
Ebay-Verkäufer sind von Anfang an in der Pflicht. Wer ein Angebot vorzeitig abbricht, muss die Ware für den bei Abbruch gebotenen Betrag liefern oder Schadenersatz zahlen. Nur mit gutem Grund darf ein Verkäufer seine Auktion stoppen. test.de schildert aktuelle Urteile, gibt Tipps und sagt, was Bietern zusteht und aus welchen Gründen Verkäufer eine Auktion abbrechen dürfen.
Verurteilungen zu Schadenersatz
Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Bis zwölf Stunden vor Ende einer Ebay-Auktion kann der Verkäufer sie ohne weiteres beenden. Das ist Unsinn, erfahren manche Ebay-Verkäufer erst vor Gericht.
Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs: Grundlegend urteilten die obersten deutschen Zivilrichter in Karlsruhe bereits im Juni 2011 über den Abbruch von Ebay-Auktionen. Ihre Ansagen: Der Kaufvertrag über die angebotene Ware komme nicht erst zustande, wenn die Auktion am vorgesehenen Termin endet. Schon das Einstellen des Angebots sei verbindlich, urteilten die obersten deutschen Zivilrichter in Karlsruhe. Der Vertrag kommt mit dem bei Auktionsende Höchstbietenden zustande. Das gilt auch bei vorzeitigem Abbruch der Auktion, sofern der Anbieter dazu nicht berechtigt ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2011
Aktenzeichen: VIII ZR 305/10
Jüngstes Urteil des Bundesgerichtshofs: Ein Ebay-Nutzer bot zuletzt 201 Euro auf einen Satz Räder für einen Audi A6 mit Pirelli-Reifen im Wert von mindestens rund 1 700 Euro. Der Anbieter brach die Auktion ab. Angeblich sei ihm der Radsatz gestohlen worden. Den Beweis blieb er schuldig, nachdem er parallel einen zweiten solchen Radsatz bei Ebay angeboten hatte. Auch sein Einwand, der Bieter sei Profi-Abbruchjäger und handele rechtsmissbräuchlich, lief ins Leere, obwohl der Bieter tatsächlich in vergleichbarer Konstellation rund 14 000 Gebote über insgesamt rund 52 Millionen Euro abgegeben und in rund 100 Fällen nach Abbruch der jeweiligen Auktion Schadenersatz forderte. Schnäppchenjagd sei kein Rechtsmissbrauch, erklärte der Bundesgerichtshof in letzter Instanz.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.05.2019
Aktenzeichen: VIII ZR 182/17
Weitere typische Fälle:
Der Verkäufer bot einen historischen Heizkörper aus Gusseisen an. Startpreis: 1 Euro. Der Kläger bot 500 Euro. Die Auktion stand bei 112 Euro, als der Verkäufer sie abbrach. Begründung: Er habe gerade erst bemerkt, dass der Heizkörper defekt ist. Der Bieter forderte erst Lieferung und später 3 888 Euro Schadenersatz und klagte. Amts- und Landgericht wiesen die Klage ab. Der Verkäufer sei unabhängig vom Defekt der Ware berechtigt gewesen, die Gebote des Klägers zu streichen, nachdem dieser in zahlreichen Fällen seinerseits Gebote zurückgenommen hatte. Falsch, urteilte der Bundesgerichtshof. Ein möglicher Verdacht, es handele sich um einen unseriösen Bieter, rechtfertige die Streichung der Angebote nicht. Der Verkäufer muss Schadenersatz zahlen, wenn er nicht noch nachweisen kann, dass der Heizkörper nach Auktionsbeginn unbrauchbar wurde, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2015
Aktenzeichen: VIII ZR 284/14
Ein Mann aus Hamm in Westfalen bot per Ebay-Auktion einen kompletten Motor samt Getriebe- und Anbauteilen für einen Golf V GTI an. Später überlegte er es sich dann doch wieder anders und brach die Auktion ab. Da lag das Höchstgebot bei 201 Euro. Der Bieter verlangte Lieferung. Als der Verkäufer sich weigerte, zog er vor Gericht und forderte Schadenersatz wegen Nichterfüllung: 3 000 Euro für Wert des Motors abzüglich 201 Euro Höchstgebot bei Auktionsende. Das Amtsgericht Hamm entschied: Dem Kläger steht Schadenersatz zu. Der Verkäufer durfte sein Angebot nicht einfach wieder zurückziehen.
