
Möchte der Vermieter die Wohnung selbst nutzen, kann er wegen Eigenbedarfs kündigen. Manchmal ist der Bedarf nur vorgetäuscht. Wir sagen, wie Mieter sich wehren können.
Die Eigenbedarfskündigung – alle Details
Privateigentum ist Grundrecht. Doch auch das Recht des Mieters auf seine Wohnung steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Was das für Mieter und Vermieter heißt, hat der Bundestag ins Bürgerliche Gesetzbuch geschrieben: Mietverträge dürfen normalerweise nicht gekündigt werden, solange der Mieter seine Pflichten erfüllt und insbesondere seine Miete pünktlich bezahlt.
Es gibt allerdings Ausnahmen. Die wichtigste Ausnahme: Der Vermieter braucht die Wohnung selbst und meldet Eigenbedarf an. Je höher die Mieten steigen, um so häufiger brauchen Vermieter ihre oder eine ihrer Wohnungen selbst. Sie dürfen Mietern kündigen, wenn sie eine Wohnung für sich, ihre Familie oder nahe Verwandte brauchen. Zulässig ist die Eigenbedarfskündigung zugunsten von
- Kindern, Stiefkindern, Eltern, Enkeln, Großeltern,
- Geschwistern, Nichten und Neffen,
- Partnern, Ehegatten, Schwiegereltern, Haushaltshilfen und Pflegepersonal.
Eigenbedarfskündigung für sonstige Personen
Patchworkfamilien sind keine Seltenheit mehr. Aber darf ein Vermieter auch für das Kind seiner Lebensgefährtin Eigenbedarf anmelden? Antwort der Gerichte: Das hängt davon ab, ob Vermieter und Lebensgefährtin verheiratet sind.
Stiefkinder. Wenn der Vermieter mit der Lebensgefährtin verheiratet ist, dann ist das Kind der Lebensgefährtin mit dem Vermieter verschwägert (Stiefkind) und rechtlich Angehörige der Familie des Vermieters. Der kann zu Gunsten seiner Stieftochter Eigenbedarf nach Paragraf 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches anmelden.
Landgericht Hamburg, Urteil vom 12.12.1996
Aktenzeichen: 307 S 206/96
Haushaltsangehörige. Sind Vermieter und Mutter des Kindes nicht verheiratet, besteht zwischen Vermieter und Kind keine Schwägerschaft nach Paragraf 1590 des Bürgerlichen Gesetzbuch. Nach Ansicht des Amtsgerichts Siegburg kann der Vermieter dann für dieses Kind keinen Eigenbedarf als Familienangehöriger reklamieren. Hätte das Kind zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung schon seit längerer Zeit mit dem Vermieter zusammengewohnt, hätte er für das Kind als „Angehöriger seines Haushalts“ Eigenbedarf anmelden können. Im Siegburger Fall war es aber anders: Die Tochter der Lebensgefährtin, für die der Eigenbedarf erklärt worden war, studierte bereits und wohnte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr im Haushalt des Vermieters und Lebensgefährten ihrer Mutter.
Amtsgericht Siegburg, Urteil vom 17. Oktober 2018
Aktenzeichen: 105 C 97/18
Nicht im Haushalt lebende Pflegekraft. Ein pflegebedürftiger Vermieter kann einen Mietvertrag über eine vermietete Dreizimmerwohnung wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung künftig seiner Pflegekraft überlassen möchte, damit diese möglichst nah bei ihm lebt. Der betroffene Mieter kann den angemeldeten Eigenbedarf nicht mit dem Argument abwehren, der Vermieter solle die Pflegeperson doch in seine Wohnung aufnehmen. Der Vermieter muss sich auch nicht auf die Pflege durch in der Nähe lebende Familienangehörige verweisen lassen. Das Landgericht Stuttgart bejahte eine Kündigungsmöglichkeit nach Paragraf 573 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 07.12.2020
Aktenzeichen: 13 S 125/20
Eigenbedarf, wenn ein Unternehmen der Vermieter ist?
