
So sieht EMS aus: Viele Elektroden, elektrische Impulse, schwarze Funktionskleidung.
EMS ist das neue Modekürzel im Fitnessbereich. Es steht für Krafttraining, das über elektrische Muskelstimulation funktioniert – und kommt eigentlich aus der medizinischen Rehabilitation. Beliebt ist es, weil man in kurzer Zeit viel erreichen kann, wenn man es richtig macht. Doch es gibt auch einige Dinge zu beachten. Hier erklären wir, wie EMS funktioniert, welche Chancen und Risiken es birgt und welche Übungen typisch sind.
Was ist EMS?
Die elektrische Muskelstimulation (EMS) ist ein Ganzkörpertraining. Es eignet sich sowohl für Freizeit- als auch für Leistungssportler gut als Ergänzungstraining. „EMS fördert den Muskelaufbau und ist ein gelenkschonendes Training“, sagt Klaus Völker, Professor für Sportmedizin an der Universität Münster. Er hat für die Stiftung Warentest den Forschungsstand zu EMS gesichtet – anlässlich unseres Tests der größten EMS-Ketten in Deutschland.
Langzeitstudien fehlen noch
Die Kräftigung der Muskulatur ist bis in die tieferen Schichten möglich. Aktiviert werden große und kleine Muskelgruppen durch Stromspannung. Die dabei genutzten Frequenzen sind bei ordnungsgemäßer Anwendung ungefährlich. Die Zahl wissenschaftlicher Arbeiten zu dieser jungen Trainingsmethode ist noch begrenzt, Langzeitstudien fehlen naturgemäß. Professor Völker schließt aus dem vorhandenen Wissen, dass EMS für junge und alte Menschen, für Trainierte und Untrainierte effektiv sein kann – soweit sie keine gesundheitlichen Einschränkungen haben.
Wie funktioniert das EMS-Training?
Halten, halten, halten, halten – Pause. Für vier Sekunden spannt der Sportler bestimmte Muskeln an, die durch einen Stromimpuls von außen stimuliert werden. Für vier Sekunden lässt er sie dann wieder locker. So ist das bei jeder Übung, 20 Minuten lang. So funktioniert Krafttraining mit EMS. Dabei tragen Trainierende eng anliegende Funktionswäsche und darüber eine angefeuchtete Weste, an der Elektroden angebracht sind. An Armen, Beinen und Po werden ihnen Manschetten mit weiteren Elektroden angelegt. Im Studio nehmen sie Positionen ein oder führen Bewegungen durch, bei denen sie die Muskeln anspannen. Währenddessen geben die Elektroden in der Regel vier Sekunden lang Impulsströme mit Frequenzen von 50 bis 150 Hertz ab und über die Haut an die Muskulatur weiter. Dieser elektrische Reiz löst eine Muskelkontraktion aus. Dann folgt eine Pause von vier Sekunden – bis der nächste Impuls kommt.
Wie reagiert der Körper?
Trainierende nehmen den Reiz als Kribbeln wahr. Die Höhe der Frequenz bestimmt, ob ein Muskel nur kurz zuckt oder länger Spannung anhält. Diese Stimulation wird auf den Muskel übertragen, löst dort eine Kalziumausschüttung aus, was eine Kontraktion nach sich zieht. So wird aus Strom Chemie – und aus Chemie wieder Strom.
Die Chancen und Risiken von EMS
EMS ersetzt weder Ausdauersport noch Beweglichkeitstraining. Viele Menschen wollen mit EMS Muskeln aufbauen oder Rückenschmerzen lindern. Für sie lohnt sich EMS. Doch die elektrische Muskelstimulation hat ihre Grenzen: Sie unterstützt zwar den Fettabbau, die anregende Wirkung auf den Stoffwechsel ist aber, anders als manche Werbeversprechen glauben machen, kaum der Rede wert. Oft wird EMS überschätzt: Die Trainingsmethode kann zwar die allgemeine Fitness und auch die Körperhaltung verbessern, eignet sich aber weder als allein selig machende Lösung gegen Orangenhaut noch zur Gewichtsabnahme – oder gar als Schnellstraße auf dem Weg zur Topfigur.
Welche Chancen bietet EMS?