Amtsgericht Hamm, Urteil vom 14.09.2011
Aktenzeichen: 17 C 157/11
Seinen alten Wagen wollte ein Mann aus dem Sauerland loswerden. Er bot den Wagen bei mobile.de und bei Ebay gleichzeitig an. Als sich über das Spezialportal für Gebrauchtwagen für 750 Euro einen Käufer fand, brach er die der Ebay-Auktion zehn Minuten vor Ende bei einem Stand von 605,99 Euro ab. Wiederum verlangte der Höchstbietende Lieferung und verurteilte das Gericht den Ebay-Anbieter schließlich zu Schadenersatz.
Amtsgericht Menden, Urteil vom 24.08.2011
Aktenzeichen: 4 C 390/10
Abbruch nur bei wichtigem Grund
Ebay-Angebote sind von Beginn einer Auktion an verbindlich, erklären Richter Ebay-Verkäufern immer wieder. Nur aus folgenden Gründen dürfen sie einmal eingestellte Angebote wieder stoppen:
- Irrtum über für das Angebot wesentliche Dinge (Beispiel: Das Ölgemälde entpuppt sich als echter Rembrandt, der vermeintlich echte Schmuck als billiger Tand oder der voll funktionsfähige Fernseher als unbrauchbarer Elektro-Schrott, ferner: Tippfehler beim Festlegen des Mindestpreises.)
- Bei nachträglicher Entdeckung von erheblich Mängeln.
- Verlust oder Zerstörung der angebotenen Ware
Stets gilt: Ebay-Verkäufer müssen ihr Angebot sofort stoppen, wenn Sie einen Irrtum bemerken oder vom Verlust erfahren. Sie müssen den Höchst-Bieter und, wenn dieser klagt, das Gericht davon überzeugen, dass sie berechtigt waren, das Angebot zu stoppen und dafür im Zweifel auch Beweise liefern.
Tipps
Für Ebay-Verkäufer. Wichtigster Ratschlag : Legen Sie zumindest bei Angeboten hochwertiger Ware unbedingt einen angemessenen Mindestpreis fest. Wenn Sie darauf verzichten, müssen sie zum Höchstgebot bei Auktionsende liefern, auch wenn es weit hinter dem Wert ihres Angebot zurückbleibt. Einzige Ausnahme: Sie sind ausnahmsweise berechtigt, ihr Angebot zu stoppen.
Für Ebay-Käufer. Wenn Sie sich um ein Schnäppchen betrogen fühlen, weil Sie bei Auktionsabbruch Höchstbieter waren, lohnt sich oft, vom Verkäufer Lieferung zu fordern. Der Verkäufer muss nachweisen, dass er berechtigt war, sein Angebot zu stoppen.
Abbruchjäger. Wer nur bietet, um bei Abbruch der Auktion Schadenersatz zu fordern, handelt rechtsmissbräuchlich und geht vor Gericht leer aus. Aber Achtung: Die Hürden sind hoch. Die Schnäppchenjagd ist – auch systematisch und in großem Umfang – zulässig.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.08.2016
Aktenzeichen: VIII ZR 182/15
Weitere Urteile rund um den Abbruch von Ebay-Auktionen
- Ein Verkäufer eines gebrauchten BMW musste sein Auto im Wert von mindestens 12 000 Euro nicht für 1 Euro herausgeben. Der Handel fand auf der Auktionsplattform Ebay statt. In dem Text zu dem Auto stand versehentlich „Preis 1 Euro“, damit war aber der Startpreis einer Auktion gemeint. Laut Gericht kam kein Kaufvertrag zustande, da der Verkäufer in der Beschreibung mehrfach eine Auktion erwähnte und dem Handel sofort rechtswirksam widersprach.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.07.2020
Aktenzeichen: 2–20 O 77/18 - Ein Mann hatte einen Satz Autoreifen im Wert von 579 Euro bei Ebay angeboten. Als er einen anderen Käufer fand, brach der die Auktion ab. Der zu diesem Zeitpunkt mit einem Gebot von 1 Euro Höchstbietende forderte zunächst Lieferung und dann Schadenersatz. Das Amtsgericht Nürtingen sprach ihm 578 Euro zu.
