
Ein 85-Jähriger macht seine Pflegerin zur Alleinerbin. Er verspricht sich Sex mit ihr. Seine enterbten Kinder sehen in der Frau eine Erbschleicherin.
Demenzkranke sind leichte Opfer für Erbschleicher. Verwandte, die im Testament leer ausgehen, haben es später schwer, das Erbe zurückzuholen. Finanztest erklärt, welche Möglichkeiten sie haben, wann Testamente unwirksam sind – und was Angehörige tun können, damit Erbschleicher von vornherein keine Chance haben.
Kinder enterbt, Pflegerin zur Alleinerbein gemacht
Herbert Weber möchte noch etwas vom Leben haben. Nachdem seine Ehefrau gestorben ist, schaltet er mit 85 Jahren eine Annonce: „Suche abenteuerlustige Herzdame mit Humor und weiblicher Figur zum Verlieben.“ Die Frau soll ihn auch betreuen und pflegen. Die 40-jährige Sabine Winkler meldet sich. Sie zieht bei Herbert ein, erhält 1 200 Euro Monatslohn, freie Kost und Logis. Herbert Weber kann Sabines Hilfe gut gebrauchen. Die körperlichen Gebrechen werden mehr. Auch geistig geht es bergab. Weber ändert sein Testament und macht Sabine zur Alleinerbin. Tochter Nina Weber und ihre beiden Geschwister sind enterbt.
Geistige Schwäche ausgenutzt
Später heiraten der inzwischen 88-Jährige und die 45 Jahre jüngere Pflegerin. Herbert überschreibt ihr sein Hausgrundstück. Als Herbert Weber kurz darauf stirbt, erbt Sabine Winkler alles. Für Tochter Nina Weber ist der Fall klar. Sabine ist eine Erbschleicherin. Sie hat die geistige Schwäche ihres demenzkranken Vaters ausgenutzt, um an sein Vermögen zu kommen. Den Fall Weber hat es gegeben. Zum Schutz der Beteiligten haben wir die Namen verändert und die Umstände leicht verfremdet.
Ging es nur ums Geld?
Die Vermutung, dass Pfleger, Nachbarn oder Familienmitglieder den schlechten Gesundheitszustand einer Person ausnutzen, um ans Erbe zu kommen, ist öfter zu hören. Regelmäßig klagen benachteiligte Verwandte gegen mutmaßliche Erbschleicher. Ist die wegen ihrer Krankheit leicht beeinflussbare Person tot, geht es zur Sache. Professor Andreas Frieser, Fachanwalt für Erbrecht aus Bonn: „Die Kampfeslust ist in solchen Fällen auf beiden Seiten regelmäßig hoch.“
Das deutet auf Erbschleicher hin
Bestimmte Indizien sprechen dafür, dass Erbschleicher aktiv gewesen sind. Der Verfasser eines Testaments ist womöglich unzulässig beeinflusst worden, wenn
- jemand gegenüber dem Testamentsverfasser gezielte Falschinformationen streut („Die Kinder wollen Dich ins Heim abschieben.“),
- jemand mit Entzug von Liebe und Pflege droht, falls er im Testament nicht berücksichtigt wird,
- der Verfasser sein Testament in kurzen Zeiträumen mehrmals ändert, jeweils kurz nach den Besuchen der Begünstigten,
- der im Testament Bedachte den Kontakt zu anderen möglichen Erben unterbindet.
Auch im Fall Weber gibt es solche Anzeichen. Nachdem Sabine als Alleinerbin im Testament steht, verbietet sie Nina Weber, ihren Vater am Krankenbett zu besuchen.
Testierunfähigkeit wegen Krankheit?
Nina Weber findet sich nicht damit ab, dass Sabine Winkler alleine erbt. Als Sabine nach dem Tod von Herbert Weber beim Amtsgericht einen Erbschein beantragt, widerspricht Nina. Der Vater sei bei der Errichtung des Testaments dement und testierunfähig gewesen, so ihr Argument. Testierunfähig ist eine Person, wenn sie wegen einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung eines Testaments zu erkennen. Das Testament einer testierunfähigen Person ist unwirksam – selbst wenn es von einem Notar beurkundet ist.
