
„Ich fühlte mich schlecht betreut und beraten. Der hochpreisige Verkauf stand im Vordergrund.“ Umfrageteilnehmerin mit mittelgradiger Hörstörung, aber ohne Hörgerät. © Lisa Rock
Viele Träger von Hörgeräten sind unzufrieden, zeigt unsere Umfrage. Hörakustiker könnten gegensteuern – doch ihr Service enttäuscht oft. Fielmann hebt sich ab.
Wie die Gäste im Restaurant brüllen, ich kann dem Gespräch am Tisch partout nicht folgen – man möchte sie alle ohrfeigen. Dazu dieses unerträgliche Gläserklirren. Und im Büro hämmert der Kollege permanent auf seine Tastatur ein – der Grobmotoriker!
Wer ein schlecht eingestelltes Hörgerät besitzt, dürfte solche frustrierenden Situationen kennen – und ist damit nicht allein. In Deutschland sind etwa elf Millionen Menschen schwerhörig, vier Millionen haben Hörgeräte. Ein bedeutender Teil von ihnen ist unzufrieden mit dem Hören. Das offenbart unsere Onlineumfrage, die wir im Juli durchgeführt haben.
Wir wollten wissen, welche Erfahrungen die Teilnehmer mit Hörgeräten und den Leistungen des Hörakustikers gemacht haben. 1 753 Betroffene oder deren Angehörige beteiligten sich. Das enttäuschende Ergebnis: Knapp jeder Dritte ist unzufrieden mit dem Hören, 68 Prozent sind zufrieden. Von den Angehörigen zeigte sich nur gut die Hälfte zufrieden mit der akustischen Verständigung. Was läuft da schief?
Auf die Betreuung kommt es an
Ob man letztlich mit seiner Hörhilfe zufrieden ist oder sie in die Schublade packt, hängt nicht nur vom Gerät allein ab, sondern auch von einer guten Betreuung durch den Hörakustiker, der die Geräte anpasst. Doch im Service zeigen sich teils deutliche Unterschiede, wie die Berichte der Umfrageteilnehmer offenbaren. Das gilt ebenso für den Preis, den Nutzer aus eigener Tasche für ihre Hörhilfen bezahlten.

„Im Konzert sind die Violinen intensiver – es macht große Freude!“ Umfrageteilnehmerin mit mittelgradiger Hörstörung. Sie trägt seit 2019 Hörgeräte. © Lisa Rock
Viele bei Geers und Kind unzufrieden
Akustiker gibt es viele. Eine große Anzahl an Filialen in Deutschland haben Amplifon, Fielmann, Geers und Kind. Die Teilnehmer der Umfrage nannten sie am häufigsten. Ihre Erfahrungen fördern zutage: Fielmann war am günstigsten und kann zudem die meisten zufriedenen Kunden für sich verbuchen – fast drei Viertel. Bei den Akustikern Kind und Geers sind es nur 57 und 58 Prozent (Umfrageergebnisse).
Die Nutzer bezahlten laut unserer Umfrage im Mittel 850 Euro pro Gerät selbst. Nur knapp jeder Sechste bekam es gratis – obwohl die gesetzlichen Kassen Hörgeräte mit Festbeträgen bezuschussen und es etliche zuzahlungsfreie Geräte gibt.
Bei Fielmann im Mittel nur 10 Euro
Wie viel Kunden selbst zahlten, fällt je nach Akustiker sehr unterschiedlich aus: Bei Geers wurden im Mittel 1 000 Euro pro Gerät fällig, bei Amplifon 970 Euro, bei Kind 475 Euro, bei Fielmann nur 10 Euro.
Wir wollten wissen, wie es dazu kommt, und fragten nach: Fielmann teilte mit, dass mehr als 80 Prozent der Kunden ihre Hörhilfe zum Nulltarif erhalten. Bei Kind sind es laut Angaben des Anbieters deutlich über 70 Prozent. Amplifon und Geers nannten uns keine Zahlen.
Die Zuzahlungsspanne war laut Umfrage übrigens bei allen Anbietern groß, besonders bei Amplifon: zwischen 0 und 6 000 Euro. Bei Fielmann war sie mit 0 bis 2 200 Euro noch am geringsten. Die Preise differieren zum Beispiel abhängig davon, ob das Gerät sehr klein ist, über ein besonderes Design oder etwa Extras wie das automatische Erkennen der Geräuschsituation verfügt.
Klein, aber Hightech

