
Wer mit seinem Auto elektrisch unterwegs ist, braucht öffentliche Ladestationen. Doch bei den Preisen von Strom für E-Autos herrscht Chaos, zeigt eine Recherche der Stiftung Warentest. Hier lesen Sie, worauf Sie sich als Fahrer eines Elektroautos aktuell einstellen müssen, wenn Sie die Stromversorgung nicht vollständig zu Hause sicherstellen können.
[Update 10.7.2020]: Kartellamt untersucht Lade-Infrastruktur
Sektoruntersuchung. Das Bundeskartellamt hat eine sogenannte Sektoruntersuchung zur Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge eingeleitet, wie das Amt am 9. Juli 2020 bekannt gab. Untersucht werden soll auch, wie unterschiedlich Städte und Kommunen geeignete Standorte bereitstellen und welche Rahmenbedingungen für Ladesäulen an Bundesautobahnen bestehen.
Wettbewerbsprobleme. Das Bundeskartellamt wolle Wettbewerbsprobleme früh identifizieren, so der Präsident der Behörde, Andreas Mundt. Schon jetzt gingen vermehrt Beschwerden über Preise und Konditionen an Ladesäulen ein.
Lade-Infrastruktur bis 2030. Nach den Plänen der Bundesregierung soll in Deutschland bis 2030 eine flächendeckende Lade-Infraktruktur für Elektrofahrzeuge entstehen, die insbesondere auch öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten einschließt.
Verwirrung an der Ladesäule
Stellen Sie sich vor, Sie fahren zur Tankstelle. An der Zapfsäule heißt es: „Für Sie gibt es hier keinen Sprit. Registrieren Sie sich erst mal.“ Oder ein Schild sagt: „Tanken 10 Euro pro Minute.“ Durch den Schlauch läuft nur die halbe Menge Sprit. „Weil nebenan noch ein zweites Auto getankt hat“, murmelt der Kassierer – und bucht gleich weitere 10 Euro ab – fürs Parken an der Tanksäule. Ein Irrsinn? Bei Elektroautos kommt das vor. Wer an eine öffentliche Ladesäule muss, erlebt mitunter Merkwürdiges. Beispiel: Jeder Tankvorgang kostet 6 Euro. Aber wie viel Strom fließt, ob der Akku nach drei Stunden halbvoll, viertelvoll oder voll ist, steht in den Sternen. Der Kunde weiß vorher nicht, wie viel ihn die Kilowattstunde (kWh) kostet.
Unser Rat für Elektroauto-Fahrer
Strom tanken. Sie interessieren sich für ein Elektroauto? Informieren Sie sich vor dem Kauf über Lademöglichkeiten. Können Sie beim Arbeitgeber laden? Gibt es Ladesäulen in Ihrer Nähe? Fragen Sie Ihren Vermieter oder die Eigentümerversammlung, ob Sie ein Ladegerät, eine Wallbox, einbauen können. So können Sie zu Hause laden.
Autostromtarif. Fragen Sie Ihren Stromanbieter, ob er einen Tarif für Elektroautos anbietet. Es kann sich lohnen, dafür einen anderen Anbieter zu wählen.
Laden unterwegs. Ihr Ladestromanbieter sollte Zugang zu vielen öffentlichen Ladesäulen bundesweit bieten, etwa in Kooperation mit anderen Anbietern und Stadtwerken. Melden Sie sich auch bei Netzwerken an, um bundesweit Ladesäulen nutzen zu können.
Tarife-Wirrwarr für E-Autos
Das Problem ist nicht die Technik. Der Stecker am Auto und die Ladesäulen sind meist kompatibel. Aber die Preisangaben sind alles andere als einheitlich. Zwar müssen die Säulen seit 1. April 2019 einen Preis pro kWh nennen. Doch das ist längst nicht überall umgesetzt. Gero Lücking, Geschäftsführung Energiewirtschaft beim Stromanbieter Lichtblick, nennt die vielen Tarife und Abrechnungsmodelle ein „babylonisches Wirrwarr“.
Die meisten E-Auto-Fahrer laden zu Hause oder beim Arbeitgeber. Meist haben sie in der Garage oder an der Hauswand eine Wallbox installiert (Wallboxen im Test). Das ist eine Ladestation, etwa so groß wie ein Handstaubsauger. Viele E-Autos können auch an herkömmliche Steckdosen. Aber dann kann es zehn Stunden und länger dauern, bis der Akku voll ist. Und nicht jeder Anschluss ist für diese Belastung ausgelegt.
