Einweggeschirr aus Plastik ist in der EU künftig verboten. Teller, Schalen oder Trinkhalme können auch aus Pflanzen hergestellt werden. Doch was taugen solche Ersatzprodukte? Das hat der Europäische Verbraucherschutzverband BEUC untersucht – und in manchen Produkten Schadstoffe gefunden. Das Dumme ist nur: Gesetzliche Regelungen für Plastik-Ersatzgeschirr gibt es noch nicht.
freischalten
Testergebnisse für 6 Essbare Trinkhalme 07/202157 Einweg-Alternativen im Test
Ab dem 3. Juli ist Einweggeschirr aus Plastik in der EU verboten. Damit soll weniger Plastikabfall und Mikroplastik in die Umwelt gelangen. Zwar gibt es längst Ersatzprodukte aus Pflanzenfasern, aber leider sind viele davon mit Schadstoffen belastet. Das stellte der Europäische Verbraucherschutzverband BEUC bei einer Untersuchung von 57 Tellern, Schüsseln und Strohhalmen aus vier Ländern fest. Im Test: Ware aus Italien, Dänemark, Spanien und Frankreich.
Getestet wurden
- 16 Teller und Schüsseln aus Palmblättern
- 18 Trinkhalme aus Papier
- 22 Teller und Schüsseln sowie eine Burger-Box aus Pflanzenfasern
Die englischsprachige Studie ist unter dem Titel Towards safe and sustainable food packaging („Wege zu sicheren und nachhaltigen Lebensmittelverpackungen“) im Internet abrufbar.
Nur Produkte aus Palmblättern (fast) ohne Schadstoffe
Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass Produkte aus Palmblättern Pestizide enthalten können. Deshalb wurden diese auf Spritzmittel-Rückstände getestet. Immerhin zehn Produkte aus Palmblättern wiesen gar keine Schadstoffe auf, bei sechs weiteren lagen die Pestizidwerte unterhalb existierender Richtwerte. Die restlichen Produktgruppen fielen negativ auf, waren bei der Nutzung als Einweggeschirr allerdings nicht akut gesundheitsschädlich. Ihre Inhaltsstoffe tragen jedoch zur Gesamtbelastung von Mensch und Umwelt durch Schadstoffe bei.
Geschirr aus Pflanzenfasern belastet
Fluorhaltige Verbindungen. 23 Schalen und Teller aus pflanzlichen Fasern – 21 aus Zuckerrohr, zwei aus Weizenstroh – waren allesamt schadstoffbelastet. Besonders sorgten sich die Prüfer um sogenannte PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), das sind fluorhaltige Verbindungen, die von der Natur praktisch nicht abgebaut werden können. Sie sind gesundheits- und umweltschädlich und kommen auch in herkömmlichen Lebensmittelverpackungen vor. PFAS werden eingesetzt, um Lebensmittel wasser-, fett- und schmutzabweisend zu machen.
Chlorpropanole. Auch die potenziell krebserregende Schadstoffklasse der Chlorpropanole fand sich in Geschirr aus Pflanzenfasern, etwa die Verbindung 3-MCPD.
Wie unterscheide ich Palmblätter und Zuckerrohr-Fasern?
Produkte aus Palmblättern lassen noch die Struktur der Blätter erkennen. Sie sind beige und mit dunkleren, leicht braunen Partien versetzt. Man sieht noch die Blattadern, die aussehen wie feine Rillen.
Produkte aus Zuckerrohr – die Fasermasse wird auch Bagasse genannt – sind ohne erkennbare Struktur und von gleichmäßiger, oft mattweiser oder hell beiger Farbe.
Auch viele Strohhalme aus Papier enthalten Schadstoffe
Strohhalme aus Papier ersetzen Einweg-Trinkhalme aus Kunststoff. Von den 18 untersuchten Papierröhrchen waren 7 mit PFAS oder Chlorpropanolen über den empfohlenen Richtwerten belastet, 6 blieben mehr oder weniger knapp unter den Richtwerten. Lediglich fünf Trinkhalme enthielten keine Schadstoffe oder nur in sehr geringen Mengen. Auch Untersuchungen staatlicher Aufsichtsbehörden bestätigen, dass Schadstoffe in Papiertrinkhalmen ein Problem sind.
