
E-Scooter dürfen jetzt auch in Deutschland unterwegs sein – aber nicht auf dem Gehweg.
Seit Ende Juni sausen E-Scooter durch die Straßen. Die Polizei erwischt viele betrunkene Rollerfahrer. Sie lassen das Auto stehen, weil sie nicht ihren Führerschein riskieren wollen. Falsch gedacht: Bei E-Tretrollern gelten die Promillegrenzen wie beim Pkw. Oft ist der Führerschein weg. Hier fassen wir die Regeln für Elektroroller zusammen.
Bessere Luft durch E-Scooter?
In vielen europäischen Großstädten sind Elektro-Tretroller weitverbreitet. Gern fahren Touristen mit den kleinen Gefährten durch die Stadt. Mancherorts wie etwa in Paris regt sich Widerstand in der Bevölkerung. Wer plant, einen E-Scooter zu kaufen, sollte sicherstellen, dass das Gefährt den gültigen Anforderungen entspricht.
Tipp: Die Stiftung Warentest hat vier E-Scooter-Verleiher getestet. Was Circ, Lime, Tier und Voi taugen, zeigt unser Test E-Scooter mieten.
E-Roller, E-Scooter, Elektroroller...
Mit den Begriffen kann man schon mal durcheinanderkommen. Sowohl Elektro-Tretroller als auch Elektro-Motorroller werden oft als E-Roller abgekürzt. Auch die Bezeichnung E-Scooter findet für beide Fahrzeugtypen Verwendung. Wissenswerts zum Thema Elektro-Motorroller finden Sie in unserem Special Gewusst wie: Elektro-Motorroller mieten.
E-Roller und Alkohol - diese Promillegrenzen gelten
Viele Nutzer von E-Scootern glauben, man dürfe auch damit fahren, wenn man ein wenig über den Durst getrunken hat. So hat die Münchner Polizei in den ersten acht Wochen nach Zulassung der Roller mehr als 700 angetrunkene Fahrer erwischt, viele mit über 1,1 Promille. Dabei sind E-Scooter wegen ihres Motors Kraftfahrzeuge. Es gelten dieselben Promillegrenzen wie bei Autos. Ab 0,5 Promille setzt es 500 Euro Geldbuße, zwei Punkte und einen Monat Führerscheinentzug. Ab 1,1 Promille liegt eine Straftat vor. Kommt es zu alkoholtypischen Ausfällen, gilt das sogar schon ab etwa 0,3 Promille. Bei Radfahrern ist die Grenze höher. Erst ab 1,6 Promille liegt strafbare Trunkenheit vor. Dieselbe Grenze gilt für Elektroräder, bei denen der Motor nur läuft, wenn man in die Pedale tritt. Aber bei alkoholtypischen Ausfällen droht auch Radlern schon bei Werten darunter ein Strafverfahren.
Null Promille für Fahranfänger, auch auf dem Roller
Für Fahranfänger in der Probezeit sowie für Fahrer unter 21 Jahren besteht absolutes Alkoholverbot. Verstöße kosten 250 Euro Geldbuße. Dazu gibt es einen Punkt. Dann wird ein Aufbauseminar verhängt und die Probezeit auf vier Jahre verlängert.
Schnellcheck: Bremsen nur mittelmäßig
Die Stiftung Warentest hat Leihroller von Circ, Lime, Tier und Voi einem Schnellcheck unterzogen. Bei Huckeln oder Kopfsteinpflaster mussten wir mehrfach aus Sicherheitsgründen die Fahrt abbrechen. Einige Bremsen waren nur mittelmäßig. Ärgerlich waren saftige Minutenpreise und Rechtsverstöße im Kleingedruckten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat Verleiher wegen 85 Klauseln abgemahnt.
Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel
Die Bundesregierung verspricht sich einiges von den kleinen Flitzern: Sie hofft, dass viele Bürger erst zum Kauf und dann zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel ermutigt werden. Besonders in Innenstädten kann der Umstieg auf Elektroroller in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachhaltig zur Luftverbesserung beitragen, hofft das Bundesverkehrsministerium (BMVI).
Mitnahme in Bus und Bahn unterschiedlich
Die Roller sind klein, wendig, handlich, manche sogar zusammenklappbar. Ob sie sich auch überall noch in Bus und Bahn mitnehmen lassen werden, hängt von den regionalen Verkehrsbetrieben ab. Sie müssen jeweils ihr Einverständnis geben.
