Der lange Weg zum Ziel
Ein neues Medikament wird gesucht und gefunden
Suche nach der Krankheitsursache. Gene enthalten Baupläne für Eiweiße, die unsere Körperfunktionen steuern. Mitunter kommt es zu Fehlfunktionen. Sind die Mechanismen bekannt, ergeben sich Ziele für Medikamente.
Suche nach Zielen (Targets) für Medikamente Enzyme, Rezeptoren, Ionenkanäle, Viren, Bakterien, Pilze, Gene. Viele Körperfunktionen werden von Enzymen gesteuert, Eiweißen, die lebenswichtige Stoffe produzieren. Arbeiten Enzyme falsch, können Krankheiten entstehen. Enzyme sind daher oft Angriffsziel von Medikamenten. Auch Zell-Rezeptoren, die über Signalstoffe Reaktionen im Zellinneren auslösen, können es sein, ebenso Ionenkanäle zum Stoffaustausch der Zellen, Bakterien, Viren, Pilze oder fehlerhaft arbeitende Gene.
Die Suche nach dem Wirkprinzip Wo ist ein Ziel für ein Medikament? Die Suche nach dem Schlüssel (Wirkstoff) zum Schloss (Zielmolekül wie ein Enzym). Wirkstoffe blockieren Enzyme und Rezeptoren oder verstopfen die Ionenkanäle der Zellen. Andere attackieren den Stoffwechsel von Viren oder Bakterien. Auch eine Möglichkeit ist es, fehlende Enzyme gentechnisch als Medikament herzustellen, zu verabreichen, in den Körper einzuschleusen.
Suche nach dem potenziellen Wirkstoff in der Natur, im Chemielabor, am Computer, in der Substanzdatenbank. Die Suche nach einem Mittel beginnt entweder
- in der Natur: Pflanzen, Tiere und Bakterien produzieren zahlreiche Stoffe, um sich an Lebensbedingungen anzupassen. Forscher suchen im Urwald und in der Tiefsee nach neuen Organismen und isolieren daraus Wirkstoffe.
- im Labor: Einfache Moleküle werden per kombinatorischer Synthese hergestellt. Roboter setzen in wenigen Wochen Zehntausende einander ähnelnde Wirkstoffe zusammen.
- am Computer: Ist das Ziel bekannt, kann ein passendes Molekül am Computerbildschirm erstellt und im Labor synthetisiert werden.
- in Substanzdatenbanken: Millionen von Substanzen stehen in Stoffbibliotheken der Wissenschaft bereits zur Verfügung.
Ist ein Stoff wirksam? Screening: Herausfiltern eines Wirkstoffs. Geprüft wird, ob der Schlüssel ins Schloss passt und sich drehen lässt: Im Reagenzglas trifft der Stoff auf das Zielmolekül. Findet die gewünschte Reaktion statt, könnte ein neuer Wirkstoff gefunden sein. Das Verfahren wird Screening genannt. Roboter testen heute 200 000 Substanzen am Tag. Jeder hundertste Stoff bleibt im Sieb hängen. Die wirksamsten Kandidaten werden herausgefischt.
Wirkt ein Stoff auch an Zellen oder Organen? Zellversuche. In biologischen Tests werden die Wirkstoffe auf Giftigkeit, Nebenwirkungen, Verträglichkeit getestet und chemisch optimiert, auch per Moleküldesign am Computer. Weiteres Screening findet statt.
Wie wirkt der Stoff im lebenden Organismus? Vorklinische Studien, Tierversuche. Tierversuche. Computermodelle simulieren Körperfunktionen. Die Genomforschung ermöglicht es, Wirkstoffe herzustellen für Patienten mit bestimmten Genvarianten. Form (Pille, Infusion, Salbe) und Dosierung werden entwickelt. Vorlage der Ergebnisse bei Ethikkommission und Arzneibehörde: Zulassung von Versuchen am Menschen.
Ist der Stoff für Menschen verträglich? Klinische Studien Phase I. 60 bis 80 gesunde Freiwillige. Prüfung auf Verträglichkeit, Nebenwirkungen, Verteilung, Abbau im Körper.
Wirkt der Stoff gegen die Krankheit? Klinische Studien Phase II. 100 bis 500 kranke Freiwillige. Prüfung der Wirksamkeit, Neben- und Wechselwirkungen, Suche nach der richtigen Dosis.
Ist der Stoff besser als der bisherige? Klinische Studien Phase III. Tausende freiwilliger Patienten werden per Zufallsprinzip in zwei gleiche Gruppen geteilt. Eine erhält den Wirkstoff, die andere ein gleich aussehendes, wirkstofffreies Scheinpräparat und/oder das bisherige, für Arzt und Patient „doppelblind“. Bei Überlegenheit des Wirkstoffs wird die Zulassung beantragt. Die Behörde prüft. Abwägen von Nutzen und Risiko.
Zulassung am Markt. Europaweit: Europäische Arzneimittelagentur EMEA (European Agency for the Evaluation of Medical Products). In Deutschland: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder Paul-Ehrlich-Institut (Impfstoffe).
Markteinführung und Beobachtung Stufenplan bei Risiken. Ärzte melden unerwartete Neben-, Wechselwirkungen, Missbrauchsfälle. Hersteller muss Behörden berichten. Bei Risiken wird eingegriffen. Neue Studien können angeordnet, Einschränkungen erlassen, das Mittel kann verboten werden.