Eigenleistung am Bau Harte Arbeit fürs Haus

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Familie Schulz hat rund 30 000 Euro gespart, weil sie ihr Haus selber ausgebaut hat. Bei Familie Rehn ging die Sache nicht so glatt.

Neuenhagen bei Berlin, im Juli 2004: Britta und Stefan Schulz sitzen in ihrem neuen Wohnzimmer auf der Couch und strahlen. Nur zwei Innentüren, die an der Wand lehnen, müssen sie noch einbauen. Das Werkzeug ist verstaut bis auf die paar Sachen in einer einzigen Ecke.

Die beiden Kinder – Juliane, 6 Jahre, und Fabian, 8 Jahre – spielen auf dem großen Erdhügel vor der Tür und rasen mit den Fahrrädern um den Block. Das ist das Glück einer Bauherrenfamilie, die vor zwei Wochen in ihr neues Eigenheim gezogen ist.

„Irgendwann reicht es einem zwar“, sagt Stefan Schulz. „Aber ich würde es immer wieder machen.“ Knapp vier Monate lang hat der 36-Jährige jeden Feierabend und jedes Wochenende auf der Baustelle verbracht. „Vor Mitternacht waren wir selten im Bett“, erzählt Britta Schulz. „Das war schon hart. Aber dafür sind wir im Zeitplan geblieben. Im März mussten wir entscheiden, wann wir unsere Wohnung kündigen, und Ende Juni waren wir tatsächlich raus.“

Am 5. März war das Haus der Schulzes von einem Fertighaushersteller gestellt worden, einen Tag später war das Dach gedeckt und der Rohbau damit fertig. 79 000 Euro hat das Paar für die wetterfeste Gebäudehülle mit Fenstern, Rolläden und Dach bezahlt.

Den Innenausbau des Hauses nahm Stefan Schulz selbst in die Hand. Sein Vorteil: Als gelernter Trockenbauer konnte er nicht nur viele Arbeiten selber ausführen, sondern er kannte durch seinen Job auch günstige und zuverlässige Anbieter für die Arbeiten, die er nicht selber machen konnte: einen Installateur für Heizung und Sanitäranlagen, einen Elektriker und einen Fliesenleger.

„Das sind alles Firmen, die ich persönlich kenne und von denen ich weiß, wie sie ar­beiten“, sagt Bauherr Schulz. „Die einzige Firma, die mir nicht bekannt war, waren die Treppenbauer, eine Firma aus Polen, die mir der Fertighaushersteller empfohlen hatte. Da bin ich vorher auf mehrere Baustellen gefahren, habe mir deren Arbeit angeguckt und mit den Bauherren gesprochen.“

Unternehmen vor Ort deutlich billiger

Für den Innenausbau hatte ein Architekturbüro ein Angebot über 60 000 Euro gemacht. Doch Schulzes haben dafür am Ende nur etwas über 30 000 Euro ausgegeben.

Das Paar blieb nicht nur im Zeitplan, ­sondern sparte sogar mehr ein, als die Bank kalkuliert hatte. Sie hatte für die geplanten Eigenleistungen eine Muskelhypothek im Wert von insgesamt 13 000 Euro akzeptiert – Geld, das die Schulzes sonst als Eigenkapital hätten nachweisen müssen. Heizung und Sanitäranlagen, Estrich, Fliesenleger und Treppe kosteten zusammen nur rund 20 000 Euro statt der vom Architekten kalkulierten 31 000 Euro. Die Firmen vor Ort, die Stefan Schulz selbst organisiert hatte, waren rund 11 000 Euro billiger.

Den Rest der Arbeiten erledigte Familie Schulz selbst. Statt der dafür veranschlagten 26 000 Euro gaben sie so nur zirka 13 000 Euro für Material aus. Den Lohn für alle Trockenbauarbeiten wie Decken und Wände schließen und verspachteln sparten sie ein. Im Obergeschoss zog Bauherr Schulz sogar die gesamten Zwischenwände selbst ein. Ein befreundeter Elektriker aus dem Fußballverein übernahm die Installation der Elektrik.