Beim konventionellen Krafttraining können Sportler zwei bis drei Muskelgruppen gleichzeitig trainieren – beim EMS sind es noch mehr. Die Kräftigung gelingt bis in tiefere Muskelschichten. Für den Rücken wirkt EMS überdurchschnittlich, kann verspannungsbedingten Schmerzen sowohl vorbeugen als sie auch nachweisbar lindern. Im Vergleich mit anderen Varianten des Krafttrainings kann EMS in kürzerer Zeit mehr bewirken. Es gilt: Je weniger trainiert ein Körper ist, desto schneller zeigen sich deutlichere Effekte.
Wer bietet EMS-Training an?
Nach Angaben der Branche ließen sich im Jahr 2018 rund 200 000 Menschen in Deutschland für das Ganzkörpertraining unter Strom setzen. Etwa 1 700 Fitnessstätten nutzen die Methode, rund 1 000 davon sind spezielle EMS-Studios. Die Stiftung Warentest hat das Trainingsangebot der sechs größten EMS-Ketten in Deutschland getestet. Fazit: Kein Anbieter ist in Topform (EMS-Studios im Test).
Welche Risiken birgt EMS?
Egal, wie groß die Ziele sind – das Training ist monoton, die Übungen variieren wenig. Das verleitet dazu, das Training zu unterschätzen. „Aber eine unsachgemäße Ganzkörper-EMS kann erheblichen gesundheitlichen Schaden anrichten“, warnt Völker. Zu intensives, zu langes und zu häufiges EMS-Training kann Muskulatur zerstören – im ungünstigsten Fall gleich in mehreren Muskelgruppen. Dies gilt allerdings für jedes herkömmliche Krafttraining auch. Durch übertriebenes Training können muskuläre Enzyme freigesetzt werden, die im Extremfall die Nierenfunktion beeinträchtigen. Die Risiken sind jedoch kalkulierbar – solange der Trainer sein Handwerk beherrscht, die Stromspannung angemessen zu justieren und die individuelle Belastbarkeit der Sportler zu berücksichtigen. Auch wichtig: Trainierende dürfen ihre Schmerzen nicht ignorieren, sondern sollten sie sofort dem Trainer mitteilen.
Für wen eignet sich EMS?
Wer ohnehin körperlich aktiv ist, kann mit dem kraftorientierten EMS-Training seinen Hobby- oder Leistungssport ergänzen und Muskeln aufbauen. Geeignet ist EMS auch für jene, die wenig Zeit haben. Wolfgang Kemmler, Sportökonom und Professor für Trainingswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg, wundert sich, dass die EMS-Studios nicht ausdrücklich um ältere Kunden werben: „Viele Senioren machen zwar Ausdauersport wie Nordic Walking, Schwimmen oder Radfahren, vernachlässigen aber das Krafttraining. Dabei ist gerade im Alter Kraft und Funktionalität nötig, denn das hält selbstständig und bringt körperliche Sicherheit.“
Für wen eignet sich EMS nicht?
Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern hat Wolfgang Kemmler Branchenrichtlinien für EMS-Studios entwickelt. Sie schließen EMS beispielsweise aus für Schwangere und Menschen mit hochgradigem Diabetes, unbehandeltem Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Arteriosklerose, Krebs oder Herzschrittmachern. Auch Menschen mit Ödemen oder offenen Verletzungen sollten auf das EMS-Training besser verzichten.
Ist Muskelkater ein gutes Zeichen?
Da EMS viele auch tief liegende Muskelgruppen erreicht, bekommen Trainierende oft Muskelkater an Stellen, von denen sie gar nicht wussten, dass da ein Muskel sitzt. Muskelkater aber ist nichts Positives, sondern immer auch ein Hinweis auf eine Störung des Systems. Ein gutes Training kommt ohne Muskelschmerzen aus. Daher ist es wichtig, seine eigenen Grenzen zu kennen.
Fünf typische EMS-Übungen
Noch effektiver kann das EMS-Training sein, wenn die Sportler Übungen mit bestimmten Bewegungen ausführen und die Muskeln dabei gezielt anspannen. So lassen sich bestimmte Trainingsziele noch besser erreichen – etwa eine Stärkung der Rückenmuskulatur. Grundsätzlich gilt aber: Die Übungsauswahl sollte über mehrere Trainingseinheiten gleichbleiben und nicht ständig variieren. Nur so können sich der Trainierende und die Muskulatur optimal auf die elektrische Stimulation einstellen. Nach einigen Wochen kann dann mit neuen Übungen ein neuer Trainingsreiz für die Muskeln geschaffen werden.

