
Gang zum Notar. Kinder können mit dem Einverständnis ihrer Eltern auf ihren Teil des Nachlasses verzichten – der Vertragsabschluss sollte jedoch gut überlegt sein. © Getty Images / Oliver Rossi
Wer auf sein Erbe verzichten möchte, sollte sich über die Voraussetzungen und Folgen informieren – ein Verzichtsvertrag kann unvorhergesehene Konsequenzen haben.
Vater bringt Sohn um Erbe – Verzicht unwirksam
Den eigenen Sohn mit einem schnellen Auto zu einem Erbverzicht zu ködern, ist sittenwidrig. Einen groben Verstoß gegen das Anstandsgefühl warf das Oberlandesgericht Hamm einem geschiedenen Vater vor. Er habe die jugendliche Unerfahrenheit gezielt ausgenutzt. Sein Sohn war bei der Mutter aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren Schulprobleme hatte, lotste der Vater – Zahnarzt und Mitinhaber eines Dentallabors – ihn zu sich. Er sollte im Labor eine Ausbildung beginnen. Gleichzeitig kaufte er einen 320 km/h schnellen Sportwagen für 100 000 Euro und versprach ihn dem Sohn als Geschenk. Zwei Tage nach dem 18. Geburtstag brachte er ihn zum Notar, um dies offiziell zu machen.
Der Jugendliche unterschrieb, auf sein gesamtes Erbe zu verzichten, um den Wagen zu erhalten – das sollte aber erst sieben Jahre später der Fall sein und nur, wenn er die Meisterprüfung mit der Bestnote bestehen würde. Das hielt das Gericht für viel zu nachteilig. Einerseits sei der Wertverlust des Autos hoch. Andererseits müsse dem Sohn Spielraum bleiben, sich beruflich umzuorientieren. Der Vater habe nur an sich gedacht und die Autobegeisterung des jungen Mannes ausgenutzt. Der Erbverzicht war unwirksam.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 08.11.2016
Aktenzeichen: I-10 U 36/15
Vater verzichtet, auch Enkelin geht leer aus
Wer auf das Erbe der Eltern verzichtet, sollte die eigenen Kinder nicht vergessen: Wird im Verzichtsvertrag nichts anderes vereinbart, gilt ein Erbverzicht auch für die eigenen bereits existierenden und zukünftigen Nachkommen. In einem verzwickten Fall hatten sich zwei Ehepartner 1968 gegenseitig zu Alleinerben und ihren Sohn sowie ersatzweise dessen Kinder als Schlusserben eingesetzt. Nach dem Tod der Ehefrau schlossen Vater und Sohn 2019 einen Verzichtsvertrag, der den Sohn und dessen potenzielle Nachkommen vom Nachlass ausschloss. Der Sohn verstarb 2020, wenige Monate vor dem Vater. Als dessen Enkelin ihr Erbe antreten wollte, wurde klar: Ihr Vater hatte auch für die Enkel auf das Erbe verzichtet. Die Beschwerde der Enkelin, dass beide Großeltern sie zu Lebzeiten als Ersatzerbin eingesetzt hatten, blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 02.06.2021
Aktenzeichen: 2 Wx 145/21
Verzicht unter Umständen unumkehrbar
Dass ein Erbverzicht in einigen Fällen nicht mehr rückgängig zu machen ist, erfuhr ein vermeintlicher Erbe am Oberlandesgericht Hamm: Der Mann hatte 1996 auf sein Erbe verzichtet, 2009 jedoch mit seinem 86-jährigen Vater einen notariellen Aufhebungsvertrag geschlossen, um den Verzicht rückgängig zu machen. Nach dem Tod des Vaters klagte der Sohn seinen Pflichtteil ein, blieb jedoch vor Gericht erfolglos: Der Aufhebungsvertrag war ungültig. Laut einem Gutachter war der Vater 2009 bereits dement und somit nicht mehr geschäftsfähig. Da der Notar kein Mediziner sei, habe er den Gesundheitszustand des Mannes bei der Vertragsaufsetzung nicht korrekt einschätzen können.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.07.2021
Aktenzeichen: 10 U 5/20
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