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Das Kind oder den Partner enterben – oft ist das der letzte Schritt nach einer langen Geschichte von Streit und Missverständnissen, Enttäuschung und Entfremdung. Doch jemanden tatsächlich leer ausgehen zu lassen, ist gar nicht so leicht: Nahen Angehörigen steht ein Mindestanteil am Nachlass zu, der so genannte Pflichtteil. Aber auch der lässt sich entziehen oder geschickt verkleinern. Finanztest erklärt, welche Regeln fürs Enterben gelten.
Wenn die Eltern versuchen, Schenkungen rückgängig zu machen
Der Satz klingt wie aus einem Film: „Du bist enterbt.“ Oft steht er am Ende einer langen Geschichte von Streit, Missverständnissen, Enttäuschung und Entfremdung. „Harte Worte“, findet Eckart Yersin, Rechtsanwalt in Berlin, der auch als Notar tätig war. Yersin hat häufig mit Menschen zu tun, die diesen Satz sagen. „Wenn Eltern mehrere Kinder haben, gibt es oft ein schwarzes Schaf: ein Kind, das mit den Eltern zerstritten ist oder sonst viel Ärger macht.“ Wie etwa der Sohn eines Paares, Mandanten von Yersin, der jahrelang im „Hotel Mama“ gelebt hat und seinen Eltern treu verbunden war. Plötzlich lernte er die Frau seines Lebens kennen, die – vermeintlich – gegen die Eltern stänkerte und den Sohn auf ihre Seite zog. Vater und Mutter versuchten, Schenkungen rückgängig zu machen. Der Sohn verklagte die Eltern. „Jetzt soll er nichts mehr vom zukünftigen Erbe bekommen“, erzählt Yersin.
Erbteil nein, Pflichtteil ja
Was viele nicht wissen: Jemanden zu enterben, bedeutet nicht, dass die Person völlig leer ausgeht. Da kann die Beziehung noch so zerrüttet sein: Schließt der Vererbende einen nahen Verwandten von der Erbfolge aus, kann dieser einen Mindestanteil am Nachlass einfordern, den Pflichtteil. Das ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Vielen ist diese Regelung ein Dorn im Auge. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2013 ist fast jeder dritte Deutsche dafür, den Pflichtteil abzuschaffen.
„Mein Sohn soll nichts erben“
Die Ansprüche eines Verwandten auf den Pflichtteil zu reduzieren, ist nicht schwer. „Entweder ordnet der Vererbende in seinem Testament an, dass derjenige nichts bekommen soll, oder er bedenkt ihn einfach nicht“, sagt Rechtsanwalt Yersin. Im Testament könnte die Formulierung so aussehen: „Mein Sohn Florian soll nichts erben.“ Der Sohn ist damit von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. An seine Stelle treten andere Erben. Gründe muss der Vater nicht angeben.
Pflichtteil lässt sich selten entziehen

Letzter Wille. Wer sein Kind enterben möchte, braucht ein Testament. © Stiftung Warentest
Nur unter engen Voraussetzungen können Vererbende den Pflichtteil entziehen. Zum Beispiel dann, wenn die Person dem Vererbenden nach dem Leben getrachtet oder sonst eine schwere Straftat begangen und dafür im Gefängnis gesessen hat. Rechtsanwalt Yersin weiß von einem Fall zu berichten: Die Enkelin pflegte den Großvater. Er traute ihr und gab ihr Kontovollmacht. Die drogenabhängige Frau, die wegen verschiedener Straftaten im Gefängnis gesessen hatte, räumte das Geld des Großvaters ab. Ein vorhandenes Grundstück sollte sie nicht auch noch bekommen. Yersin half bei der Pflichtteilsentziehung.
Grund für Entziehung konkret beschreiben
Dazu muss der Vererbende die Entziehung ausdrücklich im Testament oder Erbvertrag anordnen und den Grund konkret beschreiben. Er muss also zum Beispiel die Straftat und deren Umstände nennen sowie das verurteilende Gericht und das Aktenzeichen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Regelung unwirksam ist und der Pflichtteilsanspruch doch bestehen bleibt.