Unternehmen wie GmbHs, Aktiengesellschaften und andere juristische Personen wohnen nicht und können daher keinen Eigenbedarf an einer Wohnung haben. Das gilt auch für eine GmbH & Co. KG.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.2010
Aktenzeichen: VIII ZR 210/10).
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch kann zugunsten ihrer Mitglieder und deren Angehörigen Eigenbedarf geltend machen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2016
Aktenzeichen: VIII ZR 232/15)
Achtung: Wenn es um auch gewerblich nutzbare Räume geht, kann die Eigenbedarfskündigung von Unternehmen zulässig sein (siehe nächster Absatz).
Auch für gewerbliche Nutzung ist Kündigung denkbar
Ist eine Wohnung als Praxis, Kanzlei oder sonst gewerblich nutzbar, darf der Vermieter seinen Mietern auch kündigen, um die Räume beruflich zu nutzen. Wieder gilt: Auch Familienangehörige und nahe Verwandte können den Grund für die Eigenbedarfskündigung liefern.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.09.2012
Aktenzeichen: VIII ZR 330/11
Nutzung als Zweit- oder Ferienwohnung
Der Vermieter darf Eigenbedarf grundsätzlich auch anmelden, wenn er die Räume als Wohnung für sich selbst benötigt (Paragraf 573 Absatz 2 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Ein solcher Eigenbedarf könnte vorliegen, wenn er die Wohnung künftig als Zweitwohnung oder Ferienwohnung nutzen möchte. Es ist nicht erforderlich, dass er in der Wohnung, für die er Eigenbedarf reklamiert, künftig seinen Lebensmittelpunkt einrichtet.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2018
Aktenzeichen: VIII ZR 186/17
Im Kündigungsschreiben an seinen Mieter muss der Vermieter den Eigenbedarf erläutern, also aufschreiben, wie oft und wie lange er die Wohnung künftig als Zweit- oder Ferienwohnung zu nutzen plant. Die schlichte Begründung: Ich brauche die Räume in Zukunft „für notwendige Aufenthalte in Berlin als Zweitwohnung“ ist zu wenig. Eine solche Eigenbedarfskündigung ist jedenfalls nach Auffassung des Landgerichts Berlin aus formalen Gründen unwirksam.
Landgericht Berlin, Beschluss vom 07.01.2020
Aktenzeichen: 67 S 249/19
Viel mehr Begründung ist allerdings nicht nötig. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2017 eine Eigenbedarfskündigung für wirksam erachtet, in der ein Vermieter seine berufliche und private Situation erläutert hatte. Er hatte erklärt, die Wohnung künftig aus beruflichen Gründen mehrmals im Jahr zu benötigen, um nicht mehr im Hotel oder bei Bekannten schlafen zu müssen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.08.2017
Aktenzeichen: VIII ZR 19/17
Unzulässige Eigenbedarfskündigungen
Braucht ein Vermieter die Wohnung für sich, einen Familienangehörigen oder nahen Verwandten, kann die Eigenbedarfskündigung im Einzelfall dennoch unwirksam sein. Nämlich dann, wenn der Vermieter überdimensionierten Wohnbedarf geltend macht, so dass die Kündigung als Missbrauch anzusehen ist. Dazu zählen vor allem die Fälle, in denen der Vermieter eine sehr große Wohnung für noch junge Familienangehörige haben möchte.
Erhöhter Wohnbedarf. Unwirksam war laut Landgericht Berlin die Kündigung eines Vermieters, damit seine noch zu Hause wohnende und in der Ausbildung befindliche 19-jährige Tochter mit minimalem Hausstand in die 120 Quadratmeter große Vierzimmerwohnung des Mieters einziehen kann.
Landgericht Berlin, Urteil vom 20.01.2021
Aktenzeichen: 64 S 50/20
Andere Wohnung steht frei. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter noch eine weitere Wohnung besitzt, die frei ist und für seine Zwecke (hier: Überlassung der Wohnung an Pflegekraft) ebenso geeignet ist wie die Wohnung des Mieters, für die der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat.
Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 07.12.2020
Aktenzeichen: 13 S 125/20
Normale Kündigungsfrist für Mietverträge gilt
Liegt Eigenbedarf vor und der Vermieter kündigt, dann gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Nach bis zu fünf Jahren Wohndauer haben Mieter ab Ende des Monats der Kündigung drei Monate Zeit bis zum Auszug. Nach bis zu acht Jahren sind es sechs Monate und nach mehr als acht Jahren neun Monate.
Wenn der Eigenbedarf noch während der Kündigungsfrist entfällt, muss der Vermieter den Mieter informieren und ihm die Möglichkeit geben, den Mietvertrag doch fortzusetzen. Finden der Vermieter oder seine Verwandten allerdings erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine andere Wohnung und ziehen dort ein statt in die Wohnung des gekündigten Mieters, dann bleibt die Eigenbedarfskündigung wirksam.
Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen
Sogar, wenn es nur ums Geld geht, ist eine Kündigung von Mietverträgen möglich. Bei solchen rein wirtschaftlich begründeten Kündigungen sind die Gerichte allerdings streng. Es reicht nicht aus, dass ein Haus oder eine Wohnung beim Verkauf mehr Geld bringen, wenn kein Mieter mehr darin wohnt. Nur wenn der Vermieter in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, ist eine Verwertungskündigung erlaubt. Dann darf der Vermieter seinen Mietern kündigen, wenn er dadurch beim Verkauf der Immobilie einen viel höheren Preis erzielen kann.
Beispiele:
- Akzeptiert hat das Landgericht Krefeld die Kündigung durch einen Vermieter, der 4 800 Euro Kreditrate für die Immobilie zu zahlen hatte, aber von seinen Mietern nur 2 000 Euro monatlich erhielt und der dann auch noch arbeitslos wurde.
Landgericht Krefeld, Urteil vom 10.03.2010
Aktenzeichen: 2 S 66/09 - Das Landgericht Detmold bestätigte die Kündigung durch einen Vermieter, der kurz vor der Pleite stand und jeden Cent brauchte, um seine Gläubiger zu bezahlen und die Insolvenz abzuwenden.
Landgericht Detmold, Urteil vom 16.05.2001
Aktenzeichen: 2 S 122/00
Keine Kündigung des Mieters in Härtefällen
Selbst wenn eine Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung eigentlich zulässig ist, kann sie im Einzelfall doch ausgeschlossen sein. Das passiert, wenn das Ende des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder sonst einen Angehörigen des Haushalts eine Härte bedeuten würde, die schwerer wiegt als die berechtigten Interessen des Vermieters. Der Mieter kann dann der Kündigung widersprechen und vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.
Typischer Fall: Der Vermieter will den Auszug einer 81 Jahre alten Frau erzwingen, die seit 52 Jahren in der Wohnung lebt.
Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 23.03.2004
Aktenzeichen: 15 C 602/03
Wann liegt ein Härtefall vor?
Der Auszug ist nicht schon allein wegen des hohen Alters oder einer Erkrankung des Mieters unzumutbar. Beides begründe für sich genommen noch keine Härte.
Bundesgerichtshof,Urteil vom 03.02.2021
Aktenzeichen: VIII ZR 68/19
Geht mit dem hohen Alter des Mieters eine Krankheit einher und würde der Umzug den Gesundheitszustand des Mieters erheblich beeinträchtigen, kann allerdings eine Härte vorliegen, die gegen den Auszug spricht.
Hohes Alter plus Verwurzelung am Wohnort. Ist der Mieter schon recht alt und ist er außerdem stark verwurzelt in seine Umgebung, kann ein Härtefall vorliegen, der es dem Vermieter verbietet, den Mieter vor die Tür zu setzen. In einem Prozess müssen Mieter eine solche Verwurzelung gut belegen können, um die Kündigung abzuwehren. Vor dem Landgericht Berlin ist das jüngst einer 84-jährigen Mieterin gelungen. Das Gericht erklärte die Eigenbedarfskündigung des Vermieters für unwirksam, da die Frau bereits mehr als 20 Jahre in der Wohnung gelebt und außerdem Ärzte und soziale Kontakte in der Nachbarschaft hatte. Das sei eine „tiefe Verwurzelung“, aus der die Mieterin nicht gerissen werden dürfe.
