Reklamieren oder wegwerfen?
Der Dioxin-Skandal verunsichert Verbraucher. Was tun, wenn im Kühlschrank noch viele Eier lagern und im Tiefkühlschrank eine Pute liegt? Dürfen Verbraucher die Ware zum Händler zurück bringen und reklamieren, weil sie sich vor Gesundheitsgefährdungen fürchten oder müssen sie die Ware ohne Ersatz wegwerfen? test.de informiert.
Kaufrecht: Reklamieren nur bei tatsächlichem Mangel
Der Wortlaut der Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch erscheint zunächst eindeutig: Grundsätzlich haben Kunden das Recht zum Reklamieren nur, wenn ihre Ware tatsächlich einen Mangel hat. Das heißt: Die Eier einer Packung müssten tatsächlich mit Dioxin verseucht sein, damit Kunden sie zurückgeben und im Gegenzug zum Beispiel Bio-Eier fordern können. Doch die Verseuchung ist einem Ei oder einem Suppenhuhn nicht anzusehen und ist nur mit teuren Analysen zu ermitteln.
Hilfreich: Rechtssprechung des BGH
Hilfreich für besorgte Verbraucher kann aber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) sein. Der hat bereits im Jahr 1969 geurteilt, dass schon der Verdacht auf eine Gesundheitsgefährdung ausreichen kann, damit eine Ware als „mangelhaft“ im Rechtssinn gilt und Kunden reklamieren können. Entschieden hatte der BGH das im Fall von argentinischem Hasenfleisch, bei dem die Behörden in Teilen einer Großlieferung Salmonellen festgestellt hatten. Ein Kunde hatte deshalb seine Bestellung reklamiert und am Ende Recht bekommen – obwohl sich sein Hasenfleisch später sogar als unbedenklich herausstellte. Bereits weil der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung nahe lag und der Kunde das Fleisch nur mit unzumutbar hohem Aufwand hätte überprüfen können, durfte er es reklamieren (Az. VIII ZR 176/66).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.04.1969
Aktenzeichen: VIII ZR 176/66
[Update 13.10.2017] Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2014 bestätigt. Da ging um womöglich mit Dioxin belastetes Hühnerfutter.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.10.2014
Aktenzeichen: VIII ZR 195/13
Der Haken an den eigentlich eindeutigen Urteilen: Es ging jeweils um Zwischenhändler. Ob sich die Rechtsprechung auf Endverbraucher übertragen lässt, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen. test.de meint: Auch für Verbraucher muss gelten: Womöglich gesundheitsschädliche Produkte sind nicht brauchbar. Deshalb muss auch Verbraucher das Recht haben, entweder Nachlieferung zu fordern oder zurückzutreten. So sah es etwa auch das Oberlandesgericht München im Streit um ein womöglich mit gesundheitsschädlichen Altlasten verseuchtes Grundstück.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 21.04.1994
Aktenzeichen: 32 U 2088/94[Ende Update]
Tipp: Kunden sollten zu ihrem Händler gehen und reklamieren, wenn sie möglicherweise belastete Lebensmitteln gekauft haben. Ein Verweis auf die Gerichtsentscheidungen zum Thema kann helfen, zumindest eine Rücknahme aus Kulanz zu erreichen. Allemal erfolgversprechend sollte das bei Eiern aus Betrieben sein, vor denen die Behörden bereits gewarnt haben.