Gericht kann Erbunwürdigkeit feststellen
In seltenen Fällen müssen die Erben selbst dafür sorgen, dass ein Pflichtteilsberechtigter kein Geld bekommt – etwa, wenn dieser den Erblasser gezwungen hat, ein Testament aufzusetzen oder ihn im Extremfall getötet hat. Dazu müssen die Erben vor Gericht feststellen lassen, dass der Berechtigte „erbunwürdig“ ist.
Pflichtteil durch Schenken verringern

Vorsorgen. Der Pflichtteil lässt sich durch Schenkungen verkleinern. Wer Immobilien überträgt, muss zum Notar. © Fotolia / photographee.eu / Stiftung Warentest (M)
Konflikte und schwere Zerwürfnisse kommen häufiger vor als Gründe, die einen Pflichtteilentzug oder den Vorwurf der Erbunwürdigkeit rechtfertigen. Viele, die etwas zu vererben haben, suchen deshalb nach anderen Wegen, um ungeliebte Angehörige vom Vermögen auszuschließen. Ein geeignetes Vorgehen ist es, zu Lebzeiten sein Hab und Gut zu verschenken. So verkleinert sich der spätere Nachlass und damit der Pflichtteil. Der Schenkende muss früh genug damit anfangen und vereinbaren, dass die Schenkungen nicht auf den späteren Nachlass anzurechnen sind.
Pflichtteilergänzungsansprüche
Die Tücke steckt jedoch im Detail: Wer sein Vermögen verschenkt, kann den Anspruch auf einen Pflichtteil dadurch nicht beliebig aushöhlen. Angehörige sind durch „Pflichtteilergänzungsansprüche“ geschützt. Das heißt: Die meisten Schenkungen, die jemand in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod veranlasst hat, werden zum Nachlass gezählt und erhöhen so den Pflichtteilsanspruch. Davon ausgenommen sind lediglich kleinere Geschenke, zum Beispiel zur Hochzeit.
Nach zehn Jahren spielt die Schenkung keine Rolle mehr
Je länger eine Schenkung zurückliegt, desto geringer ist der Wert, der in die Berechnung des Pflichtteils einfließt. Wer also früh genug mit dem Schenken anfängt, kann den Pflichtteil verkleinern. Verstirbt der Schenker im ersten Jahr nach der Schenkung, richtet sich der Pflichtteil nach deren Gesamtwert. Stirbt er im zweiten Jahr, beträgt der Pflichtteil 90 Prozent des Wertes, im dritten Jahr 80 Prozent, bis die Schenkung nach zehn Jahren für den Pflichtteil keine Rolle mehr spielt.
Bei Nießbrauch läuft die Frist nicht
Anders kann es bei verschenkten Immobilien sein: Hat sich der ehemalige Eigentümer einen Nießbrauch, also ein Wohn- und Nutzungsrecht, vorbehalten, läuft die Frist nicht. Die Immobilie zählt bei der Berechnung des Pflichtteils mit. Die Frist läuft ebenso wenig, wenn sich Ehepartner Geschenke machen, etwa um den Pflichtteil außerehelicher Kinder zu verkleinern. Sie beginnt erst, wenn die Ehe aufgelöst ist oder der Beschenkte stirbt.
Anspruch verjährt nach drei Jahren
Die Pflichtteilsberechtigten müssen ihren Anspruch nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben geltend machen. Der Anspruch verjährt nach drei Jahren.
Mit Anwaltshilfe Vermögen retten
Rechtsanwälte kennen weitere Möglichkeiten, den Pflichtteil zu verringern oder auszuschließen. „Zum Beispiel durch einen Pflichtteilsverzicht“, sagt Yersin. Der ist aber nur möglich, wenn sich der Berechtigte darauf einlässt, etwa, weil er eine Abfindung erhält. Der Verzicht muss notariell beurkundet werden. Vererbende können den Pflichtteil natürlich verringern, indem sie ihr Vermögen verbrauchen. Dann bleibt aber auch für die anderen Verwandten weniger übrig.
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