
Wer digitales Fernsehen möchte, wird geknebelt und gefesselt: Er braucht zusätzliche Geräte, muss seine Adresse offenbaren und soll für Sender zahlen, die bisher kostenlos waren. test.de fragt Michael Bobrowski, TV-Experte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, wie sich Zuschauer wehren können.
Gängelung der Zuschauer
test.de: Der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Deutsche Mieterbund und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen haben ein Positionspapier für verbraucherfreundliches Digitalfernsehen formuliert. Was kritisieren Sie am jetzigen Zustand?
Bobrowski: Wir lehnen die kostenträchtige Verschlüsselung (sogenannte Grundverschlüsselung) frei empfangbarer digitaler Vollprogramme ab - wie sie zum Beispiel von Kabel Deutschland, Telecolumbus und Unitymedia praktiziert wird. Diese Anbieter nutzen den technischen Fortschritt, den Wechsel von der Analog- zur Digitalübertragung, um neue Geschäftsmodelle und zusätzliche Einnahmen durchzusetzen. Kritisch sehen wir auch den restriktiven Kopierschutz. Manche Sendungen lassen sich im HD-Format überhaupt nicht aufzeichnen, bei anderen lässt sich Werbung nicht überspringen. Diese Nutzungseinschränkungen beim Empfang hochauflösender privater free-TV Programme gängeln den Zuschauer erheblich.
test.de: Benötigen Zuschauer zusätzliche Geräte für den Empfang dieser Programme?
Bobrowski: Ja. Bei der Grundverschlüsselung kommen noch anbieterspezifische Verschlüsselungstechniken und Schnittstellenspezifikationen hinzu. Dies zwingt Verbraucher zum Kauf eines zertifizierten Zusatzempfängers mit Smart-Card des jeweiligen Satelliten- oder Kabelnetzbetreibers. Bereits vorhandene eingebaute Empfänger werden dadurch nutzlos. Ein absurdes Beispiel: Kabelkunden, die von Berlin nach Köln umziehen, müssen sich wegen der anbieterspezifischen Verschlüsselungstechnik neue Empfänger kaufen.
test.de: Wer ist betroffen?
Bobrowski: Dieser verbraucherunfreundliche Anbieterpolitik betrifft sowohl Haushalte mit Satellitenschüssel auf dem Dach als auch Kunden von Kabel Deutschland, Telecolumbus und Unitymedia. Diese Netzbetreiber praktizieren die Grundverschlüsselung und setzen restriktive Rechtemanagementverfahren ein. Ebenso betroffen sind aber auch diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die das IPTV- Angebot zum Beispiel der Deutschen Telekom oder Alice nutzen.
Free-TV bleibt kostenlos
test.de: Sollen denn alle TV-Programme kostenlos sein?
Bobrowski: Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert nicht, dass jeglicher Rundfunkempfang unentgeltlich sein muss. Pay-TV zum Beispiel wird kostenpflichtig bleiben. Doch die werbefinanzierten Vollprogramme von RTL und Co müssen auch in Zukunft in ihrer digitalen Variante ohne Zusatzentgelt empfangbar bleiben. Anderenfalls zahlen die Zuschauer für denselben Inhalt doppelt und dreifach: Nämlich in Form der Produktpreise, den unter Umständen mehrfach notwendigen Empfangsgeräten und der Rundfunkgebühren – von denen im Übrigen auch die Landesmedienanstalten als Aufsichtsorgane des privaten Rundfunks finanziert werden. Auch die künftigen „Service-Entgelte“ der Satellitenbetreiber und Kabelanbieter sollten nicht vergessen werden.
test.de: Haben denn die Sendeanstalten nicht den Wunsch, eine hohe Einschaltquote und viele Haushalte zu erreichen?
Bobrowski: Selbstverständlich, das ändert sich auch in der digitalen Welt nicht. Nur suchen private Rundfunkanbieter angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Youtube und Co. neue Einnahmequellen. Die Kabelnetzbetreiber wiederum versuchen, mittels adressierbarer Endgeräte und kostenträchtiger Verschlüsselung zusätzliche Einnahmen zu generieren. Darüber hinaus wollen sie ihre Kunden mittels „personalisierter“ Werbung mit neuartigen Angeboten beglücken. Gleichzeitig bitten sie die Sender über sogenannte Einspeiseentgelte zur Kasse. Entweder die Sender zahlen, oder die Kabelbetreiber übertragen die Programme nicht über ihr Kabel. Die Zuschauer werden letztlich als Geiseln genommen, um die wirtschaftlichen Interessen der Kabelbetreiber durchzusetzen.
test.de: Warum werden noch nicht alle verfügbaren HD-Sender ins Kabel eingespeist?
