Der AWD verspricht bei der Vermittlung von Immobilien als Kapitalanlage eine Rundumbetreuung. Doch viele Käufer sind frustriert. Ihre Objekte rechnen sich nicht oder weisen Mängel auf. Jetzt verspricht der Finanzdienstleister Abhilfe.
"Wir werden jeden Tag kämpfen. Wir werden jede Minute nutzen!" So feuerte Carsten Maschmeyer, Chef des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD) in Hannover, seine Mitarbeiter vor dem bevorstehenden Börsengang an. Nur wenn alle AWD-Büros weitere Umsatzsteigerungen erreichten, könne die AWD-Aktie zur "Kursrakete" werden.
Um "Europas größtes unabhängiges Finanzdienstleistungsunternehmen" hoffähig zu machen, lässt Maschmeyer nichts unversucht. Kritik an der schlechten Ausbildung seiner Vertriebsleute, die Kunden an der Haustür Versicherungen und Geldanlagen verkaufen, versuchte Maschmeyer seit 1995 mit einer "Qualifizierungsoffensive" zu begegnen. Seit April dieses Jahres hat der AWD sogar damit begonnen, sich von seinen über 1.300 nebenberuflichen Mitarbeitern zu trennen. Maschmeyer will endlich den Verdacht loswerden, mangelhaft ausgebildete Berater auf Kunden loszulassen.
Doch der Versuch, das Image des AWD aufzupolieren, ist mühsam. So liegt offenbar bei der Vermittlung von Immobilien als Kapitalanlage an AWD-Kunden vieles im Argen. Da gibt es viel Ärger, obwohl der AWD seinen "Mandanten" verspricht, nur sorgfältig geprüfte Immobilienobjekte in den Vertrieb zu geben.
Viele Problemfälle
Wie viele Beschwerden es gibt, darauf deutet eine Finanztest vorliegende "Mandantenliste" aus dem Jahr 1999 hin. Die "Liste aller Reklamationen" enthält rund 1.300 problematische Immobilienobjekte, die AWD-Kunden als lukrative Anlage verkauft wurden.
Götz Wenker, AWD-Geschäftsführer, ist verantwortlich für die unter dem Dach der AWD-Holding arbeitende Allgemeine Immobilien Makler & Service GmbH (AIMS). Er beaufsichtigt unter anderem AIMS-Geschäftsführer Hermann-Josef Winkler. Winkler und Wenker wollen von der Existenz einer Reklamations- oder Mängelliste nichts wissen. "Es gibt keine Mängelliste mit 1.300 Objekten im Haus AIMS oder AWD", erklärt Wenker. Dem AWD sei zwar bekannt, dass eine "höchst missverständliche Liste" im Umlauf sei. Diese enthalte jedoch die Angaben von Immobilienprojekten mehrerer Finanzdienstleister und werde fälschlicherweise als AIMS- oder AWD-Liste bezeichnet.
Frühere Vermittler der AIMS und des AWD sind da jedoch anderer Meinung. Sie behaupten, die Liste sei von verärgerten Mitarbeitern in der AIMS-Zentrale in Hannover erstellt worden.Vieles spricht dafür, dass die Liste direkt aus dem Hause AWD stammt. Denn hinter den aufgeführten Immobilien stehen die Namen der Vermittler aus dem AIMS-Bereich. Und schließlich war eine Reihe von Objekten, die Finanztest zufällig aus der Liste ausgewählt hat, allesamt dem AWD zuzuordnen. Neuere Problemfälle fehlen freilich auf der Liste.
Ärger in Leipzig
Viel Ärger mit ihren vom AWD vermittelten Eigentumswohnungen haben Käufer zum Beispiel in Leipzig. Sie kauften eine Wohnung als Kapitalanlage und vertrauten dabei auf die Versprechen des AWD. Schließlich verspricht die AIMS in ihrer Imagebroschüre einen "ganzheitlichen Service", bei dem der Kapitalanleger über die Entwicklung seiner Anlage informiert werde und bei Störungen einen Spezialisten an seiner Seite habe.
Bei den Objekten in den Häusern der Thomasiusstraße, Feuerbachstraße, Dietzgenstraße, Lessingstraße, Ehrensteinstraße und Menckestraße in Leipzig waren die Käufer von dem Service offenbar nicht überzeugt. Etwa 35 AWD-Kunden von augenscheinlich nur oberflächlich sanierten Altbauten schalteten frustriert einen Rechtsanwalt ein.