Nicht jeder kann eine Wallbox installieren
Mit einer Wallbox geht es schneller. Sie kostet meist zwischen 500 und 2 500 Euro, je nach Leistung. Einige Energieversorger bieten einen speziellen Autostromtarif, einige sogar eine Flatrate, die zum Beispiel für 25 Euro monatlich beliebig viel Ladestrom liefert. Doch wer in einem Mehrfamilienhaus lebt, kann nicht einfach eine Wallbox montieren. Dafür ist die Zustimmung des Vermieters oder ein einstimmiger Beschluss der Eigentümergemeinschaft nötig. In der Praxis ist das eine hohe Hürde. Der Bund plant daher eine Änderung des Wohneigentumsgesetzes. Bisher ist noch unklar, wann sie kommt.
Öffentliche Ladesäulen sind nötig
Selbst wer eine Ladestation hat, braucht bei längeren Fahrten öffentliche Ladesäulen. Im Schnitt findet etwa jedes dritte Laden unterwegs statt. E-Auto-Experte Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Um öffentliche Säulen zu nutzen, reicht zunächst ein Vertrag mit einem lokalen Ladestromanbieter. Das kann auch der eigene Stromversorger sein“ (E-Auto-Experte im Interview). Der Zugang zur Säule läuft oft über eine Karte, ähnlich einer Bankkarte, einen Chip oder eine Handy-App. So kann die Säule den Kunden und seine Kontoverbindung identifizieren.
ADAC bietet Karte für übergreifende Säulennutzung an
Doch viele regionale Versorger betreiben nur in der Umgebung Ladesäulen. Bei längeren Fahrten muss das E-Auto an fremde Säulen. Kooperiert ihr Versorger mit anderen Anbietern, können Kunden auch deren Geräte ansteuern. Aber auch dann bleiben Ladesäulen, zu denen sie keinen Zugang haben. Der ADAC bietet in Kooperation mit dem Energieversorger EnBW eine Karte an, die das Laden im In- und Ausland ohne Grundgebühr zu einem einheitlichen, transparenten Preis ermöglicht: 29 Cent/kWh fürs Normalladen, 39 Cent fürs Schnellladen. Netzwerke wie New Motion, PlugSurfing und Ladenetz kooperieren mit Ladesäulenbetreibern. So ermöglichen sie das Laden deutschlandweit, teils auch im Ausland.
Am besten bei mehreren E-Auto-Netzwerken anmelden
Um ein möglichst dichtes Netz an Ladesäulen anzusteuern, ist es sinnvoll, sich bei mehreren Netzwerken zu registrieren. Manche E-Autofahrer gehen mit einem halben Dutzend Karten, Token, Chips und Apps auf die Reise. Das erhöht die Sicherheit, nicht an einer Säule abgelehnt zu werden. Außerdem hat man damit die Wahl: Mal ist an einer Säule der eine Stromanbieter günstiger, mal ein anderer. Aber selbst dann fährt das Risiko mit. Es kann passieren, dass eine Säule eine Ladekarte ablehnt, weil sie nicht registriert ist. Oder sie ist seit Tagen defekt. Oder das Einloggen klappt nicht. Oder beide Plätze an der Säule sind bereits besetzt. Zwar gibt es im Internet Seiten mit bundesweiten Ladesäulenkarten. Aber die Information, wer wo tanken darf, fehlt häufig. Sorgfältiges Planen ist Voraussetzung für jede längere Fahrt.
Kostentransparenz an vielen Ladesäulen Fehlanzeige
Während es mit anderen Pkw selbstverständlich ist, spontan zu einem weithin sichtbaren Preis zu tanken, ist das bei Elektroautos deutlich schwieriger. Viele Ladesäulen haben kein Display, das den Gesamtbetrag nennt. Den sieht der Kunde oft erst auf der Rechnung einmal im Monat. Statt einer Abrechnung nach Preis pro kWh sind andere Abrechnungsmodelle verbreitet. Beispiele:
- Einige Stadtwerke nehmen 7 Euro pro Ladevorgang.
- Ein ChargeNow-Tarif kostet 9,50 Euro Monatsgebühr plus tagsüber 4 Cent pro Minute fürs Normalladen (AC), nachts 2 Cent.
- Ein Innogy-Tarif kostet 4,95 Euro Grundgebühr pro Monat und 30 Cent pro kWh.
- Die Stadtwerke Düsseldorf bieten unbegrenztes Normalladen für 35 Euro monatlich.
- Die Stadtwerke Frankfurt/Oder nehmen 5 Euro Monatsgebühr plus 32 Cent pro kWh und zusätzlich 2 Cent pro Minute.
