Viele Deutsche wollen mit ihrem Nachlass eine gute Sache unterstützen. Doch welche Organisationen bieten sich dafür an? Und welche juristischen Hürden gilt es zu überwinden? Was ist der Unterschied zwischen „Vererben“ und „Vermachen“? Die Rechts-Experten der Stiftung Warentest schildern Beispielfälle und erklären das komplizierte deutsche Erbrecht anhand seiner wichtigsten Begriffe.
Früh sensibilisiert
Renate Loehnert war noch ein kleines Mädchen, als sie mit ihren Eltern Kleidung in ein nahegelegenes SOS-Kinderdorf brachte. Die Hilfsorganisation bietet gefährdeten Heranwachsenden ein Zuhause. Sie werden mit allem versorgt, gehen zur Schule, können einen Beruf erlernen. Loehnert begriff schon damals: Nicht alle Menschen haben es so gut wie sie selbst, viele brauchen Hilfe. Auch von ihr.
Patenkind arbeitet inzwischen als Lehrer
Als Patin unterstützte sie einen kleinen Jungen, der inzwischen erwachsen ist und als Lehrer arbeitet. Doch sie wollte mehr. Mit 60 Jahren beschloss sie schließlich, die SOS-Kinderdörfer auch nach ihrem Tod zu bedenken. Mit diesem Wunsch ist sie nicht allein. Jeder zehnte Deutsche über 60 Jahre überlegt, mit seinem Erbe einen guten Zweck zu unterstützen, bei Kinderlosen sogar jeder dritte. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“. Hinter dem Projekt stehen 19 gemeinnützige Organisationen, die helfen wollen, Nachlässe sinnvoll einzusetzen. Ein nachvollziehbarer Ansatz. Denn nicht jeder vermeintliche Wohltäter arbeitet seriös, und auch das deutsche Erbrecht kann engagierten Spendern Probleme bereiten.
Angehörige einbeziehen
Renate Loehnert ist es wichtig, dass ihr Vermögen dort hingeht, wo es wirklich gebraucht wird. „Meine Angehörigen sind finanziell nicht auf mich angewiesen“, erklärt sie. Das macht es leichter, die Familie im Testament außen vor zu lassen. Um Streit über den Nachlass zu vermeiden, empfiehlt es sich, schon früh zu überlegen, wer nach dem eigenen Tod was und wie viel erhalten soll. Kommen neben der Familie gemeinnützige Organisationen oder Freunde oder Bekannte zum Zug, sind offene Gespräche wichtig, die Vorbehalte und Bedenken ausräumen. Zudem kann die Familie bei der Wahl der Organisation mitreden.
Die passende Organisation finden
Renate Loehnert fiel die Entscheidung leicht. Mehrfach hat sie Indien bereist. An der Region Ladakh im Norden hängt ihr Herz. Dort überzeugte sie sich von der Arbeit des Hilfswerks SOS-Kinderdörfer weltweit – und entschied schließlich, die Organisation zu ihrer Erbin zu machen. Nicht immer ist die Wahl so einfach. Möglichkeiten zu helfen gibt es viele. Kinderhilfswerke, Tier- und Umweltschutzorganisationen, Einrichtungen der Entwicklungshilfe und Denkmalpflege sind dankbar für Zuwendungen per Testament. Doch am Spendenmarkt tummeln sich reichlich schwarze Schafe. Um sicher zu sein, dass das Geld in die richtigen Hände gerät, sollte der Testierende sich sorgfältig informieren, etwa bei der Spenderberatung der Stiftung Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI). Sie prüft gemeinnützige Organisationen und Vereine auf Verwendung ihrer Spendengelder.
Auf Transparenz und Kosten achten
Interessierte können sich auch selbst über eine Organisation schlaumachen: Sie sollte als gemeinnützig anerkannt sein. Ein gutes Zeichen ist zudem eine Internetseite, die über Projekte, Vorstand und Kontrollorgane informiert sowie Einnahmen und Ausgaben genau aufschlüsselt. Auch sollte der Auftritt im Netz die Verwaltungs- und Werbekostenquote klar ausweisen: Je niedriger sie ausfällt, desto mehr Geld fließt in den eigentlichen Zweck. Mehr als 35 Prozent sollte die Quote nicht betragen.
Daran erkennen Sie eine seriöse Organisation
Für eine Organisation spricht es auch, wenn sie das DZI-Spenden-Siegel trägt oder sich den Kriterien der Initiative Transparente Zivilgesellschaft verpflichtet hat. Ebenfalls positiv: eine Mitgliedschaft im Deutschen Spendenrat oder dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro).
Wenn eine Organisation zur Alleinerbin wird
Auch Barbara Graf* hat sich gut überlegt, wer sie einmal beerben soll. Inzwischen ist die Entscheidung gefallen. Die 69-jährige Berlinerin nutzt das Hausnotrufsystem der Johanniter-Unfall-Hilfe. Der „Knopf für alle Fälle“ sorgt dafür, dass sich gerade ältere Menschen zuhause sicher fühlen. Barbara Graf schätzt die Mitarbeiter aber vor allem für ihre Warmherzigkeit. Und weil sie immer für sie da sind. Kinder hat die alte Dame nicht. Für sie war es deshalb nur konsequent, die Johanniter-Unfall-Hilfe per Testament zur Alleinerbin zu bestimmen. Die Entscheidung nimmt der Alleinstehenden zudem eine weitere Sorge ab: Auf Wunsch kümmern sich die Johanniter, wie viele gemeinnützige Organisationen, auch um die Abwicklung des Nachlasses, lösen die Wohnung ihrer verstorbenen Gönner auf, und organisieren Bestattung und Grabpflege.
Das Erbe aufteilen
Komplizierter sind Konstellationen, in denen sich die Organisation der Wahl den Nachlass mit den Angehörigen des Verstorbenen teilen muss, mit diesen also eine Erbengemeinschaft bildet. Hier empfiehlt es sich, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen, der das Erbe nach dem Willen des Verstorbenen verteilt. Soll die Organisation von vornherein nur einen Teil des Vermögens erhalten, ist ein sogenanntes Vermächtnis oft die bessere Wahl. Dabei fließt, ganz nach Wunsch des Testierenden, nur ein Geldbetrag, eine Immobilie oder ein bestimmter Gegenstand der guten Sache zu. Sonstige Pflichten, wie sie etwa einen Erben treffen, sind mit einem Vermächtnis hingegen nicht verbunden.
Zwischen Vererben und Vermachen unterscheiden
Wichtig ist, im Testament klar zwischen Vererben und Vermachen zu unterscheiden. Der Testierende kann zudem festlegen, dass sein Vermögen einem speziellen Projekt in seiner Wunschorganisation zugute kommen soll. Das plant auch Barbara Graf: „Mit meinem Nachlass unterstütze ich die Johanniter in der Pflege und Betreuung älterer Menschen in Berlin.“
Der Staat würdigt Engagement
Ist eine Organisation vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt, muss sie auf Erbschaften und Vermächtnisse keine Erbschaftsteuer bezahlen. Das Vermögen des Verstorbenen kommt dann in voller Höhe wohltätigen Zwecken zugute, unabhängig von der Höhe der Zuwendung.
* Name von der Redaktion geändert.