In den als saniert vermittelten Altbauten Ehrensteinstraße 32 und 34 beispielsweise sind die Keller feucht, Putz und Farbe blättern von den Wänden. In mehreren Sachverständigengutachten, die von Käufern in Auftrag gegeben wurden, ist von Verstößen gegen die Brandschutz- und Wärmeschutzverordnung die Rede. Der Schaden soll über 150.000 Mark betragen.
Auch in der Dietzgenstraße 2 in Leipzig, ebenfalls ein von der AIMS als saniert vermitteltes Objekt, erwartete die Käufer nichts Gutes. Hier wurde ganz augenscheinlich eine so genannte Pinselsanierung vorgenommen. Schon kurze Zeit danach stank es in den Kellern und bröckelte die Fassade (siehe Fotos). Brandschutz- und Wärmedämmungsvorschriften wurden verletzt. Die Kosten für eine wirkliche Sanierung in der Dietzgenstraße schätzt ein Sachverständigengutachten auf insgesamt etwa 200.000 Mark.
In einem Schreiben des Sachverständigen an den von Käufern eingeschalteten Anwalt heißt es zu den Bauvorhaben Dietzgenstraße 2 und 10, Ehrensteinstraße 7, 32 und 34 sowie Menckestraße 41, dass die jetzt notwendigen Reparaturarbeiten bei einer fachgerechten Sanierung von vornherein hätten ausgeführt werden müssen. Aufgrund der Feuchtigkeit in Kellern und Wohnungen könnten Mieter ausziehen und der Wert der Wohnungen könne erheblich sinken.
Fehlende Mietgarantien
Alles kein Problem für die Käufer, könnte man glauben. Denn die AIMS verspricht ja Rundumbetreuung und die Absicherung ihrer Mandanten. Spätestens am 1. Januar 2000 könnten die Mieter einziehen, hatten die AWD-Vermittler beispielsweise für das Objekt Dietzgenstraße 10 versprochen. Für den Fall, dass der Termin nicht gehalten würde, brauchten sich die Käufer aber keine Sorgen zu machen. Es würde dann eine Mietausfallzahlung geleistet.
Leere Versprechen, wie sich später herausstellte. Als der Fertigstellungstermin nicht gehalten wurde, baten die Käufer vergeblich um die versprochenen Mietausfallzahlungen.
Der Frust der AWD-Kunden begann, als der Bauträger Thomas Heeger, der die Sanierung der Altbauten betreuen sollte, in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten geriet. Der darauf als Generalbevollmächtigter eingesetzte Christoph Gröner von der CG-Consult GmbH & Co versprach zwar eine schnelle Sanierung, doch viel tat sich nicht. Schließlich sorgte offenbar die das Objekt finanzierende Allgemeine Hypothekenbank AG (AHB) dafür, das die Firma L-Concept Baumanagement aus Leipzig eingeschaltet wurde, um die Bauarbeiten voranzutreiben.
Die Käufer forderten nun ihre Mietausfallzahlungen ein, die ihnen von Heeger und Gröner schriftlich zugesichert worden waren. Doch die von diesen als Garantiegeber genannte Allgemeine Hypothekenbank AG in Leipzig wusste nichts von der ihr zugedachten Rolle. Sie habe weder Mietausfallzahlungen noch eine Mietgarantie für das Objekt Dietzgenstraße 10 zugesagt, teilte die Frankfurter Zentrale der AHB Finanztest mit.
Anders als versprochen, funktionierte die Rundumbetreuung der AWD-Mandanten in Leipzig offenbar nicht. Erst nachdem die Betroffenen einen Anwalt beauftragten und Finanztest beim AWD nachhakte, intensivierte der AWD seine Aktivitäten. Geschäftsführer Wenker besichtigte die Objekte und will nun für eine zügige Abwicklung der Sanierungsarbeiten sowie die Einhaltung von Mietausfall- und Mietgarantiezahlungen sorgen.
Für die Käufer sind die Folgen solcher Mängel gravierend. Sie können ihre Wohnungen nur schwer vermieten. Auch werden die prognostizierten Mieten häufig nicht erzielt.