Hier zeigen wir fünf typische EMS-Übungen. Zum Starten der Bildergalerie klicken Sie rechts unten auf das Fenster-Symbol im Bild.

Außenrotation: Die Ellenbogen bleiben am Oberkörper, die Handflächen zeigen nach oben, die Arme rotieren nach außen. Diese Übung trainiert den oberen Rücken und unterstützt die aufrechte Körperhaltung.

Armbeuger: Die Unterarme werden mit den Fäusten nah am Kopf zu den Schultern gebracht und die Ellenbogen gebeugt. Diese Übung trainiert den Bizeps.

Ausfallschritt: Der Körperschwerpunkt wird nach unten abgesenkt und wieder angehoben. Diese Übung trainiert die Beinmuskulatur.

Diagonale Rumpfbeugung: Im einbeinigen Stand zieht der Ellenbogen seitlich am angehobenen Knie vorbei, das Kinn bleibt am Brustbein. Mit dieser Übung wird die Bauchmuskulatur trainiert.

Beinbeugung: Auf einem Bein stehend, wird das Kniegelenk gebeugt und der Oberschenkel nach hinten gezogen. Diese Übung baut Muskeln im Gesäß und an der Rückseite des Oberschenkels auf.
Diese Körperzonen sind am gefragtesten: Bauch, Rücken, Arme, Beine und Po. Doch Vorsicht: Ohne einen umfassend ausgebildeten Trainer geht es nicht. Denn mit ihm steht und fällt der Erfolg des EMS-Trainings. Er muss jede Übung sorgfältig anleiten. Der Trainer entscheidet außerdem über das Wichtigste: die richtige Intensität, angepasst an die Belastungsgrenze jedes Trainierenden. Er agiert an den Reglern und steuert, wie stark und zu welchen Muskelgruppen das EMS-Gerät die Stromimpulse sendet. Nur in dieser professionellen Kombination ist EMS am Ende auch effektiv.
Tipp: Fragen Sie nach der Ausbildung – der Trainer sollte eine Grundqualifikation im Sportbereich sowie eine Zusatzqualifikation als EMS-Trainer haben.
Was ist beim EMS-Training zu beachten?
Vor dem Training
Wichtig ist die eigene körperliche Verfassung:
- Verzichten Sie auf das Training, wenn Sie unter unmittelbarem Stress stehen, krank sind, Fieber haben, Alkohol getrunken oder Stimulanzien eingenommen haben.
- Essen Sie, wenn möglich, zwei Stunden vor dem Training. Empfehlenswert ist kohlenhydratreiche Nahrung, notfalls geht auch ein Snack mit etwa 250 Kalorien.
- Trinken Sie etwa einen halben Liter.
- Die Elektrodenweste soll gut am Körper sitzen.
Während des Trainings
Wichtig ist, niemals allein zu trainieren, sondern nur unter Aufsicht eines Trainers.
- Stoppen Sie das Training, falls der Trainer nicht auf Sie achtet oder sich außer Reichweite des EMS-Geräts bewegt.
- Sagen Sie dem Trainer, wenn Sie seine Anweisungen nicht klar verstanden haben. Fragen Sie nach, wenn Sie unsicher sind.
- Achten Sie darauf, dass während des Trainings die Bedienelemente des Geräts in Reichweite sind, die maximale Entfernung beträgt zwei Armlängen.
- Trainieren Sie nicht weiter, wenn Sie völlig erschöpft sind oder starke Schmerzen verspüren.
- Trainieren Sie nicht länger als 20 Minuten.
Nach dem Training
Wichtig ist jetzt wieder die körperliche Verfassung. Horchen Sie in sich hinein.
- Achten Sie auf mögliche gesundheitliche Beschwerden: Was macht der Kreislauf? Haben Sie Kopfschmerzen, Hautausschlag oder andere Reizerscheinungen?
- Duschen Sie.
- Trinken Sie etwa einen halben Liter.
- Achten Sie auf die nötige Regenerationszeit Ihres Körpers, wenn Sie Termine vereinbaren: Trainieren Sie in den ersten zehn Wochen nur alle sieben Tage und danach nicht häufiger als alle fünf Tage.
EMS-Studio und Fitnessstudio im Vergleich
Mit Termin und Trainer oder selbstständig nach eigenem Trainingsplan: Wer etwas für seinen Körper tun will, kann das in einem EMS-Studio und einem klassischen Fitnessstudio tun. Wer gar nicht aus dem Haus will oder darf, kann es mit einem Online-Fitnessstudio probieren. Doch Achtung: Angebot und Trainingsablauf unterscheiden sich jeweils.
EMS-Studio | Fitness-Studio |
EMS-Studio | Fitness-Studio |
Angebot und Ausstattung | |
Krafttraining über elektrische Muskelstimulation. Eine Terminvergabe ist notwendig. Oft mit Duschmöglichkeiten. | Fitnesssport inklusive Kraft- und Ausdauertraining. Terminvereinbarungen sind nicht erforderlich. Meist Duschen, oft auch Saunen. |
Preise | |
20 Minuten ab etwa 20 Euro, meist Verträge mit mehrmonatiger Laufzeit. Einmalige Startgebühr. Dazu Leih- oder Kaufkosten für Funktionskleidung. | Je nach Studio Mitgliedschaft ab etwa 20 Euro im Monat, häufig Jahresverträge. Dazu kommt in der Regel eine Aufnahmegebühr bei Vertragsschluss. |
Training | |
Krafttraining an einem EMS-Gerät, das ein Trainer steuert. Er sollte maximal zwei Personen gleichzeitig betreuen. Training anfangs maximal einmal pro Woche, ab Woche elf alle fünf Tage möglich. | Selbstständiges Training an Fitnessgeräten und Gruppentraining in Kursen. Umfang der Betreuung durch Trainer hängt vom Studio ab. Sportler können ihren Trainingsplan selbst regulieren und so oft trainieren, wie sie möchten. |
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