Landgericht Berlin, Urteil vom 25.05.2021
Aktenzeichen: 67 S 345/18
Demenzielles Syndrom. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat eine persönliche Härte bei einem 73-jährigen Mieter anerkannt, der an einem demenziellen Syndrom erkrankt war und Suizidgedanken hatte. Vor Gericht kam ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass ein Auszug eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Mieters verursachen könnte. Das Gericht wies die Räumungsklage des Vermieters daher ab und verpflichtete ihn, das Mietverhältnis mit dem erkrankten Mieter unbefristet fortzusetzen.
Amtsgericht Mitte von Berlin, Urteil vom 11.08.2021
Aktenzeichen: 10 C 3/19
Attest reicht nicht als Beweis für Härtefall
In einem Kündigungsprozess wegen Eigenbedarfs reicht es in der Regel allerdings nicht aus, dass der Mieter ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegt. Das Gericht muss regelmäßig von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen, das Auskunft gibt über die Erkrankung, potenzielle umzugsbedingte Folgen und die Möglichkeiten, diese Folgen – etwa durch therapeutische Maßnahmen – abzumildern.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 22.05.2018
Aktenzeichen: VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17
Pressemitteilung des Gerichts zu den Urteilen
Folge für Mieter: Ohne Mietrechtsschutz über einen Mieterverein oder eine Versicherung kann der unberechtigte Widerspruch gegen die Eigenbedarfskündigung kostspielig werden. Kommt nämlich der Gerichtsgutachter zum Ergebnis: Es liegt keine besondere Härte vor, dann muss der Mieter das Sachverständigengutachten zusätzlich zu den übrigen Gerichtskosten zahlen. Oft kosten solche Gutachten mehrere Tausend Euro.
Vorab lässt sich nicht zuverlässig klären, ob eine besondere Härte vorliegt. Den Gutachter benennt erst das Gericht. Mieter sollten vor dem Widerspruch gegen die Eigenbedarfskündigung nicht nur ihren Hausarzt fragen, sondern auch die Zweitmeinung eines unabhängigen Arztes einholen.
Lange, mieterfreundliche Fristen nach Umwandlung
Es gibt noch eine wichtige Einschränkung für das Recht des Vermieters auf eine Eigenbedarfskündigung: Wurde die Wohnung erst nach Abschluss des Mietvertrags in eine Eigentumswohnung umgewandelt und verkauft, dann ist die Eigenbedarfskündigung für drei Jahre ab dem ersten Verkauf der Wohnung nach der Umwandlung ausgeschlossen. Wo – wie in vielen Großstädten – Wohnungsmangel herrscht, ist die Kündigung des Mietvertrags sogar für zehn Jahre gesperrt.
Um eine Umgehung dieser Regelung zu verhindern, gilt der gleiche Schutz vor Eigenbedarfskündigungen mit drei- oder zehnjähriger Kündigungssperre nach § 577a Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch, wenn das Mietshaus im Ganzen an eine Personengesellschaft oder an mehrere verschiedene Eigentümer verkauft wird.
Auf den Ausschluss der Kündigung nach erstem Verkauf der Wohnung nach Umwandlung in Wohnungseigentum können sich auch Angehörige berufen, die nach dem Tod des Mieters in den Mietvertrag eingetreten sind. Voraussetzung dafür ist, dass sie bis zum Tod mit dem Vermieter in der Wohnung im gleichen Haushalt zusammengelebt haben. Haben sie nur eine Wohngemeinschaft mit separater Haushaltsführung gebildet, reicht das nicht aus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2022
Aktenzeichen: VIII ZR 356/20
Widerstand – diese Kosten kommen auf Mieter zu
Greifen solche Einschränkungen des Rechts zur Eigenbedarfskündigung nicht, haben Mieter ein Problem: Sie können oft kaum überprüfen, ob Eigenbedarf vorliegt. Den Auszug zu verweigern, weil der Vermieter womöglich bloß behauptet, die Wohnung für sich oder Verwandte zu benötigen, kann ohne Rechtsschutzversicherung oder Mieterverein sehr teuer werden. Der Vermieter wird vor dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Wohnung liegt, gegen den Mieter Klage auf Räumung erheben. Er muss dann seinen Eigenbedarf genau erklären und im Zweifel beweisen. Kann er das Gericht am Ende überzeugen, müssen die Mieter nicht nur ausziehen, sondern auch noch die Kosten des Verfahrens tragen.