Belastung mit Pestiziden im Rahmen des Erlaubten
11 der 39 von BEUC getesteten Geschirrteile waren mit Pestiziden belastet. Meist mit je einem Pestizid, ein Produkt aus Pflanzenfasern gar mit dreien. Die 18 Trinkhalme wurden nicht auf Pestizide untersucht. Einige der Spritzmittel sind in der EU gar nicht erlaubt, andere legal, aber als gesundheitsschädlich eingestuft. Immerhin gingen bei den untersuchten Produkten weit weniger Pestizide in Nahrungsmittel über, als die EU-Grenzwerte erlauben.
Noch keine EU-Vorschrift in Sicht
Bislang gibt es keine gesetzlichen Regelungen für Schadstoffe im Plastikersatz-Geschirr. Der Vertrieb ist also legal, auch wenn Grenzwerte überschritten würden, die anderswo in EU-Regeln gelten. Behörden und Verbraucherorganisationen können nur über Schadstofffunde informieren. Die Europäische Union sammelt derzeit im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens Informationen über den riesigen und komplexen Markt von Stoffen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
Verbindliche Regelungen für Lebensmittelverpackungen
Darunter fällt neben Einweggeschirr auch eine Vielzahl von Verpackungsstoffen aus Papier, Plastik, Verbundstoffen oder Druckfarben. Jane Muncke von der Stiftung Food Packaging Forum mit Sitz in Zürich nennt eine Zahl von 8 000 chemischen Verbindungen, die in Europa im Lebensmittelverpackungsbereich genutzt werden. Bis hier eine verbindliche Regelung kommt, wird es wohl noch Jahre dauern.
Verbraucherschützer fordern bessere Überwachung
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert ein Verbot besonders schädigender Stoffe. Außerdem ein Zulassungsverfahren für Materialien mit Lebensmittelkontakt sowie Geld und Personal für die Lebensmittelüberwachung. Auf der vzbv-Website finden sich auch Links zu entsprechenden Untersuchungen deutscher Ämter. Melane Teller Blume vom großen dänischen Lebensmittelhändler Coop sagte Mitte Juni 2021 in einer Pressekonferenz zum Thema, es gebe diverse Ersatzstoffe. Trotz vieler wissenschaftlicher Erkenntnisse sei die Gesetzgebung auf dem Gebiet aber sehr langsam. In Dänemark etwa seien die PFAS schon verboten. Zu den seitdem genutzten Verpackungen habe es keine Beschwerden von Seiten der Kunden gegeben.
Fragwürdige Umweltversprechen mit fatalen Folgen
Besonders ärgerten sich die BEUC-Tester über eine Vielzahl von nicht staatlich geregelten Öko-Siegeln an den Produkten – und Begriffe wie „umweltfreundlich“, „Bio“ und „Natur“. Sowie das verbreitete Versprechen, das Geschirr sei kompostierbar. In Kompostanlagen oder Gartenkompostern würden dann gerade die schädlichen und nicht abbaubaren PFAS freigesetzt, und zwar für Hunderte von Jahren.
Melaminharz in Bambusbechern. Schon im Jahr 2019 stellte die Stiftung Warentest zweifelhafte Stoffe in Mehrweg-Bambusbechern fest. Viele „Bambusbecher“ bestanden zu einem guten Teil aus Melaminharz-Kleber – ein Stoff, der nicht für Heißgetränke geeignet ist. Denn bei Temperaturen von über 70 Gad werden Melamin und der Schadstoff Formaldehyd freigesetzt. Sie eignen sich also für Saft, jedoch nicht für Kaffee oder Tee. Schon damals warben die Anbieter zum Teil mit der Kompostierbarkeit ihrer Produkte – obwohl sich Melaminharz nicht in Kompostieranlagen zersetzt.
-
- Mehr als 100 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht jeder Bundesbürger jährlich. Ina Bockholt, Redakteurin bei test, ärgert sich über ihren täglichen Beitrag dazu. Sie...
-
- Jeder Deutsche verbraucht im Schnitt 34 Einwegbecher jährlich für Kaffee, Chai Latte & Co. Macht rund 2,8 Milliarden Becher und 40 000 Tonnen Müll – der oft genug in...
