
Wer eine vermietete Wohnung kauft, kann nicht einfach einziehen. Mieter sind bis zu zehn Jahre geschützt.
Die auserwählte Wohnung ist fantastisch, der Preis für derzeitige Verhältnisse moderat, die Finanzierung geklärt. Alles könnte so schön sein, wenn da nicht ein Mieter leben würde. Ob jemand die Immobilie bewohnt, ist wichtig für die Kaufentscheidung. Aus gutem Grund: Will der Käufer selbst in die Wohnung ziehen, muss er Eigenbedarf geltend machen. Sofort einziehen kann er nicht. Im schlimmsten Fall muss er zehn Jahre warten, bevor er den Mietvertrag kündigen kann. Eigenbedarf anmelden bedeutet auch: Der alte Mieter muss sich eine neue Bleibe suchen.
Immobilien sind derzeit ein begehrtes Investment. Viele Deutsche wollen ihr Geld in Sicherheit bringen – und sich zugleich ihren Wohntraum erfüllen. Bei aller Euphorie, das ideale Objekt gefunden zu haben: Wer eine vermietete Wohnung kaufen will, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er zunächst nicht einziehen kann.
Der Mieter hat ein Recht darauf, in der Wohnung zu bleiben. „Kauf bricht nicht Miete“ heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das bedeutet: Der Käufer kann den Mietvertrag nicht einfach auflösen. Die bisherigen Bewohner sind geschützt. Wie lange hängt davon ab, wann die Immobilie in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde, und ob der Mieter zu diesem Zeitpunkt bereits in der Wohnung gelebt hat.
Zehn Jahre auf die Wohnung warten
Recht schnell kommt der neue Eigentümer in seine Wohnung, wenn sie schon vor dem Einzug des jetzigen Mieters umgewandelt wurde. Dann gilt nur die ordentliche Kündigungsfrist von drei bis neun Monaten – je nach Mietdauer (siehe Kündigungsfristen).
Wurde ein Haus erst nach Einzug des Mieters in Einzeleigentum aufgeteilt, sieht es schlecht aus für Käufer. Zur ordentlichen Kündigungsfrist addieren sich bis zu zehn Jahre Sperrfrist. Diese läuft auch weiter, wenn Wohnungen erneut den Besitzer wechseln. Ein Beispiel: Eine Erbengemeinschaft verkauft die Wohnungen eines Mietshauses an einzelne Eigentümer. Es gelten drei Jahre Sperrfrist. Der erste Käufer trennt sich nach zwei Jahren von seiner Wohnung. Der nächste Eigentümer darf nach einem Jahr kündigen.
Tipp: Auskunft über die Fristen erhalten Sie bei den Gemeinde- oder Stadtverwaltungen und bei Mietervereinen.
Dem Mieter Angebote unterbreiten
Der Neueigentümer braucht Geduld. „Wer nicht warten möchte, kann dem Mieter vorschlagen, den Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuheben. Als Gegenleistung erspart der Vermieter dem umzugswilligen Bewohner doppelte Mietzahlungen und beispielsweise die Schönheitsreparaturen“, empfiehlt der Kölner Rechtsanwalt Karl Friedrich Wiek.
Wenn das nicht hilft, versuchen einige, die Mieter aus der Wohnung herauszukaufen. „Wie hoch die gebotenen Beträge sind, hängt davon ab, wie schnell der Vermieter regulär in die Wohnung käme, und wie groß sein Interesse am baldigen Einzug ist“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Die Beträge können schnell in die Tausende gehen.
Kündigung nur mit gutem Grund

Eigentümer. Möchte der Käufer mit Kind und Kegel einziehen, hat er gute Karten, wegen Eigenbedarf kündigen zu dürfen.
Auch nach Ablauf der Fristen kann der Eigentümer nicht einfach kündigen. Er muss ein „berechtigtes Interesse“ anmelden. Das heißt: Er muss nachvollziehbare Gründe haben, weswegen er die Wohnung braucht. Eine Kündigung ist in Ordnung, wenn der Käufer als „Herr seiner eigenen vier Wände“ einziehen will (Bundesverfassungsgericht, Az. 1 BvR 696/93) oder nach einer Trennung die Räume für sich braucht (Landgericht Köln, Az. 1 S 27/96). Eigenbedarf besteht auch, wenn der Vermieter die Wohnung als Büro nutzen möchte (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 330/11).
Der Eigentümer kann Eigenbedarf auch für einzelne Personen anmelden. Dabei muss es sich um Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts handeln, also zum Beispiel um die Lebensgefährtin oder deren Kind. Familienangehörige sind nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch Eltern und Geschwister des Vermieters. Eine Kündigung ist auch rechtens, wenn der Neffe nach einer neuen Bleibe sucht (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 159/09).
Wer schwindelt, muss zahlen
Der Eigentümer darf nicht kündigen, um die Wohnung neu zu vermieten oder zu verkaufen. Und er darf den Eigenbedarf nicht vortäuschen. Das macht die Kündigung unwirksam. Zieht der Mieter wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs aus, kann er Schadenersatz verlangen: Der Vermieter muss Umzugs- und Maklerkostenersetzen, aber auch die Differenz zu einer womöglich höheren Miete der neuen Wohnung. Allerdings muss der Mieter beweisen, dass die Eigenbedarfskündigung nur ein Täuschungsmanöver war, um ihn aus der Wohnung zu bekommen (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 368/03). Schadenersatz steht dem Mieter auch zu, wenn ihn der Eigentümer nicht informiert, dass der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist.
Alte und Kranke dürfen bleiben
Will der Vermieter kündigen, muss er das schriftlich tun. „Er muss angeben, für wen er die Räume braucht und warum gerade jetzt“, sagt Rechtsanwalt Wiek. Fehlen die Angaben, ist die Kündigung unwirksam.
Selbst wenn der Vermieter alles richtig macht – manchmal kommt er trotzdem nicht in seine Wohnung. Mieter dürfen einer an sich zulässigen Kündigung widersprechen, wenn sie der Auszug besonders hart treffen würde. Eine hochschwangere Frau beispielsweise kann ebenso bleiben wie Schwerkranke oder Hochbetagte, die den Auszug nicht verkraften würden.