Bei 1 000 Euro Kaltmiete mindestens 8 000 Euro Prozesskosten
Diese Kosten erreichen bei einer Kaltmiete von 1 000 Euro pro Monat in typischen Fällen 8 000 Euro in der ersten Instanz und weitere gut 9 000 Euro in der Berufungsinstanz. Geht der Fall noch in die Revision vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, kostet das noch einmal gut 12 000 Euro.
Und wenn es nur ein vorgetäuschter Eigenbedarf war?
Manchmal lässt sich nach dem Auszug beweisen, dass es gar keinen Eigenbedarf gab. Dann wird es teuer für den Vermieter. Hat der den Eigenbedarf nur vorgetäuscht, um die Wohnung teurer als bisher zu vermieten oder für möglichst viel Geld zu verkaufen, steht den früheren Mietern Schadenersatz zu. Sie können ihrem ehemaligen Vermieter dann vor allem die Kosten für den Umzug und die Differenz der neuen zur alten Miete in Rechnung stellen.
Doch der Beweis ist sogar in scheinbar klaren Fällen oft schwierig. Selbst wenn nach dem Auszug auf die mit Eigenbedarf begründete Kündigung hin Verkaufsschilder im Fenster hängen, statt dass jemand einzieht, können sich die früheren Mieter nicht sicher sein, dass ihnen Schadenersatz zusteht. Sie müssen nachweisen, dass entweder nie Eigenbedarf vorlag oder dieser bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen ist.
Miet-Prozess durch alle Instanzen
So beschäftigte in Koblenz ein Streit um Schadenersatz wegen angeblich vorgetäuschten Eigenbedarfs die Justiz jahrelang. Die Mieter wollten erfahren haben, dass der Vermieter die Wohnung gar nicht für seinen Neffen brauchte, sondern sie über einen Makler zum Verkauf anbot. Zunächst hielten das Amtsgericht und das Landgericht Koblenz die Eigenbedarfskündigung trotzdem für berechtigt. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidungen jedoch auf. Die Bemühungen, die Wohnung zu verkaufen, könnten ein Indiz dafür sein, dass der Eigenbedarf vorgeschoben ist, meinten die Bundesrichter.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.06.2015
Aktenzeichen: VIII ZR 99/14
Das Landgericht Koblenz rollte den Fall daraufhin neu auf und wies die Klage auf Zahlung von ursprünglich über 25 000 Euro Schadenersatz erneut ab. Die Kläger gaben immer noch nicht auf und zogen wieder vor den Bundesgerichtshof. Die Richter in Karlsruhe hoben das Urteil erneut auf und verwiesen den Fall noch einmal zurück ans Landgericht Koblenz.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.03.2017
Aktenzeichen: VIII ZR 44/16
Die Richter in Koblenz wiesen die Klage erneut ab. Sie waren davon überzeugt: Der Vermieter hat den Eigenbedarf nicht vorgeschoben. Diesmal wurde ihr Urteil rechtskräftig. Kosten des Rechtsstreits laut Pressestelle des Gerichts: Genau 14 176,85 Euro.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 11.12.2021
Aktenzeichen: 13 S 15/17
Vertraglicher Kündigungsausschluss wirksam
Eine Eigenbedarfskündigung kann durch eine Klausel im Mietvertrag wirksam ausgeschlossen werden. So urteilte das Landgericht Aschaffenburg über einen Fall, in dem eine Klausel im Mietvertrag die Eigenbedarfskündigung ausschloss und die Vermieterin trotzdem kündigte: Die Mietvertragsklausel sei wirksam. Bei Mietverhältnissen auf unbestimmte Zeit stehe es den Vertragsparteien frei, einen Kündigungsausschluss zugunsten des Mieters zu vereinbaren.