Das Testament nachträglich angreifen
Ein Testament kann wegen Testierunfähigkeit des Verfassers nach dessen Tod für ungültig erklärt werden. Einfach ist das nicht. Meist liegt der Tag, an dem der letzte Wille aufgeschrieben wurde, lange zurück. „Grundsätzlich gilt jeder Mensch bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig“, sagt Anwalt Frieser. Wer sein Vermögen ungerecht oder aus Sicht anderer unklug verteilt, ist deshalb noch lange nicht testierunfähig. Die schlichte Behauptung „Mein Vater war damals nicht mehr klar im Kopf.“ reicht nicht aus, um ein Testament für unwirksam erklären zu lassen. Es braucht Beweise.
Nachweis Testierunfähigkeit gelingt
Nina Weber, die enterbte Tochter von Herbert, hat es geschafft, das Testament ihres Vaters anzugreifen. Anfang 2008 starb ihr Vater. Nach mehreren Jahren Rechtsstreit kommt das zuständige Landgericht 2015 auf Basis eines psychiatrischen Gutachtens zum Ergebnis: Herbert Weber muss testierunfähig gewesen sein, als er 2007 sein Testament schrieb. Das Testament zugunsten von Sabine Winkler ist nicht wirksam. Davon profitieren Nina Weber und ihre Geschwister. Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge. Und die sieht vor, dass die Weber-Kinder eine Hälfte erben. Die andere Hälfte geht an Sabine als Ehefrau. Bei der Heirat war Herbert Weber noch geschäftsfähig. Winkler steht ohne Testament daher der Ehegattenerbteil zu.
Krankenakten als Anhaltspunkt
Im Fall Weber gelingt der Nachweis der Testierunfähigkeit, weil der vom Gericht hinzugezogene medizinische Sachverständige sich durch alte Krankenakten und Aussagen von behandelnden Ärzten ein gutes Bild von Herbert Webers damaligem Gesundheitszustand machen kann. Als Weber sein Testament schrieb, war er demenzkrank: Sein Kurzzeitgedächtnis war gestört, er litt an Angstzuständen und Depressionen, war desorientiert, zeigte sich aggressiv gegenüber Pflegepersonal und bestritt energisch krank zu sein.
Oft fehlen Beweise
Bei Herbert Weber gab es genug Belege für eine Testierunfähigkeit. Das ist nicht immer so, berichtet der Berliner Chefarzt für Psychiatrie Tilman Wetterling von seiner Arbeit als Sachverständiger. Oft liegen keine aussagekräftigen Krankenakten vor. Und die Schilderungen von Zeugen sind zu oberflächlich („Ich hatte den Eindruck, dass Herr X dem Gespräch noch folgen konnte ...“). Auch mit den Auskünften von Notaren, die das Testament beurkundet haben, kann Wetterling oft wenig anfangen. Ein Satz wie „Er hat meine Frage, ob er wisse, wer ich bin, bejaht.“ bringt ihm kaum etwas.
Konnte der Betroffene seinen Alltag noch selbst regeln?
Nur detaillierte Schilderungen von Zeugen über die Denk- und Merkfähigkeit lassen Rückschlüsse zu, ob diese Person beim Abfassen des Testaments noch frei gedacht und selbstbestimmt entschieden hat. Konnte sich eine Person noch an Namen und Daten erinnern? Hat sie die Dinge des Alltags wie Bankgeschäfte noch selbst geregelt?
Demenz fällt nicht immer auf
Nachbarn und Pflegepersonal sind oft schlechte Zeugen, weil ihnen die geistige Schwäche des Betroffenen gar nicht auffällt. Demenzkranken gelingt es in Alltagssituationen teilweise noch, die Fassade einer gesunden Person aufrechtzuerhalten. Damit ihre Schwäche unentdeckt bleibt, antworten sie oft auf alles einfach mit Ja, ziehen sie sich mit Floskeln aus der Affäre und weichen aus, wenn es eng wird („Da fragen Sie am besten meine Tochter ...“).
Wann ist ein Dementer testierunfähig?
Sprechen genügend Belege für eine Testierunfähigkeit, bleibt immer noch die Frage: Ab wann war das Denken so stark beeinträchtigt, dass der Verfasser nicht mehr frei entscheiden konnte. Was ist „normale“ Vergesslichkeit, wann beginnt die Demenz? Allgemein neigen die Gerichte dazu, Personen mit Demenz im Anfangsstadium noch als testierfähig anzusehen. Erst wenn die Krankheit gravierender ist, gehen sie von Testierunfähigkeit aus.
