige Anleger wollen am Atomaus­schluss fest­halten.“

Öl treibt klassische Indizes an

In den vergangenen Jahren hatten nach­haltige Aktien die Nase vorn, auch weil fossile Energien unattraktiver wurden. Mit steigendem Ölpreis ziehen auch Ölaktien wieder an. Doch die Energiewende kommt, nicht zuletzt weil die EU unabhängiger von russischen Gas- und Ölimporten werden will. Das kann nach­haltigen Anlagen einen Schub verleihen. Die Grafik zeigt einen Vergleich des herkömm­lichen MSCI World-Index mit dem nach­haltigen MSCI World SRI.

Ethisch-ökologische Investments - Nach­haltig anlegen: Waffen und Atom­strom weiter tabu

Die Rüstungs­frage

Neben der Energiediskussion steht aktuell die Frage im Raum, ob Waffen als nach­haltig gelten können, weil sie wichtig seien, um Frieden zu sichern. Bundes­kanzler Olaf Scholz hat ein 100-Milliarden-Euro-Investitions­paket angekündigt, mit dem die Wehr­fähig­keit Deutsch­lands gestärkt werden soll.

Bei den meisten nach­haltigen Fonds sind Anlagen in Rüstungs­güter zumindest teil­weise ausgeschlossen. 73 von 187 nach­haltigen Fonds schließen sowohl geächtete als auch konventionelle Waffen komplett aus. Es wird unterschieden:

  • Bei kontroversen Waffen kennen die meisten kein Pardon. Fast alle der untersuchten Fonds schließen Hersteller von Streumunition, Land­minen, Atom-, Bio- und Chemiewaffen komplett aus. Sobald eine Firma auch nur kleine Umsätze damit erzielt, ist sie raus.
  • Bei konventionellen Waffen erfüllen knapp die Hälfte der von uns untersuchten Nach­haltig­keits­fonds das Ausschluss­kriterium komplett. Komplett heißt hier, dass kleine Umsätze bis zu 5 Prozent erlaubt sind.

Großer Grau­bereich

Diese 5-prozentige Umsatz­grenze ist Stan­dard im Markt. Ziel sei es, Unternehmen auszuschließen, deren Kern­geschäft Waffen sind, heißt es in der Branche. Der Grau­bereich sei zu groß, als dass ein Null-Prozent-Ausschluss zu garan­tieren sei. So könnten an sich zivile Produkte auch in Rüstungs­gütern einge­setzt werden. Nach­haltig­keits­spezialist Janne Werning von Union Investment nennt Fahr­zeug­antriebe als Beispiel. Und Michaela Stanke, Leiterin Green Finance der Börse Hannover, verweist auf Dienst­leister, die Güter auf der Schiene trans­portieren. „Da könnten eventuell auch Lieferungen für Waffen­hersteller dabei sein.“ Die Börse Hannover gibt den Global Challenges Index heraus. Der Index ist Grund­lage für den aktiv gemanagten Fonds Superior 6 Global Challenges und den Indexfonds Warburg Global Challenges.

Doch nicht alle Fondsanbieter nutzen die 5-Prozent-Regel. Der Fonds Steyler Fair Invest hat für bestimmte Militärgüter eine Grenze von 1 Prozent, Ökoworld und Triodos legen ihre Ausschlüsse bei 0 Prozent fest.

ETF oft weniger streng

Viele der von uns untersuchten ETF sind zwar streng bei kontroversen Waffen, erfüllen das Kriterium „Konventionelle Waffen“ aber nur einge­schränkt, weil sie für bestimmte Bereiche Umsätze bis 15 Prozent erlauben. Eine Ausnahme ist der Lyxor MSCI World ESG Leaders Extra, er ist strenger.

Waffen bleiben tabu

Ähnlich wie bei Atom­kraft bleiben die Anbieter bei Waffen­ausschlüssen hart. Ökoworld, Triodos, Steyler, der Global Challenges Index, Deka, Union – alle wollen weiterhin nichts mit Waffen zu tun haben. Lediglich die schwe­dische SEB Investment Management erlaubt es nun einigen Fonds, in die Verteidigungs­industrie zu investieren. Der SEB Europe Equity aus unserem Test zählt allerdings nicht dazu. Für die Steyler Bank sind Ausschlüsse ein State­ment dafür, womit sie kein Geld verdienen will. Nach­haltig­keits­experte Samuel Drempetic sagt: „Das bedeutet nicht, dass wir Staaten das Recht absprechen, ihre Souveränität zu verteidigen.“

Mit erneuer­barer Energie für den Frieden

Die GLS Bank verknüpft die Energiewende mit der Vision eines friedlichen Europas: „Statt einer massiven Aufrüstung brauchen wir für dauer­haften Frieden ein gemein­sames Zukunfts­bild“, sagt GLS-Vorstands­sprecher Thomas Jorberg. Dazu zählt die Bank „Investitionen in die Trans­formation der Wirt­schaft sowie eine friedens­stiftende Energiewende in Europa ohne Kohle- und Atom­energie, Erdöl und lang­fristig auch Gas“.

Unsere Bewertung bleibt

Auch wir halten an unseren Bewertungsmaßstäben fest. Kein Fonds, der in Atom­kraft oder Waffen investiert, ist streng nach­haltig. Bei Atom­kraft ist es nicht zuletzt die ungelöste Endlagerfrage, die gegen Nach­haltig­keit spricht. Auch Waffen bleiben für nach­haltig orientierte Anleger nach unseren Maßstäben ausgeschlossen. Selbst wenn man Waffen in einigen Fällen für notwendig erachten mag – eine andere Sache ist, ob man damit sein Geld vermehren will.

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