
Heute, genau ein Jahr nach Start von lebensmittelklarheit.de, kennt bereits jeder dritte Deutsche das Verbraucherportal. Hier kann jeder Lebensmittel melden, von denen er sich durch Aufmachung oder Kennzeichnung getäuscht fühlt. Manchmal sind Beschwerden erfolgreich: 65 Produkte haben betreffende Unternehmen geändert.
Mehr als 200 Produkte online
Seit dem Start des Internetportals lebensmittelklarheit.de im Juli 2011 haben Verbraucher dort etwa 5 600 Produkte gemeldet, weil sie sich vom Etikett oder der Aufmachung getäuscht fühlten. Jeden Monat erreichen das vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Verbraucherzentrale Hessen betriebene Portal rund 200 neue Produktbeschwerden. Eine Redaktion prüft sie und veröffentlicht die Produkte gegebenenfalls. Bislang sind 230 Lebensmittel online. Rund 60 Prozent davon stehen in der Kategorie „Getäuscht“ – hier ist der Täuschungsvorwurf aus Sicht der Verbraucherschützer nachvollziehbar. Die meisten Produkte sind zwar rechtlich nicht zu beanstanden, die Hersteller könnten sie aber klarer kennzeichnen, um falsche Erwartungen bei Verbrauchern zu vermeiden. So sollte etwa bei Surimi schon auf der Vorderseite der Verpackung stehen, dass es sich um ein aus Fischmuskeleiweiß geformtes Garnelen-Imitat handelt, und nicht nur auf der Rückseite. Sonst könnten Verbraucher auf den ersten Blick echte Garnelen erwarten, wenn sie die Definition von Surimi nicht kennen.
Was die Beschwerden bewirken können


Einige Unternehmen kündigen aufgrund der Beschwerden an, ihre Produkte zu ändern. Passiert ist das bisher bei 65 Lebensmitteln – etwa den folgenden:
- Lorenz Naturals Chips: Verbraucher fühlten sich von dem Verpackungsaufdruck „ohne den Zusatzstoff Geschmacksverstärker“ getäuscht: Die Chips enthalten zwar nicht den Zusatzstoff Glutamat, aber Hefeextrakt – eine Zutat mit ähnlicher, geschmacksverstärkender Wirkung. Nach der Beschwerde entfernte Lorenz den Hinweis „ohne den Zusatzstoff Geschmacksverstärker“ bei allen Naturals-Chips.
- Alnatura Beeren Multi Saft: Auch hier ist die Kennzeichnung mittlerweile geändert: Bei dem Mehrfruchtsaft, der zu 75 Prozent Apfelsaft enthält, war auf der Vorderseite der Verpackung nicht erkennbar, aus welchen Fruchtarten er besteht. Jetzt erfährt der Verbraucher dort durch den Aufdruck „mit 75 % Apfelsaft“, dass der Beerenanteil nur ein Viertel des Saftes ausmacht. Die Fruchtabbildung vermittelt allerdings nach wie vor den Eindruck, die Beeren würden den Hauptanteil des Saftes stellen.
13 Abmahnungen für Produkte mit täuschender Aufmachung


In bisher 13 Fällen beurteilten die Rechtsexperten der Verbraucherzentralen die aus Verbrauchersicht täuschenden Produktaufmachungen als so gravierend, dass sie die Anbieter abgemahnt haben. Neun der abgemahnten Anbieter zeigten sich daraufhin einsichtig: Sie unterschrieben eine Unterlassungserklärung und nahmen die Produkte entweder vom Markt oder änderten die Kennzeichnung. In anderen Fällen haben die Verbraucherschützer Klage erhoben. Bisher haben sie ein Verfahren gewonnen: Beim Frühstücksdrink Schwartau Fruit2day Original Kirsche/Rote Traube geben die vorn abgebildeten und genannten Früchte nicht die Zusammensetzung des Inhalts wider. Andere Früchte stellen einen größeren Teil der Fruchtmenge. Laut Urteil des Landgerichts Lübeck vom 17.01.2012 müssen die Schwartauer Werke die Verpackung ändern. Noch ist das Urteil nichts rechtskräftig. Das bedeutet: Die Schwartauer Werke können noch in Berufung gehen. Drei weitere Verfahren sind noch nicht beendet.
Projektlaufzeit bis Ende 2012
Viele Menschen informieren sich auf der Webseite auch über die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Sie verzeichnet rund 300 000 Besuche im Monat. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Verbraucherschutz – insgesamt mit rund einer Million Euro. Die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner bewertet das Portal als Erfolgsprojekt, das für mehr Transparenz für die Verbraucher sorgt. Ob es Ende 2012 verlängert wird, ist aber noch unklar.
Auch die Stiftung Warentest deckt Etikettenschwindel auf
Auch die Stiftung Warentest entlarvt in ihren Lebensmitteltests immer wieder Produkte, die unzureichend gekennzeichnet sind und den Verbraucher sogar täuschen:
- 18 von 22 Multivitaminsäften schnitten im Prüfpunkt Deklaration mangelhaft oder ausreichend ab, weil etwa die Empfehlungen zur Vitaminzufuhr veraltet waren oder Fantasienamen wie „Roter Multi“ davon ablenken, dass die Produkte kein Fruchtsaft sind, sondern vor allem Fruchtsaftkonzentrate enthalten.
- Bei Natürlichen Mineralwässern kritisierten die Tester, dass zum Beispiel die deklarierten Mineralstoffe zu stark von der tatsächlichen Zusammensetzung abwichen.
- Bei Tiefkühl-Nudelgerichten vergab die Stiftung Warentest ein mangelhaftes Urteil für die Deklaration, wenn das auf der Verpackung abgebildete Produkt stark vom zubereiteten Inhalt abwich. Auch ein Tortellinigericht war mangelhaft deklariert: Manche Tortellini waren mit Fleisch gefüllt, obwohl „mit Gemüsefüllung“ auf der Packung stand und Fleisch in der Zutatenliste nicht auftauchte.
Einen Überblick über Kennzeichnungsverstöße aus den Tests der Jahre 2008 bis 2010 verschafft der Artikel Etikettenschwindel.
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