- Gratisladen kann man bei einigen Supermärkten wie Lidl, bei Baumärkten und Möbelhäusern. Auch einige Firmen bieten das für ihre Angestellten. In Osnabrück nehmen drei Parkhäuser fürs Laden pauschal 3 Euro pro Stunde, inklusive Parken.
E-Auto: Preis pro kWh ist ungewiss
Das Problem: Bei zeitbasierten Tarifen und Pauschalen weiß niemand vorher, wie viel Strom er fürs Geld bekommt. Kostet beispielsweise jeder Ladevorgang 7 Euro, zahlt ein Kunde voll, auch wenn er nur kurz während des Einkaufs für eine Stunde nachladen will. Hinzu kommt: Ob ein E-Auto in vier Stunden Ladezeit den Akku vollsaugt oder nur ein paar Kilowattstunden zieht, hängt auch von folgenden Faktoren ab, auf die der Fahrer keinen Einfluss hat:
- Der Akkustand des Autos beeinflusst das Ladetempo. Ein leerer Akku zieht schneller Strom als ein fast voller.
- Die eingebauten Bordlader haben unterschiedliche Leistungen. Um Kosten und Gewicht zu sparen, bauen viele Autohersteller nur Geräte für kleine Leistungen ein. Steht ein Kleinwagen an einer Säule, die pro Minute abrechnet, zieht er in derselben Zeit weniger Strom als ein großer Geländewagen.
- Ladesäulen liefern unterschiedliche Kapazitäten. Sie geben nicht überall die gleiche Leistung.
- Bei kaltem Wetter läuft der Ladevorgang langsamer als bei Normaltemperaturen.
Autostrom teurer als Haushaltsstrom
Wo nach Kilowattstunden abgerechnet wird, liegen die Preise meist bei 29 bis 39 Cent, teils auch deutlich höher. Der Stromanbieter Lichtblick fand 2018 in einer Marktübersicht in der Spitze 54,5 Cent pro kWh. Das Marktforschungsunternehmen EuPD Research untersuchte 123 Autostromtarife und stieß auf weit höhere Beträge als bei Haushaltsstrom, der im Schnitt rund 30 Cent/kWh kostet. Ein Grund für den Unterschied: Installation und Betrieb von Ladesäulen sind teuer.
Schnellladen ist besonders teuer
Besonders teuer ist Schnellladen. E-Autos können auf zweierlei Weise geladen werden: mit Wechselstrom (AC), wie auch bei Haushaltsgeräten üblich, oder mit Gleichstrom (DC). Die weitaus meisten der rund 17 500 Ladesäulen arbeiten mit Wechselstrom. Dort dauert das Aufladen oft mehrere Stunden. Schnellladen läuft über Gleichstrom. Solche Ladesäulen stehen häufig an Autobahnraststätten. Die Autohersteller VW, Daimler, BMW und Ford im Verbund Ionity wollen in den nächsten Jahren ein dichtes Netz von Ultra-Schnellladesäulen mit 350 kW aufbauen. Damit können Akkus in 15 bis 20 Minuten zu 80 Prozent laden. Bei 80 Prozent aufzuhören, ist beim Schnellladen sinnvoll. Jenseits dieser Marke fließt der Strom langsamer, um das Überladen zu vermeiden. Die niederländische Fastned will Ultra-Schnellladesäulen für Ökostrom aufstellen.
Tariftransparenz für das Laden von E-Autos – Besserung in Sicht
Ein Ausweg aus dem Tarifdschungel ist in Sicht – doch es dauert noch. Geeichte Zähler, die nach getankten kWh abrechnen, sind noch nicht für alle Ladesäulen verfügbar. Deshalb gelten vorerst Sonderregelungen. „Bis endlich alle Säulen geeichte Zähler haben, kann es durchaus noch ein Jahr dauern“, vermutet vzbv-Experte Gregor Kolbe. Immerhin: Besserung ist auch beim spontanen Tanken in Sicht. Die Ladesäulenverordnung verlangt, dass jeder E-Autofahrer Ladesäulen nutzen kann, ohne sich vorher zu registrieren. Allerdings gilt das nur für Geräte, die seit 14. Dezember 2017 in Betrieb sind. Wann E-Auto-Besitzer mit Girokarte, einer einzigen App oder einer Ladekarte alle Ladesäulen nutzen können, ist noch nicht klar. Fest steht nur: Mehrere Ladekarten brauchen sie dann nicht mehr dabeizuhaben.