Ein AWD-Kunde, der eine Wohnung in der Menckestraße 41 kaufte, erlebt das derzeit hautnah. Die Mieterin der Wohnung kündigte, weil sie den durch Feuchtigkeit verursachten muffigen Geruch und die Schimmelpilze an den Wänden nicht länger ertragen wollte. Das verursache ihr Übelkeit und Allergien. Über einen Anwalt fordert sie jetzt 15.000 Mark Schadenersatz vom Käufer für die erlittene Unbill.
"Zinshaus" Düren
Auch in anderen Städten sind die Käufer von vom AWD vermittelten, gern als "Zinshäuser" bezeichneten Immobilien nicht zufrieden. Das Zinshaus Düren gehört dazu. Was den Vermittlern von der AIMS als "stressfreie Immobilie" angedient wurde und sich tatsächlich "wie geschnitten Brot" verkauft hatte, scheint für Kunden kein gutes Geschäft zu sein.
Agnes Heine* aus Hamburg beispielsweise würde ihre Dreizimmerwohnung in Düren lieber heute als morgen loswerden. "Doch das ist völlig illusorisch", weiß die Kauffrau heute. Seit Monaten kommt die Miete von 880 Mark für die 70-Quadratmeter-Wohnung entweder unpünktlich oder gar nicht. "Wer will so eine Wohnung schon haben?", fragt die Frau heute.
Am meisten ärgert sie sich über das Vertrauen, das sie dem Vermittler des AWD entgegengebracht hat. Der habe ihr den Erwerb der Eigentumswohnung in einem von sechs Familienhäusern als lukrative Kapitalanlage verkauft. Mit "Zinshaus" und "sicherer Zukunft" sowie Vorzügen wie günstiger Kaufpreis, hohe, sichere und langfristige Rendite seien die Wohnungen im vom AWD-Berater überreichten Prospekt beworben worden.
Auch die sonstigen Angaben des Vermittlers seien viel versprechend gewesen. Die Wohnung sei bereits vermietet, die Mietzahlungen von 880 Mark im Monat für 25 Jahre garantiert. Obendrein sei die Mietgarantie laut Vertrag sogar noch durch eine 10-jährige Bankbürgschaft abgesichert, habe es geheißen. Dass die Bankbürgschaft tatsächlich nie hinterlegt wurde, habe sie erst mitbekommen, als sie wegen ausbleibender Mietzahlungen darauf zurückgreifen wollte.
Inzwischen zweifelt Agnes Heine auch an anderen Versprechungen des Vermittlers. Schon nach einigen Jahren könne sie mit steigenden Mieteinnahmen rechnen, erklärte der Mann. Das scheint aber völlig unrealistisch. Schon heute werden die Mieten laut Prospekt vom Mietgarantiegeber bezuschusst. Die Erklärung dafür lässt sich im örtlichen Mietpreisspiegel finden. Danach liegt die garantierte Miete mit 880 Mark etwa 40 Prozent über den Preisen in normalen bis mittleren Lagen in Düren.
Nach monatelangem Ärger hat Agnes Heine inzwischen einen Brief erhalten. Bis Ende Oktober, so versichert der Finanzdienstleister, seien alle rückständigen Mieten bezahlt. Wenn nicht, sagt Agnes Heine, werde sie klagen.
Überteuerte Wohnungen
Nicht selten wurden auch überteuerte Wohnungen vermittelt. Das merkten AWD-Kunden jedoch oft erst nach Ablauf der Mietgarantie. Oder weil sie eines Tages auf die Idee kamen, die gekaufte Immobilie zu besichtigen.
Die Käufer einer vom AWD vermittelten 115.000 Mark teuren Eineinhalbzimmer-Eigentumswohnung in der Elmshorner Straße in Pinneberg bei Hamburg traf fast der Schlag, als sie diese erstmals besichtigten. Die Wohnung war völlig verwahrlost. Sie wurde von einer Alkoholikerin bewohnt, die von der Sozialhilfe lebt.
Eine Besichtigung vor dem Kauftermin fand nicht statt. Angeblich sei die Mieterin im Urlaub. Tatsächlich war sie nicht bereit, die Tür zu öffnen. Daraufhin wurde dem Ehepaar kurzerhand eine Nachbarwohnung gezeigt. Anschließend wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Erst als das Sozialamt die Mietzahlungen einstellte, um die Mieterin zu zwingen, den Käufern Zutritt zu gewähren, wurde der Zustand der Wohnung offenbar.