Amtsgericht Nürtingen, Urteil vom 16.01.2012
Aktenzeichen: 11 C 1881/11 - Eine Frau aus Detmold muss ihren Wohnwagen im Wert von rund 2 000 Euro für 56 Euro an einen Ebay-Bieter liefern. Sie hatte ihn bei Ebay angeboten und die Auktion schon kurz nach dem Start abgebrochen, als ihr Lebensgefährte jenseits vom Online-Auktionshaus einen Käufer gefunden hatte.
Landgericht Detmold, Urteil vom 22.02.2012
Aktenzeichen: 10 S 163/11 - Ebay-Verkäufer dürfen ihr Angebot auch stoppen, wenn sie nachträglich erhebliche Mängel entdecken und sie daran kein Verschulden trifft. Das hat das Landgericht Bonn entschieden. Ein Mann hatte seinen alten Wagen bei Ebay angeboten. Als er ihn nach Start der Auktion erstmals von Hand wusch, entdeckte er Fehler im Lack. Es stellte sich heraus: Das Auto hatte einen Unfallschaden.
Landgericht Bonn, Urteil vom 05.06.2012
Aktenzeichen: 18 O 314/11 - Wer nach Start der Auktion bemerkt, dass er keinen Mindestpreis angegeben hat und die Ware daher mit einem Startpreis von 1 Euro bei ebay erscheint, ist nicht zur Anfechtung berechtigt und darf die Auktion nicht abbrechen. Das hat das Amtsgericht Bremen entschieden. Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum liegt nur vor, wenn der Anbieter beim Einstellen der Ware falsche Vorstellungen über den Startpreis hat. Der Verkäufer eines Iphone 3GS muss jetzt Schadenersatz wegen Nichterfüllung zahlen.
Amtsgericht Bremen, Urteil vom 05.12.2012
Aktenzeichen: 23 C 0317/12 - Ein Mann hatte einen Oldtimer-Motor im Wert von rund 5 000 Euro angeboten. Bei 1 509 Euro stoppte er die Auktion. Er sagte zunächst, er habe jenseits von Ebay einen Käufer gefunden. Später behauptete er: Er habe nach Start der Auktion erfahren, dass der Motor seine Zulassung für den Straßenverkehr verloren habe. Das Landgericht Braunschweig hielt die Klage des Höchstbieters für gerechtfertigt. Selbst wenn der Anbieter wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft zur Anfechtung berechtigt war, müsste er Schadenersatz zahlen, argumentierten die Richter dort. Er hätte die Anfechtung dem Höchstbieter gegenüber unverzüglich erklären müssen. Falsch, urteilte jetzt der BGH. Auf die Anfechtungserklärung kommt es nicht an. Der Mann durfte die Auktion schon beenden, wenn er nur zur Anfechtung berechtigt ist. Das Landgericht Braunschweig muss den Fall jetzt neu aufrollen und klären, ob der Motor-Verkäufer sich beim Start der Auktion tatsächlich im Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft befand.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.01.2014
Aktenzeichen: VIII ZR 63/13 - Stellt ein Verkäufer versehentlich etwas ohne Mindestpreis auf Ebay ein, darf er die Auktion abbrechen. Ein Mann hatte gleich nach dem Einstellen seinen Fehler bemerkt, die Auktion eines Pkw gestoppt und ihn mit Mindestpreis neu angeboten. Der Fehler berechtigt ihn, sein Angebot anzufechten. Wenn er dies durch Abbruch der Auktion sofort zum Ausdruck bringt, braucht er die Ware nicht zu liefern.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 04.11.2013
Aktenzeichen: 2 U 94/13 - Der Anbieter eines Fiat Multipla ELX 100 16V muss Schadenersatz zahlen, nachdem er die Auktion bei zögerlichem Eingang von Geboten abgebrochen hatte. Dem Gebot von 4 400,50 Euro stand ein Wert von 7 000 Euro gegenüber. Also muss der Verkäufer 2 499,50 Euro an den Bieter zahlen.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 28.07.2005
Aktenzeichen: 8 U 93/05
Dieses Special ist erstmals im Januar 2012 auf test.de erschienen und wurde seitdem regelmäßig aktualisiert, zuletzt am 10. August 2020.