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Tempo 25 mit dem E-Bike ist nicht schnell genug? Im Internet gibt es Tuning-Sets. Was viele nicht wissen: Wer diese Technik nutzt, riskiert den finanziellen Ruin.
Tuning-Technik ist schnell montiert
Ein Pedelec zu frisieren ist kinderleicht: Eine kleine Box, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, wird einfach auf den Geschwindigkeitssensor an der Kettenstrebe gesteckt. Alternativ gibt es so genannte Dongles. Hier wird ein winziges Kabel-Kit mit einem Klinkenanschluss an den Geschwindigkeitssensor angeschlossen, an den Anschluss kommt dann der Dongle.
Das Ganze schafft auch ein Laie innerhalb von zehn Minuten. Anschließend verschiebt man noch ein wenig den Speichenmagneten – schon ist das Tuning komplett. Der Dongle kann jederzeit einfach wieder abgezogen werden.
Aktueller E-Bike-Test der Stiftung Warentest
- E-Bikes im Test.
- Auch ganz ohne Tuning mit viel Power ausgestattet sind die SUV-E-Bikes im Test der Stiftung Warentest. In unserer Datenbank finden Sie Testergebnisse für neun solcher Modelle. Außerdem ein PDF-Download der Testergebnisse von Komfort-Pedelecs (test 6/2020) und von E-Trekkingrädern (test 6/2018).
Tempo auf dem Tacho wird halbiert
Angeboten werden diese Tuninggeräte in erster Linie für Elektrofahrräder, bei denen die Motorunterstützung bis Tempo 25 reicht, so genannte Pedelecs. Danach schaltet der Motor aus. Wer schneller fahren will, kann das nur mit reiner Muskelkraft oder bergab.
Die Tuninggeräte gaukeln der Elektronik des Pedelecs dann vor, es werde nur halb so schnell bewegt. Ab etwa 16 oder 18 km/h – je nach Radumfang – zeigt der Tacho nur noch den halben Wert an. Der Motor arbeitet dann wie gewohnt weiter, bis 25 km/h auf dem Tacho stehen. Tatsächlich fährt das Rad dann aber schon Tempo 50. Geübte Radler können auf diese Weise eine Dauergeschwindigkeit von 35 bis 40 Stundenkilometern erreichen.
Aus dem Fahrrad wird ein Kraftfahrzeug
Doch wer sein Elektrorad auf dieses Weise verändert, geht volles Risiko – nicht nur, weil die Unfallgefahr steigt. Viel schlimmer ist, das damit aus einem Pedelec, das laut Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung als normales Fahrrad gilt, mit dem Tuning ein Kraftfahrzeug wird. Weil die Motorunterstützung über die 25 km/h-Grenze hinausgeht, verlangt das Pflichtversicherungsgesetz eine spezielle Haftpflichtversicherung – wie das Mofa-Versicherungskennzeichen.
Ein Verstoß gegen diese Vorschrift ist eine Straftat. Es drohen hohe Geldstrafen oder sechs Monate Gefängnis. Außerdem kann das Fahrrad eingezogen werden. Und: Für Krafträder mit diesen Geschwindigkeiten gilt die bußgeldbewehrte Helmpflicht.
Die Haftpflichtversicherung zahlt nicht
Am gefährlichsten ist der fehlende Versicherungsschutz. Handelsübliche Pedelecs sind in vielen Privathaftpflichtversicherungen automatisch mitversichert (zum Vergleich Haftpflichtversicherung und zum Vergleich von E-Bike-Versicherungen). Beim Tuning gilt das aber nicht, da das getunte Elektrofahrrad ein Kraftfahrzeug ist. Und für Kraftfahrzeuge sehen Privathaftpflichtpolicen ausdrücklich eine Ausschlussklausel vor. Sie sind nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Wer tunt, riskiert deshalb finanziell Kopf und Kragen: Passiert mit dem getunten Rad ein Unfall, können die Opfer all ihre Schäden direkt beim Fahrer geltend machen. Bei Personenschäden oder schweren Sachschäden können das Millionen sein. Schlagartig ist dann die finanzielle Existenz für immer zerstört.
Polizei sensibilisiert fürs Tunen
Es ist auch nicht mehr so, dass Tuning die Ausnahme ist und kaum entdeckt wird. Mittlerweile dürfte fast jeder Privathaftpflichtversicherer nach einem Unfall prüfen, ob das Rad frisiert war – weil er dann nicht zahlen muss. Auch die Polizei wird zunehmend für das Thema sensibilisiert. Selbst wenn das Tuninggerät äußerlich nicht sichtbar im Motorgehäuse verbaut ist, gibt es Anzeichen fürs Tunen – und das betrifft nicht nur die hohe Geschwindigkeit.
Sogar wenn der Fahrer es schafft, vor einer Polizeikontrolle noch schnell den Chip abzuziehen, muss er sich dafür bücken. Sehen die Polizisten das, liegt der Verdacht auf Tuning nahe. Eine Untersuchung des Rades bringt den Sachverhalt dann schnell zutage. Denn die Elektronik des Fahrrads speichert die Daten wie ein Fahrtenschreiber. Schon das hinterlegte Durchschnittstempo kann Tuner entlarven.
Rahmen, Gabel, Lenker können brechen
Gefährlich ist das Ganze schließlich auch, weil die Räder eines klassischen Pedelecs für so hohe Geschwindigkeiten nicht ausgelegt sind. Das betrifft nicht nur die Bremsen, sondern vor allem Rahmen, Gabel, Lenker. Sie halten der Dauerbelastung, die weit höher ist als bei der Konstruktion geplant, nicht immer stand und brechen.
Dann sind schwere Verletzungen kaum zu vermeiden. Dass mit dem Tuning sämtliche Gewährleistungs- und Garantieansprüche verloren gehen, liegt auf der Hand.
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Kommentarliste
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Das die Haftpflicht nicht zahlt ist wohl das entscheidende. Der Wegfalll der Garantie fällt demgegenüber kaum ins Gewicht. Ein Verlust von 3-4000 Euro für das E-Bike mag zwar schmerzlich sein, dadurch kommt jedoch keiner in den finanziellen Ruin. Anders ist es wenn man einen Unfall baut und das Opfer lebenslange Schäden davon trägt...
Erwähnenswert ist auch, dass durch Tuning Maßnahmen die Garantie erlischt und auch dann hohen finanzielle Folgekosten entstehen können. Selber hatte ich 2 mal einen Motoraustausch bei meinem KTM mit Boschmotor! Einmal auf Garantie einmal auf Kulanz! Manipulationen sind immer nachvollziehbar und führen zum Garantie/Kulanzverlust
Was es für Autos gibt gibts auch fürs Fahrrad - wie beim Auto ist der Umbau schwer zu erkennen -und
beim gebrauchten Rad kann der erhöhte verschliess ein böse Überrachung sein !
Die " Polizei ist sensibilisiert aufs Tunen " das liest sich gut aber bring bei beiden in Praxis nix .