E-Roller dürfen bis zu 20 km/h fahren
E-Scooter dürfen nicht schneller als 20 km/h fahren und grundsätzlich nicht auf Gehwegen benutzt werden. Die Fahreigenschaften der Elektroroller sind ähnlich wie beim Fahrrad. Deshalb sollen für sie im Prinzip die gleichen Regelungen gelten wie für Fahrräder. Sie dürfen nur auf Radwege, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen. Sind die nicht vorhanden, dürfen sie auf die Fahrbahn, auch außerhalb geschlossener Ortschaften.
Auf kombinierten Rad- und Fußwegen müssen Scooterfahrer den Fußgängern absoluten Vorrang gewähren. Fußgänger dürfen weder behindert noch gefährdet werden. Zeichnet sich eine Gefahr ab, reicht es nicht zu klingeln. Vielmehr müssen die Fahrer schon beim Erkennen einer eventuellen Gefahrenlage sofort dafür sorgen, dass sie rechtzeitig bremsen können.
Ein Fall: Eine Segway-Fahrerin hatte einen Fußgänger gesehen, der beim Fotografieren auf dem Rad- und Fußweg rückwärts ging. Sie klingelte, aber er reagierte nicht. Beim Zusammenstoß verletzte sie sich. Ihre Forderung nach Schmerzensgeld lehnte das Oberlandesgericht Koblenz ab. Es sprach der Frau die alleinige Schuld an dem Unfall zu. Fußgänger müssen sich auf kombinierten Rad- und Fußwegen gefahrlos und ungehindert bewegen können (Az. 12 U 692/18).
Kein Helm, kein Führerschein, Mindestalter 14 Jahre
Die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h bedeutet auch, dass die Roller damit nicht in den Anwendungsbereich der Helmpflicht fallen. Angesichts der nicht gerade geringen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h empfiehlt es aber durchaus, einen Helm zu tragen. Eine Führerschein-Pflicht ist bislang nicht vorgesehen. Das Mindestalter für Fahrer beträgt 14 Jahre. Darüber hinaus muss der Roller eine Fahrzeug-Identifizierungsnummer haben. Käufer sollten auf diese Vorgaben achten.
Tipp: Drehen Sie Proberunden, zum Beispiel auf einem Parkplatz, bevor Sie sich mit einem geliehenen oder gekauften Scooter in dichten Straßenverkehr begeben. So können Sie das Lenken und Bremsen üben. Auch wenn keine Helmpflicht besteht: Tragen Sie trotzdem einen. Die Stiftung Warentest testet regelmäßig Fahrradhelme für Erwachsene und Fahrradhelme für Kinder.
Zwei Bremsen, Licht und Klingel
Das Fahrzeug muss mit zwei voneinander unabhängigen Bremsen ausgerüstet sein und ähnlich wie ein Fahrrad über eine Beleuchtung verfügen – wobei die Lampen abnehmbar sein dürfen. Damit der Fahrer im Dunkeln von der Seite besser erkennbar ist, sind gelbe Rückstrahler vorgesehen. Außerdem eine Klingel – oder alternativ ein Signal, das eindeutig warnenden Charakter hat.
Versicherung ist Pflicht
E-Roller müssen eine Versicherungsplakette tragen, sonst dürfen sie nicht auf öffentlichen Straßen benutzt werden. Die Plakette soll ähnlich aussehen wie das altbekannte Mofakennzeichen, aber deutlich kleiner. Außerdem soll sie als Aufkleber auf dem Rahmen befestigt werden können. Ein Hologramm soll für Fälschungssicherheit sorgen. Endet das Versicherungsverhältnis vorzeitig, muss der Halter die Plakette entfernen und dies dem Versicherer nachweisen.
Versicherungskosten ähnlich wie beim Mofa
Die Preise für das Versicherungskennzeichen sind unterschiedlich. Viele Versicherer unterscheiden nach dem Fahreralter: Junge Menschen unter 23 Jahren zahlen häufig mehr. Ältere Personen können einen Jahresvertrag bei einem günstigen Anbieter schon ab etwa 20 Euro bekommen. Das bezieht sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz der Kfz-Haftpflichtversicherung. Sie übernimmt Schäden, die der Fahrer anderen zufügt. Sollen auch Diebstahl oder Unfallschäden am E-Scooter selbst gedeckt sein, kann man freiwillig eine zusätzliche Kaskoversicherung abschließen.