Landgericht Aschaffenburg, Urteil vom 11.01.2018
Aktenzeichen: 22 S 116/17
Der Vermieter kann laut Paragraf 573 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. In welchen Fällen das vorliegen kann, ist gesetzlich geregelt. Beispielsweise dann, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, für Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts braucht. Eine abweichende Regelung zum Nachteil des Mieters ist nicht rechtswirksam. Umgekehrt – zum Vorteil des Mieters – können beide Vertragsparteien einen weitergehenden Ausschluss vereinbaren.
Tipp: Wollen Mieter und Vermieter einen Verzicht auf eine Eigenbedarfskündigung wirksam vereinbaren, müssen sie die Schriftform wahren. Am besten schreiben sie den Verzicht direkt in den Mietvertrag. Treffen sie die Vereinbarung dagegen auf einem gesonderten Schriftstück, müssen sie die Zusammengehörigkeit der beiden Schriftstücke zweifelsfrei kenntlich machen.
Ist die Eigenbedarfskündigung wirksam ausgeschlossen, gilt das nach Verkauf der Immobilie auch dem neuen Eigentümer gegenüber.
Das sollten Mieter und Vermieter beachten
Tipps für Mieter
Rechtsberatung. Verhandeln Sie besser nicht selbst mit dem Vermieter, wenn er Ihnen die Kündigung schickt und Sie denken, dass Sie etwa wegen Alter oder Krankheit nicht ausziehen müssen. Lassen Sie sich unbedingt sofort vom Mieterverein oder einem auf Mietrecht spezialisierten Anwalt beraten.
Widerspruch. Den Widerspruch müssen Sie schriftlich und spätestens zwei Monate vor Ende der Kündigungsfrist erklären. Sie sollen ihn begründen, wenn der Vermieter Sie dazu auffordert. Bleibt der Vermieter bei der Kündigung, muss er gegen Sie Räumungsklage erheben. Das Gericht wägt dann seine und Ihre Interessen ab.
Schadenersatz. Wenn Sie aufgrund der Kündigung ausziehen und feststellen, dass der Vermieter die Wohnung danach nicht wie angekündigt nutzt, könnte er den Eigenbedarf vorgetäuscht haben. Lassen Sie sich von einem Mietrechtsanwalt oder dem Mieterverein rechtlich beraten. Möglicherweise haben Sie eine Chance auf Schadenersatz.
Tipps für Vermieter
Bedarf. Das Gesetz ist klar: Wenn Sie, Ihre Familie oder nahe Verwandte Ihre Wohnung brauchen, dürfen Sie den Mietern kündigen. Sie müssen den Grund nachvollziehbar darstellen, alle Details sind nicht nötig.
Frist. Leben Ihre Mieter seit bis zu fünf Jahren in der Wohnung, haben sie drei Monate Zeit zum Ausziehen. Bei bis zu acht Jahren verlängert sich die Frist auf sechs, nach noch längerer Miete auf neun Monate.
Sperre. Sind Ihre Mieter schon in die Wohnung eingezogen, bevor sie in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde, dürfen sie nach dem Verkauf noch drei Jahre, in Gegenden mit Wohnungsmangel zehn Jahre dort bleiben. Erst dann sind Sie zur Eigenbedarfskündigung berechtigt.
Wegfall. Fällt der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist wieder weg, weil Sie oder Ihre Verwandten doch in eine andere Wohnung ziehen, müssen Sie Ihre Mieter informieren und ihnen anbieten, in der Wohnung zu bleiben. Sie müssen sonst Schadenersatz zahlen.
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Mieterhöhung Was zulässig ist und was nicht
- Bis zu 20 Prozent Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren sind zulässig. Obergrenze ist die Vergleichsmiete. Häufig machen Vermietern Fehler, Mieter können sich wehren.