Lichte Momente ausgeschlossen
Bei schwer demenzkranken Patienten, behaupten Erbschleicher gern, das Testament sei doch wirksam. Beim Abfassen des Testaments habe die Person einen „lichten Moment“ gehabt, sei kurzzeitig doch testierfähig gewesen. Medizinisch sind solche „lichten Momente“ fragwürdig. Bei Hirnkrankheiten wie Alzheimer oder Parkinson verschlechtert sich der Zustand der Betroffenen zunehmend. „Ist das Hirn wie bei Alzheimer erst einmal geschädigt, kann verloren gegangene geistige Leistung nicht wieder zurückgeholt werden“, sagt Professor Tilman Wetterling. „Wer einmal wegen einer schweren Demenzerkrankung testierunfähig geworden ist, wird nicht plötzlich für einen Tag testierfähig.“
Verschwundene Fähigkeiten kehren nicht wieder zurück
Zwar haben Demenzkranke auch fittere Phasen. Etwa weil sie ausgeschlafen sind, der Blutdruck gut ist und das Herz ordentlich arbeitet. Aber an den Hirnschäden und der verschwundenen Fähigkeit, frei zu entscheiden, ändert das nichts mehr (Oberlandesgericht München, Az. 31 Wx 266/12, „Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung“). Erbschleicher, die sich auf das Testament einer schwer demenzkranken Person berufen, haben also schlechte Karten.
Schutz vor Erbschleichern
Kinder können noch zu Lebzeiten ihrer Eltern dazu beitragen, diese vor Erbschleichern zu schützen. Beim Amtsgericht können sie eine Betreuung anregen, wenn die Eltern etwa wegen einer psychischen Krankheit Finanzangelegenheiten nicht mehr erledigen können. Stellt das Gericht den Eltern dann einen Betreuer zur Seite, können sie ihr Vermögen zu Lebzeiten nicht mehr so einfach verschenken. Erbrechtsexperte Andreas Frieser rät aber zur Vorsicht. Eltern, die sich noch geistig fit fühlen, sehen eine Betreuung oft als Angriff auf ihre Freiheit. Lehnt das Gericht die Betreuung ab, ist das Eltern-Kind-Verhältnis meist endgültig zerrüttet. Gekränkte Eltern enterben ihre Kinder erst recht. Oder sie fordern einst geschenkte Immobilien zurück.
So sorgen Eheleute selbst vor
Eltern können sich mit einem klugen Ehegattentestament schützen. Darin setzen sie sich gegenseitig zum Alleinerben ein. Für den Tod des länger lebenden Partners bestimmen sie „Schlusserben“, etwa die Kinder. Im Testament sollten diese Anordnungen als „wechselbezüglich“ bezeichnet sein. Dann sind sie bindend. „Ein solches Testament kann Erbschleicher abschrecken“, so Anwalt Frieser. Die Einsetzung der Schlusserben kann vom länger lebenden Partner nicht mehr geändert werden. Nichtverheiratete erreichen den Schutz durch einen Erbvertrag.
Beispiel: Frank und Jutta Müller machen ein Ehegattentestament. Als Frank stirbt, erbt Jutta. Sohn Stefan bekommt vorerst nichts. Der Vorstand der Kirchengemeinde kümmert sich rührend um die Witwe Jutta. Daher verfasst Jutta ein neues Testament, in dem die Gemeinde alles erbt. Doch das Testament ist ungültig, weil es den Willen des verbindlichen Ehegattentestaments verletzt. Als Jutta stirbt, erbt Stefan allein.
Ehegattentestament kann vor langwierigen Prozessen schützen
Auch bei Herbert Weber wäre ein Ehegattentestament mit seiner ersten Frau hilfreich gewesen. Zwar hätte es nicht verhindert, dass Herbert Vermögen an Sabine verschenkt. Unter Umständen hätten später die Kinder aber solche Schenkungen rückgängig machen können. Das Testament zugunsten von Sabine wäre jedenfalls unwirksam gewesen. Der lange Prozess wäre Nina Weber vielleicht erspart geblieben.
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