„Ich verstehe Sprache viel besser, auch im Fernsehen oder in Videos.“ Umfrageteilnehmer mit mittelgradiger Hörstörung. Er trägt Hörgeräte seit 2012. © Lisa Rock
Mit den großen Klötzen hinterm Ohr, die einige mit dem Stichwort Hörgerät verbinden, haben Hörhilfen heutzutage nur noch wenig gemein. Moderne Systeme sind unauffällige Hightech-Maschinchen. Fast alle haben Programme für verschiedene Hörsituationen, viele lassen sich dank Funkzubehör wie Bluetooth mit anderen Geräten koppeln.
„Es gibt viele günstige oder zuzahlungsfreie Hörsysteme mit mittleren Technologiestufen, die gutes Hören und Verstehen ermöglichen“, sagt Norbert Böttges, Vizepräsident des Deutschen Schwerhörigenbunds (DSB), der bundesweit Menschen mit Hörbeeinträchtigungen vertritt. Ob eine teure Zusatzausstattung wirklich einen Vorteil bringt, sollte man testen. Und sich schon vorm Akustikerbesuch über Gerätearten und Funktionen informieren – etwa bei Vereinen wie dem DSB und auf den Websiten von Geräteherstellern und Akustikern.
Die teuerste und kleinste Hörhilfe muss nicht die beste Lösung sein. Lässt etwa die Feinmotorik des Trägers nach, sind kleine Geräte schwer zu handhaben. Akkugeräte ersparen zwar den Batteriewechsel, Akkus leeren sich aber schneller als Batterien.
Unbedingt mehrere Geräte testen
Nicht allen Akustikern ist es offenbar am wichtigsten, Kunden nach ihrem Gesundheitszustand zu befragen, mehrere Probegeräte anzubieten und sich für die Einstellung genug Zeit zu nehmen. „Grundsätzlich sind Hörakustiker hoch engagiert. Aber es gibt nicht wenige, die von Anfang an zu teuren Geräten raten“, sagt Norbert Böttges. Er empfiehlt, den Akustiker ohne viel Zögern zu wechseln, wenn man ein schlechtes Gefühl hat.
Auf dem Weg zur optimalen Hörhilfe sind Zeit und Geduld das A und O. Experten raten, möglichst drei Geräte nacheinander auszuprobieren. Doch unsere Befragung offenbart: 51 Prozent der Betroffenen konnten maximal zwei Geräte testen.
Auch in diesem Punkt steht Fielmann am besten da: Über die Hälfte der Befragten bekam drei Geräte oder mehr zur Probe. Grundsätzlich empfiehlt es sich, mit dem günstigsten Gerät zu starten. So lässt sich am besten feststellen, ob teurere Hörhilfen das Hören und das Sprachverständnis verbessern. Gesetzlich Versicherte haben sogar Anspruch darauf, mindestens ein Kassengerät zu testen. Das war aber nur bei 49 Prozent der Befragten der Fall.
Das Gehirn muss sich gewöhnen

„Alles wird lauter, auch die Nebengeräusche. Das ist auf Dauer nicht zu ertragen.“ Umfrageteilnehmerin, die seit mehr als 20 Jahren an mittelgradiger Hörstörung leidet. Sie trägt Hörgeräte seit 2014. © Lisa Rock
Ein weiteres Ärgernis zeigt sich bei der Anpassungsdauer. Bei den meisten Umfrageteilnehmern – 70 Prozent – dauerte sie höchstens drei Monate. Das ist oft zu kurz, um die Geräte in verschiedenen Alltagssituationen ausprobieren zu können. Dies ist aber wichtig, bevor sich Kunden festlegen. Zudem überfordert viele Betroffene die breite Geräuschkulisse, die sie dank Hörhilfe in den ersten Wochen erleben. Das Gehirn muss erst neu lernen, nebensächliche Geräusche herauszufiltern.
Fielmann nahm sich für die Einstellung im Schnitt die meiste Zeit – und fragte die Kunden am häufigsten nach ihrem Gesundheitsstatus. Nur 1 Prozent der von Fielmann angepassten Geräte landete in der Schublade, bei Geers war es jedes Zehnte.
Nachträglich neu justieren lassen
Was ist zu tun, wenn das Hören weiterhin enttäuscht? Wer Monate nach der Einstellung des Geräts noch mit Schwierigkeiten kämpft, sollte nicht aufgeben. Oft lohnt es sich, nachjustieren zu lassen. Hörleistung, Hörgeräteverstärkung und Sitz des Geräts sollten überprüft werden. Bei 83 Prozent der Befragten, die eine Nachanpassung vornahmen, verbesserte sich das Hören.
Auch ein Training kann sich lohnen, bei dem das Hören bestimmter Laute geübt wird. Also aufgehorcht: Für fast jedes Problem gibt es auch eine Lösung.
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Kommentar vom Autor gelöscht.
Ich habe angefangen (1 1/2 Wochen) re + li Hörgeräte auszuprobieren. Habe gleich beim ersten Versuch die kleinsten HdO-Geräte bekommen! ! Ich wurde nicht über verschiedene Möglichkeiten informiert. Fragen über Zuzahlungen wurden für mich undurchsichtig und widerwillig beantwortet. Kein schönes und auch kein Vertrauen erweckendes Erlebnis gleich zu Beginn.
Hinzu kommt, dass ich allein lebe und durch Coronaeinschränkungen mein Gehör überhaupt nicht hinreichend testen kann. Aus beiden Gründen suche ich mir einen anderen Akustiker, aber erst nachdem die Masken wieder abgenommen werden dürfen.
Was bedeutet Service beim Hörakustiker, leichte Fehler beheben, Reinigen,
Hörgerät beim Kauf einstellen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte
bei einem Preis von durchschnittlich € 2.000.- dauer ca. 1 Stunde, dies
könnte jeder Käufer extra bezahlen, wenn er dies nicht selber kann.
Sollte etwas größere Reparatur anfallen, sendet der Händler dies direkt
an den Hersteller, denn auch bei Hörgeräte hat man 2 Jahre Garantie.
In Holland sind die selben Hörgeräte ca. € 800 bis 1000.- billiger bei selbem Service. In Deutschland kann man solche Preise nur verlangen
weil die Geräte einfach den Wundernamen (Medizinische Geräte) erhalten
haben. Wie es früher bei den Brillen war.
Mangelnde Durchsichtigkeit
Ich trage seit etwa elf Jahren regelmäßig ein Hörgerät. Es ist technisch sehr gut und ich bin glücklich damit.
Was aber stört, ist das Verfahren: ich bezahle für zwei Geräte über 4000€ und da sind Servicekosten und Sachkosten nicht zu entschlüsseln. Ich denke, es wäre besser, wenn getrennt abgerechnet würde. Wirklich viel Service ist bei mir nur bei der Anpassung am Anfang nötig, es geht dabei aber auch um höchstens um eine Stunde. Dass die Geräte selber derart teuer sind, glaube ich nicht.
Auf diese Weise bezahle ich vermutlich den Service für viele andere Personen mit.
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