Stefan Schulz warnt Nachahmer allerdings: „Die selbstständige Organisation der einzelnen Gewerke ist nichts für Laien. Als ehemaliger Polier weiß ich, wie und in welcher Reihenfolge die Arbeiten auf der Baustelle abzulaufen haben. Wer nicht vom Fach ist, sollte die Abstimmung auf jeden Fall einem Profi überlassen.“ Sein Tipp: „Mindestens ein halbes Jahr vor Baubeginn auf die Suche gehen und Angebote für alle Gewerke einholen.“

Einzug auf eine Baustelle

Manja und Michael Rehn sind nicht „vom Fach“. Die Organisation für den Bau ihres Hauses vertrauten sie einer Baufirma an. Mit anpacken wollten sie aber schon.

Sie planten beim Bau ihres Hauses Eigenleistungen im Wert von 8 250 Euro ein. Dafür wollten Buchhalter Michael Rehn und Ehefrau Manja die Geschossdecken dämmen und verkleiden, Wand- und Bodenbeläge und Sanitärobjekte anschaffen und ver­arbeiten sowie sämtliche Maler- und ­Tapezierarbeiten selbst erledigen.

Damit war jede freie Minute verplant. Doch als sich die beiden mit der Baufirma überwarfen, weil diese gravierende Mängel nicht beseitigen wollte, mussten sie auf einmal außerdem die Gewerke wie Heizungsinstallateur und Elektriker selbst beauftragen und koordinieren. Der Bau verzögerte sich.

Ein Baustopp brachte zusätzlich den Zeitplan durcheinander. „Eigentlich haben wir noch Glück gehabt. Da ich nur Teilzeit ­arbeite, hatte ich insgesamt drei Monate ­Urlaub. Sonst hätten wir das alles wohl kaum geschafft“, meint Familienvater ­Michael Rehn und ergänzt: „Aber unsere Tochter hat eine Menge durchgemacht. Sie war immer mit auf der Baustelle. Da kann man sich ja nicht ständig um sie kümmern.“

Das Paar hatte mit seiner dreijährigen Tochter schon Weihnachten im neuen Heim verbringen wollen, doch nun dauerte es bis Ende März und auch da konnten sie erst drei Räume beziehen, der Rest des Hauses war noch Baustelle.

Jetzt, Mitte Juli, ist das Haus endlich bewohnbar. Ein Zimmer ist allerdings noch im Rohbauzustand, und im Treppenhaus fehlt an der Decke noch die Verkleidung, der Durchlass zum Dachgeschoss ist noch offen, vom Schlafzimmer zum Bad führen noch die blanken Verlegeplatten.

„Irgendwann hat man einfach keine Lust mehr“, bekennt Michael Rehn. „Außerdem erlaubt es die Jahreszeit jetzt, draußen zu arbeiten. Im Haus kann man ja auch an langen Winterabenden weitermachen.“

Familie Rehn liegt mit ihrer Baufirma nun im Rechtsstreit. Erst wenn der entschieden ist, wird feststehen, was die Bauverzögerungen am Ende tatsächlich gekostet haben.

Gespart haben sie durch ihre Eigenleistung nicht. Sie brauchten dafür viel zu viel Zeit, weil sie sich um andere Probleme kümmern mussten. Der knappe Plan hätte allenfalls aufgehen können, wenn mit der Firma alles wie am Schnürchen geklappt hätte.

Die meisten planen zu wenig Zeit ein

„In 100 Prozent der Fälle, mit denen ich zu tun habe, hatten die Bauherren völlige Illusionen darüber, was sie selber in welcher Zeit am Bau schaffen können. Es herrscht noch immer ein blinder Glaube in die Bauunternehmen, die erzählen: In drei Monaten seid ihr drin“, warnt Olaf Lenkeit, Rechtsanwalt der Familie Rehn und Spezialist für Baurecht. „Aber ich lerne natürlich nur die Fälle kennen, in denen es schief gegangen ist.“

Vor allem im Massivhausbau gibt es die Tendenz, die Bauherren über den Tisch zu ziehen, erlebt Lenkeit im Raum Berlin-Brandenburg immer. „Da wird genau ausgelotet, wie viel bei einer Bauherrenschaft zu holen ist, und das wird bis auf den letzten Cent ausgeschöpft. Was dann noch fehlt, wird als Eigenleistung eingeplant. Die Folge: Viele Bauvorhaben sind so knapp kalkuliert, dass nichts schief gehen darf. Da darf nicht einmal die Waschmaschine kaputtgehen“, warnt Lenkeit. „Wenn dann wie im Fall Rehn ein Baustopp den Zeitplan durcheinander bringt, bricht alles zusammen.“

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