
Drücker des Energieriesen Eon haben einem Flüchtling in der niedersächsischen Stadt Garbsen mit Falschbehauptungen Verträge aufgeschwatzt, die er nicht braucht. Die Wettbewerbszentrale und die zuständige Gemeinde halfen dem Iraker. Erst ein Gerichtsurteil bringt endgültig das Verbot für diese Form der Werbung. Klingeln Verkäufer an der Haustür, hat schon so mancher einen Vertrag unterschrieben, den er weder braucht noch will. test.de schildert den Fall und klärt auf.
Lügen für eine Unterschrift
14. September 2016. Vor der Wohnung des Irakers Hamid S.* und seiner Familie stehen zwei Männer. Einer spricht sogar Arabisch: Sie kämen im Auftrag des Sozialamtes. Geflüchtete müssten ab jetzt selbst für Strom und Gas zahlen und bei ihnen könne Hamid S. sofort Verträge abschließen. Dafür versprechen sie ihm eine einmalige Prämie von rund 30 Euro. Alles gelogen, doch das weiß Hamid S. nicht. Er glaubt ihnen und unterschreibt. Kurz darauf kommen dem Iraker Zweifel. Er wendet sich an seine Ansprechpartner im Garbsener Rathaus.
Unsinnige Verträge
Yesim Celik, Leiterin des Fachbereichs Soziale Dienste, und ihre Kollegen handeln sofort. Es stellt sich heraus, dass die Verkäufer vom Energieriesen Eon beauftragt sind. „Die unwahren Angaben schafften bei dem Geflüchteten ein falsches Vertrauen“, sagt Celik. Hamid S. braucht die Verträge gar nicht, die Energieversorgung von Flüchtlingswohnungen bezahlt die Kommune.
Wettbewerbszentrale bringt Fall vor Gericht
Celik meldet den Fall der Wettbewerbszentrale, die als unabhängige Institution fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen fördert. Diese fordert Eon als Auftraggeber auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Weil der Energieriese sich weigert, bringt die Wettbewerbszentrale den Fall vor Gericht. Ende Oktober wird Eon verboten, weiterhin so bei Geflüchteten zu werben (Landgericht München I, Az. I HKO 17790/16).
Verträge inzwischen storniert
Finanztest bat Eon um Stellungnahme: „ So etwas darf nicht passieren. Unsere Vertriebspartner werden professionell geschult und laufend geprüft“, so das Unternehmen. Man bedauere das Fehlverhalten des Vertriebspartners und habe die Zusammenarbeit beendet. Die strittigen Verträge wurden storniert.
„Nicht unter Druck setzen lassen“
Das Bürgerliche Gesetzbuch schützt Verbraucher vor Überrumpelung – ob im Direktvertrieb an der Haustür oder bei Vertragsangeboten am Telefon. Sie haben in diesen Fällen ein gesetzliches Widerrufsrecht, das mindestens 14 Tage gilt, manchmal sogar länger. Sie sollen so davor geschützt werden, Geschäfte abzuschließen, ohne genug darüber nachgedacht zu haben. Anke Kirchner von der Verbraucherzentrale Niedersachsen kennt das Problem: „Solche Verkäufer räumen Kunden vor Vertragsabschluss nicht genügend Bedenkzeit ein. Niemand sollte sich unter Druck setzen lassen, sondern Unterlagen in Ruhe prüfen und Preise vergleichen. Seriöse Anbieter kommen wieder.“
Geflüchtete häufiger betroffen
Dank der Hilfe von Yesim Celik und ihren Kollegen fand das Ärgernis für Hamid S. ein rasches Ende. Doch er ist nicht der einzige Betroffene. Von ähnlichen Fällen berichtet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Auftraggeber hier: die Energieversorger GGEW, Fuxx, lekker und Eon.
* Name von der Redaktion geändert.
Unser Rat
- Verträge ablehnen.
- Unterschreiben Sie keine Verträge sofort an der Haustür. Lassen Sie sich bei Interesse Unterlagen aushändigen und prüfen Sie diese in Ruhe.
- Notizen machen.
- Falls Sie sich beraten lassen, notieren Sie den Name des Verkäufers, Auftraggeber und Details zum Gesprächsverlauf. Unterschreiben Sie nur Dokumente, auf denen das richtige Datum steht.
- Recht nutzen.
- Türgeschäfte können Sie unbegründet schriftlich widerrufen: Dafür haben Sie 14 Tage Zeit. Die Frist beginnt, sobald Sie Vertrag und Widerrufsbelehrung erhalten haben.
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden
Mit den Newslettern der Stiftung Warentest haben Sie die neuesten Nachrichten für Verbraucher immer im Blick. Sie haben die Möglichkeit, Newsletter aus verschiedenen Themengebieten auszuwählen.
-
- Welche Hilfe ist aktuell gefragt und warum? test.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die humanitäre Hilfe im Ukraine-Krieg.
-
- Viele Haushalte ärgern sich über Preiserhöhungen, oder Lieferstopps, wie von Stromio, Gas.de oder Grünwelt. Wir sagen, was zu tun ist und wie man Schadenersatz fordert.
-
- Je nachdem, ob Sie im Laden oder online einkaufen, gelten unterschiedliche Regeln für Umtausch und Widerruf. Wir sagen, was zu beachten ist und wann es Geld zurück gibt.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.