Nach monatelangem Streit will die AIMS dem Ehepaar jetzt 11.000 Mark erstatten. Der erlittene Verlust durch die notwendige Renovierung, monatelangen Mietausfall und Kosten für den Anwalt, den die Käufer einschalteten, um vom AWD den Schaden ersetzt zu bekommen, betrage rund 30.000 Mark, erklärten die AWD-Mandanten. Für die Wohnung sei im Übrigen nach Schätzungen eines Maklers höchstens ein Kaufpreis von 90.000 Mark angemessen gewesen. Die Wohnung, für die das Sozialamt 940 Mark Miete gezahlt habe, stehe leer.
Der Kauf einer Immobilie ohne Besichtigung wird Anlegern häufig zum Verhängnis. Denn dann können sie Lage und Miethöhe nicht überprüfen. Solche Vermittlungen sind beim AWD offenbar nicht unüblich. Denn Objekte wie zum Beispiel das Zinshaus Düren wurden von weit entfernt liegenden AWD-Büros wie etwa von Hamburg oder München aus vertrieben.
Bei einer Reihe der von AWD-Kunden gekauften Immobilien handele es sich um Sozialwohnungen, die in sozialen Brennpunkten oder Randlagen liegen, berichten Vermittler. Das gelte etwa für die Objekte Am Wollepark in Delmenhorst, Breslauer Straße (Altländerviertel) und Mühlenweg in Stade, Graf-von-Moltke-Straße in Lüneburg oder Königsberger Straße in Reinbek bei Hamburg. Für diese Objekte seien nach Ablauf der Mietgarantie nur schwer Mieter zu finden. Die Eigentümer müssten regelmäßig Abstriche bei der Miete hinnehmen. Das sei besonders bitter, wenn die Immobilie per Kredit finanziert wurde und die Mieteinnahmen die Kreditkosten decken sollen, beklagen Vermittler.
Hoffnung für AWD-Mandanten
Glaubt man AWD-Geschäftsführer Götz Wenker, so gehören solche Geschichten der Vergangenheit an. Bis zur Gründung der AIMS im Jahr 1995 seien die Prüfungen trotz des auch schon damals vorhandenen umfassenden Produktprüfungsprogramms häufiger schief gegangen. "Da sind Fehler passiert", räumt Wenker ein. Seither würden alle Immobilien von Finanzierungsspezialisten geprüft. "10.000 von der AIMS vermittelte Immobilienobjekte haben nach Auffassung des AWD ein gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis", betonte Wenker gegenüber Finanztest.
Natürlich könne auch er nicht ausschließen, dass es trotzdem einmal Probleme gebe. Für diese Fälle habe die AIMS ein rund um die Uhr erreichbares Service- und Call-Center (Telefon 01805/144777) eingerichtet. Binnen zwei Tagen so verspricht Wenker erhalten Reklamanten eine erste Information. Der AWD werde sich dann intensiv um Abhilfe bemühen.
Fälle wie in Leipzig, wo AWD-Kunden erst einmal einen Anwalt einschalten müssten, um Hilfe zu erhalten, dürfe es deshalb eigentlich gar nicht geben, erklärte Wenker. AWD-Mandanten, die etwa auf Pinselsanierungen reingefallen sind oder bei denen der Mietgarant nicht zahlt oder wo die tatsächliche Miete weit unter dem versprochenen Ziel zurückbleibt, hätten demnach nichts zu fürchten: "Wenn wir die entstandenen Schäden nicht von Bauträgern oder Mietgarantiegebern ersetzt bekommen, springen wir ein", verspricht Wenker. "Dafür gibt es einen Topf im Haus." Immobilienkäufer des AWD können nur hoffen, dass auch genug Geld drin ist.
-
- Mit Summen ab 10 000 Euro können sich Anleger an Büro- und Geschäftsgebäuden, Hotels, Sozialimmobilien oder Wohnungen in Deutschland beteiligen. Sie können von Mieten...
-
- Zum ersten Mal seit vielen Jahren sinken die Immobilienpreise deutlich. Gleichzeitig steigen die Mieten. Wir zeigen die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt.
-
- Verschobene Vorstellungen, ausgewechselte Akteure – nicht jeder Konzert-, Theater- oder Kinobesuch läuft nach Plan. Wir sagen, was zahlende Besucher verlangen können.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.