-
- Äpfel mit fleckenfreier Schale, Radieschen mit frischem Grün, pfeilgerade gewachsene Möhren – das Umweltbundesamt (Uba) kritisiert in einer Studie Händler, die von...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Hallo zusammen, als ich auf diese rege Diskussion der Alternativen zum Einweg-Plastikstrohhalm v.a. in Bezug auf Pflegeinrichtungen gestoßen bin, wollte ich sofort die Erfindung der HalmBrüder mit Euch teilen. Unser junges Start-up löst genau die angesprochenen Probleme. Mit dem Turtleneck® Straw entwickelten wir die flexible Alternative zum Plastikstrohhalm. Durch die Verwendung von biegsamem Edelstahl lässt sich sein Mundstück einfach und unendlich knicken und ersetzt den Plastikstrohhalm vollständig in seiner Funktion. Sowohl die Verwendung von lebensmittelechtem Edelstahl als auch sein großer Durchmesser und die abgerundeten Kanten des Mundstücks sorgen für maximale Sicherheit. Das macht den Trinkhalm zur Strohhalm-Alternative, die auch von Senioren und Menschen mit Handicap flexibel genutzt werden kann. Zusätzlich ist er durch seine einfache Reinigung in der Spülmaschine hygienisch unbedenklich und garantiert sauber trotz seiner Undurchsichtigkeit (unabhängig geprüft).
Ich lebe nachhaltig und nutze trotzdem gerne die schönen pastellfarbenen Kunststoff-Strohhalme mit größerem Durchmesser - wie es sie beispielsweise in dem schwedischen Möbelhaus gibt - für selbstgemixte grüne Smoothys, Milchshakes, Cocktails etc. Für mich hat das etwas mit Stil zu tun. Ein Cocktail ohne Trinkhalm geht für mich gar nicht.
Ich nutze jeden Strohhalm zu Hause ca. 10 bis 20 mal. Sie sind einfach mit einer schmalen Flaschenbürste zu reinigen. Warum verkauft man nicht einfach Strohhalme mit so einer kleinen Flaschenbürste?
Strohhalme aus anderen Materialien ergeben ein ganz anderes Mundgefühl. Es ist ja auch nicht egal aus welcher Tasse oder welchem Glas ich trinke. Wichtig ist einfach, dass Nachhaltigkeit schon früh gelernt wird und etwas in der Umwelt zu entsorgen zum No Go wird. Wer das nicht verinnerlicht hat, wird auch Glas- und Metallstrohhalme nicht mehrfach verwenden. Worin besteht da der Vorteil für die Umwelt?
Hallo @Krissy22,
das Pflegepersonal hat auch auf jeden Fall Zeit dafür, Trinkhalme nach eingaviertem Namen zu sortieren. Machen Sie doch mal ein Praktikum in einem Pflegeheim, dann wissen Sie wie das ist und können mitreden.
Und der Knick im Edelstahltrinkhalm ist schön, aber der Winkel ist fest und daher nicht für jeden geeignet. Gerade nicht für ältere Personen, die das Glas nicht schräg halten können, weil sie sonst den Inhalt verschütten.
Ich persönlich nutze privat auch Nudeln, also Makkaronis, als Trinkhalm.
Allerdings kann man diese nicht abwinkeln.
Das ist ein typischer Fall dafür, dass das exzessive Ausnutzen von Möglichkeiten letztendlich dazu führt, dass etwas verboten wird. Ich kann mich meinem Vorredner AldoRei nur anschließen, dass ein Trinkhalm üblicherweise unnötig ist. Wie der Kommentar von Oceanwaves zeigt, gibt es einzelne Fälle (z.B. Pflege), wo er sinnvoll wäre, und an diesen Stellen muss man nun mit Einschränkungen zurechtkommen, die unnötig wären, wenn jeder verantwortungsvoll handeln würde.
Wann lernen wir endlich, dass die beste Methode zur Verbesserung in vielen Fällen der Verzicht auf Ausschweifungen ist?
Ich denke Warentest sollte zunächst mal die Null-Variante testen. Also betrachte, wo wir überhaupt Trink-Halme brauchen. Die umweltfreundlichste Variante ist sicher die, die nicht erzeugt, benutzt, ggf. gereinigt und entsorgt wird. Ich schätze mal, dass in über 90 % er Fälle übethaupt keine benötigt werden.
Zusatzthema: Wie können Metal- oder Glas-Halma zuverlässig, hygienisch und umweltfreundlich gereiningt werden?