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FAQ Schimmel vorbeugen So vermeiden Sie Schimmel in Ihren Räumen
- Die Experten der Stiftung Warentest beantworten die wichtigsten Fragen zur Schimmelvorbeugung, zu besonders gefährdeten Räumen und zu hilfreichen Baumaßnahmen.
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Mietrecht Gegenstände im Hausflur – was erlaubt ist
- Stiefel auf der Fußmatte, Blumen im Treppenhaus. In der Hausgemeinschaft sorgt das oft für Streit. Hier lesen Sie, was erlaubt ist – und was Sie lieber bleiben lassen.
18 Kommentare Diskutieren Sie mit
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Ob und wie viel Miete Verwandte zahlen, zu dessen Gunsten der Vermieter einem anderen Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt hat, spielt für die Berechtigung der Kündigung keine Rolle. Auch für die Höhe der Miete gibt es jenseits der allgemeinen Regeln und insbesondere der Mietpreisbremse --> www.test.de/mietebremsen keine besonderen Vorschriften für zwischen Verwandten abgeschlossene Mietverträgen.
Mir ist leider unklar geblieben, ob eine Kündigung auf Eigenbedarf für Verwandte (hier Kinder) auch erlaubt Miete zu erheben. Oder bedarf es einer Kündigung zum Eigenbedarf nur zu dem Zweck Verwandte kostenfrei wohnen zulassen? Zusätzlich frage ich mich, wenn die Erhebung von Miete erlaubt ist, ob es in dem Zuge auch möglich ist die Miete zu erhöhen?
Bitte um Verständnis: Rechtsberatung im Einzelfall ist von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Mietervereinen vorbehalten. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Mit der Frage, wie sich nach einer rechtmäßigen Eigenbedarskündigung für die - aktuell ja je nach Wohnort sehr schwierige - Wohnungssuche gewinnen lässt, haben wir uns bisher genau so wenig befasst, wie mit Optionen für Vermieter, den Auszug rechtmäßig gekündigter Mieter zu beschleunigen. Sie sollten sich unbedingt vor Ort beraten lassen; ich vermute, dass die Amtsgerichte und die mit Vollstreckung betrauten Gerichtsvollzieher durchaus unterschiedlich schnell verfahren. Auf jeden Fall zu berücksichtigen: Wenn Mieter nach rechtmäßiger Kündigung die Pflicht zum rechtzeitigen Auszug verletzen, kann das viel Geld kosten; sie können den Menschen, zu deren Gunsten der Vermieter Ihnen gekündigt hat, zum Schadenersatz verpflichtet sein. Umgekehrt können Mieter bereits im Streit um die Räumungsklage beantragen, ihnen eine angemessene Frist für den Auszug einzuräumen (https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__721.html). Die Frist kann das zuständige Gericht auch nachträglich noch verlängern. Selbst nach Ablauf der Räumungsfrist ist unter besonderen Umständen noch eine Antrag auf Vollstreckungsschutz möglich (https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__765a.html).
Macht es Sinn Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung einzulegen, bei geringer Chance die Räumungsklage zu gewinnen?
Unser aktuelles Problem ist, adäquaten Ersatz-Wohnraum für eine Doppelhaushälfte mit Garten in 3 Monaten Kündigungsfrist zu finden. Die Frage ist also, wie gewinnt man die meiste Zeit zum Suchen.
Welche Folgen und Chancen hat eine Räumungsklage nach Widerruf der Kündigung ggü. einer Räumungsklage ohne Widerruf nach Ablauf der Kündigungsfrist?
Was sind die Unterschiede? Welche Option bietet die besseren Chancen auf Verlängerung des Suchzeitraumes und sind die Kostenrisiken vergleichbar.
Gefühlter Nachteil des Widerspruches ist doch die wahrscheinlich 2 Monate frühere Räumungsklage der Vermieter.
Vielen Dank schon mal für die Differenzierung (Beratung mehrerer Anwälte hat bisher keine nachvollziehbare Klärung gebracht... die einen Raten alternativlos zu chancenlosen Widerspruch, die andere raten davon ab)!
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