Bobrowski: Ausschlaggebend ist die Geschäftspolitik der Kabelnetzbetreiber. Zum Vergleich: Kabel BW überträgt acht HD-Sender ohne zusätzliche Kosten. Kabel Deutschland und Telecolumbus dagegen nur drei und Unitymedia vier. Das gilt zumindest in vollausgebauten Netzen. In weniger modernen Kabelnetzen ist das Angebot oft noch geringer.
Wege des Protests
test.de: Welche Optionen haben Kunden, die mit Ihrem Kabelanbieter unzufrieden sind?
Bobrowski: Kabelkunden können sich mit ihrer Kritik an den betreffenden Anbieter oder an die örtliche Verbraucherzentrale wenden. Sie können auch den Abgeordneten ihres Wahlkreises auffordern, Druck auf die für Rundfunkpolitik verantwortlichen Länderregierungen auszuüben. Gleiches gilt für Satellitenkunden, die mit ihrem digitalen Fernsehangebot unzufrieden sind. Bei rein technischen Funktionsproblemen ist dagegen der jeweilige Störungsdienst der richtige Ansprechpartner.
test.de: Und wie sieht es mit dem Protest durch Anbieterwechsel aus?
Bobrowski: Mieter, die ihren Kabelanschluss über die Nebenkosten bezahlen, kommen in der Regel gar nicht vom Kabelanschluss weg. Sie haben lediglich eine Chance, wenn die Vertragsbindungszeit aus dem sogenannten „Gestattungsvertrag“, den der Hausbesitzer mit dem Kabelnetzbetreiber geschlossen hat, abgelaufen ist und nicht erneuert wird. Der Mieter kann sich dann entweder für einen eigenen Kabelnutzungsvertrag entscheiden - sofern ihm der örtliche Kabelbetreiber einen solchen anbietet. Ansonsten sind DVB-T, IPTV oder Satellitenempfang, sofern mietrechtlich möglich, weitere Varianten einer individuellen Rundfunkversorgung.
test.de: Was fordern Sie im Namen aller Fernsehzuschauer?
Bobrowski: Der Verbraucherzentrale Bundesverband wünscht sich für free-TV Programme in erster Linie einen unverschlüsselten Empfang ohne zusätzliche Kosten. Eine Zwangsadressierung, wie sie beim IPTV sogar systembedingt besteht, lehnen wir ab. Das wäre das Ende des bisher weitgehend anonymen free-TV Fernsehempfangs. Darüber hinaus wünschen wir uns ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges, informatives und unterhaltsames Fernsehprogramm, das sein Geld wert ist.
Das Interview stammt aus dem Oktober 2010.
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Wünschenswert wäre die Darstellung und Aktualisierung all Ihrer Informationsabschnitte in einer gemeinsamen pdf-Datei, die auch sogar die Tabellen seitengerecht darstellen würde.
M.E. wäre das ein Werk, welches ARD & ZDF sponsern sollten.
Nach langem Suchen und vielen falschen Auskünften in Fachmärkten habe ich nun doch einen guten Tip von einem Fachhändler bekommen. Es gibt einen Digitalreceiver mit eingebautem UHF-Modulator, bei dem man das alte Fernsehgerät ohne Scartanschluss per Koaxialkabel verbinden kann: Strong SRT 6205.
Und es funktioniert auch. Das alte Gerät kann weiterhin seinen Dienst als Zweitfernsehgerät tun.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Technisat Digitenne TT1 (mit Verstärker) war Testsieger und bietet auch unter schwierigsten Bedingungen guten Empfang. Das schwarze Drahtgeflecht sieht zwar nicht toll aus, aber es hilft enorm. (Ich habe viele Antennen selbst getestet und kenne die einschlägigen Tests)
Die TechniSat Super DigiTenne ist optisch als Flachantenne schöner und fast gleichwertig. Ich benutze sie in Köln für unseren 2. FS . Bildlich kaum ein Unterschied zu digital über Kabel bei 32 Zoll FS-Geräten.
Beide Antennnen kosten je rd. 25 Euro.
Digital ungleich gutes Bild - Beweis: DVB-T.
Man sieht ständig Klötzchen und das sogenannte Moskitorauschen, sobald die Bildabfolge komplexer wird. Und das auch bei perfekter Empfangsqualität.
Die Werbung und auch dieser Artikel suggerieren immer wieder, auch DVB-T hätte eine "digitale" Bildqualität zu bieten.
Spätestens im Vergleich zur DVD wird klar: Auf einem aktuellem Flachfernseher oder gar auf einem Beamer ist so ein Bild inakzeptabel.
Das ganze sieht so aus, als hätte ein professioneller Fotograf mit einem Handy seine Bilder schießen müssen.
Im Garten auf einem alten 50cm Bildschirm - o.k.. Ansonsten: Nicht mehr als eine Notlösung für's schnelle Fernsehen zwischendurch.
Das liegt daran, dass man um der Sendervielfalt Willen weniger (=zu wenig) Datenbandbreite als bei DVB-S zur Verfügung hat.