E-Scooter nicht Bestandteil der Privathaftpflichtversicherung
Haftpflichtversicherung. Elektroroller sind nicht in der Privathaftpflicht (PHV) mitversichert. Weil sie einen Motor haben, gelten sie als Kraftfahrzeuge. Daher greift in den meisten Policen die „Benzinklausel“: Sie schließt alle Kfz, die schneller sind als 6 Kilometer pro Stunde, vom Deckungsschutz der Privathaftpflichtversicherung aus – egal ob Benzin-, Diesel- oder Elektromotor. Deshalb ist ein eigenes Versicherungskennzeichen vorgeschrieben, das Kfz-Haftpflichtschutz bietet.
Fahren im Ausland. Wichtig ist das vor allem im Ausland. Zwar greifen die meisten PHV-Policen weltweit (Vergleich Haftpflichtversicherung), ebenso jedoch die Benzinklausel. Wer kurz entschlossen zum Beispiel vorm Hotel in Thailand am E-Scooter-Stand als Urlaubsspaß einen Roller mietet, geht ein unkalkulierbares Risiko ein. Fragen Sie vorher zumindest, ob der Verleiher auch Versicherungsschutz anbietet, zu welchen Konditionen und mit welchen Deckungssummen?
Elektrofahrräder. Anders ist das bei E-Bikes. Viele PHV-Anbieter versichern sie wie herkömmliche Fahrräder. Das gilt aber nur, solange der Motor lediglich bis zu maximal 25 km/h mitarbeitet. Dieser Deckungsschutz greift in Deutschland wie auch im Ausland.
In der Diskussion: Freigabe der Einbahnstraßen für Roller
In einer begleitenden Entschließung hat sich der Bundesrat dafür ausgesprochen, dass E-Scooter Einbahnstraßen auch entgegen der Fahrtrichtung nutzen dürfen, wenn dies auch für Fahrräder erlaubt ist. Bundesverkehrsminister Scheuer zeigte sich offen, auch Busspuren für E-Tretroller zu öffnen. Diese Vorhaben sind jedoch noch in der Planungsphase und werden von Experten kontrovers diskutiert.
Elektroroller können gefährlich werden
Professor Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) hat bereits dafür plädiert, Radwege so zu gestalten, dass alle, die sie nutzen, sicher ankommen. Konkret bedeute das, sie in der Breite den neuen Anforderungen anzupassen. Ganz ungefährlich sind die Roller nicht, wie Erfahrungen aus Wien zeigen. Bei einer Umfrage des dortigen Kuratoriums für Verkehrssicherheit gaben 16 Prozent der E-Scooter-Nutzer an, schon einmal eine Situation erlebt zu haben, in der der Roller für sie nicht kontrollierbar war. 6 Prozent der Nutzer hatten bereits einen Unfall. 20 Prozent gaben an, schon einmal einen Beinahe-Unfall erlebt zu haben. Hauptgefahren waren Kollisionen mit Gehsteigkanten, Abbiegeunfälle, Spurrillen – und dass andere Verkehrsteilnehmer die E-Roller schlicht übersehen hatten.
Dennoch gab es weniger Unfälle als gedacht. Aus diesem Grund haben einige Versicherer, wie beispielsweise die Allianz oder die DEVK zum 1. März 2020 auch ihre Beitragssätze gesenkt.
Unfallchirurgen warnen vor Verletzungsrisiko
Vor einem erhöhten Verletzungsrisiko durch E-Tretroller im Stadtverkehr warnen Gesundheitsexperten. Gegenüber der Osnabrücker Zeitung sagte der Leiter der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGU), Christopher Spering, die E-Scooter seien hochgefährlich, weil sich andere Verkehrsteilnehmer nur extrem schwer auf sie einstellen könnten. Fahrer seien so schnell wie mit dem Fahrrad unterwegs, jedoch völlig ungeschützt. Bei Stürzen verfinge sich ein Fuß schnell unter dem Trittbrett.
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Dieses Special ist erstmals am 7. März 2019 auf test.de erschienen. Es wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 9. März 2020.