Facebook, Google und der Tod

„Das Erbrecht muss vorgehen“

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Rechts­anwalt Christian Pfaff ist der Ansicht, dass das Fernmelde­geheimnis zugunsten des Erbrechts einge­schränkt werden muss. Der Berliner Anwalt hat die Mutter der verstorbenen 15-Jährigen gegen Facebook in den beiden Vorinstanzen vertreten. Wir hatten ihn vor dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof interviewt.

Wie ist der Zugriff auf das digitale Erbe bisher gesetzlich geregelt?

Momentan fehlt es an einer gesetzlichen Regelung zum digitalen Nach­lass, die Klarheit schafft. Es gibt „nur“ die Regelung des Erbrechts. Diese ist aber nicht auf die Vererbung von digitalen Inhalten ausgelegt – das Bürgerliche Gesetz­buch ist in den Grund­zügen über 100 Jahre alt. Ich sehe hier Regelungs­bedarf.

Wo ist der Unterschied zwischen einem Brief und dem Internet-Chat?

Bei den Chat­verläufen im Netz muss grund­sätzlich auch das Fernmelde­geheimnis berück­sichtigt werden. Der Ansatz, den ich auch vor Gericht vertreten habe, ist aber der, das Erbe an sich zu schützen. Es muss möglich sein, dass der Erbe Zugriff auf Daten, E-Mails und Chat­verläufe bekommen kann – auch ohne dass derjenige, mit dem der Verstorbene kommuniziert hat, damit einverstanden ist.

Bekommen die Erben derzeit Zugriff auf das E-Mail-Konto?

Die meisten Anbieter hand­haben das momentan zugunsten der Erben: Sie machen den Zugriff möglich, wenn ihnen ein Erbschein vorgelegt wird. Wie sich das jetzt mit dem Urteil des Kammer­gerichts verträgt, ist eine andere Frage.

Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?

Denkt man das Urteil des Kammer­gerichts weiter, darf dem Erben in Zukunft nichts mehr zur Verfügung gestellt werden, was unter das Fernmelde­geheimnis fällt – also sämtliche E-Mail- und Social-Media-Konten, über die ich kommunizieren kann. Auch vermögens­recht­liche Aspekte können dabei betroffen sein – sei es der Vertrag, den ich online über meinen E-Mail-Account geschlossen habe, oder das Darlehen unter Freunden bei Facebook. Der Erbe weiß dann nicht mehr, was unter sein Erbe fällt und was nicht. Er ist aber verpflichtet, inner­halb einer bestimmten Zeit das Erbe anzu­nehmen oder auszuschlagen. Ich bin grund­sätzlich der Meinung: Das Erbrecht muss vorgehen.

Willigt jemand, der chattet, nicht darin ein, dass seine Nach­richten mitgelesen werden können?

Gerade bei Facebook muss sich jeder Nutzer darüber bewusst sein, dass Daten, die er dort preisgibt, dauer­haft gespeichert werden. Facebook behält sich das Recht vor, die Inhalte zu nutzen und weiterzugeben. Bei strafrecht­lichen Ermitt­lungen können ganze Nach­richten­verläufe heraus­gegeben werden.

Welche Vorsorge kann der Einzelne treffen?

Wichtig ist, sich damit zu beschäftigen und schon zu Lebzeiten Pass­wort­listen anzu­legen. Facebook-Nutzer haben derzeit leider nur die Möglich­keit, ihr Nutzer­konto später löschen oder in den Gedenk­zustand versetzen zu lassen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Anna_99 am 28.07.2019 um 00:30 Uhr
    Handschrift?

    "Hand­geschrieben. Formulieren Sie alle Regeln zu Ihrem digitalen Nach­lass persönlich von Hand. Auch für den digitalen Nach­lass gilt: Nur ein hand­schriftliches und unter­schriebenes Testament ist rechts­wirk­sam."
    So viel ich weiß, ist die Handschrift nur notwendig, wenn die Digitale Vorsorgevollmacht INNERHALB des TESTAMENTS gemacht wird. Ein Ding der Unmöglichkeit: Morgen ändern Sie das Passwort für z.B. Test.de und müssen das Testament neu schreiben??? Eine rechtswirksame Lösung dieses Problems habe ich von Digitale-Existenz.Com aus München erfahren.

  • Thorsten.Maverick am 17.06.2019 um 14:19 Uhr
    Paßwortmanager verwenden

    Man kommt nicht umhin, einen Paßwortmanager zu verwenden. Auf Apple Geräten wird ohnehin alles im Schlüsselbund gespeichert, ansonsten bietet sich KeyPass an. Die Paßwörter zum Rechnerzugang und zum Paßwortmanager muß man dann sicher hinterlegen bzw. jemand anvertrauen, der Erbe ist.

  • Gelöschter Nutzer am 18.07.2018 um 07:44 Uhr
    @Testibus

    Der Gesetzgeber kann aber nur bis zur deutschen Grenze etwas festlegen. Und das Internet ist nicht deutsch bzw. nur zu einem kleinen Teil.
    Bezüglich Quelle: Teile von Quelle wurden aus der Insolvenzmasse heraus von Otto aufgekauft. Dort können sie nachfragen.

  • kaiserburg am 14.07.2018 um 17:14 Uhr
    1000 Jahre und 50.000 Accounts

    Wer schon 30 oder 40 Jahre im Internet ist wird merken, es ist ein kommen und gehen. Ganz alte Adressen sind weg, aber auch Adressen die es in modernen Computern noch in die Favoriten geschafft haben. Wenn ich für meine 40 jährige Tochter irgendwo etwas interessantes parken will, dann ist das weg wenn die das nicht morgen nutzt. Ich ging mit 5 HDD in die Werkstatt, der Mechaniker schaute jeweils auf die Jahreszahl und zack waren die Festplatten in der Mülltonne. Wie wir jeden Tag an den tödlichen Unfällen sehen können, auf einmal ist es vorbei, Krankheit, Unfall etc. Auch das Häuser und Wohnungen komplett abbrennen, ist nicht selten. Also ist es ein Wettbewerb, wer ist eher tot, ich oder die Daten. Bis jetzt waren es immer noch die Daten. Und das ich jetzt den Bestatter heiß und innig liebe das der dann meine Bildchen gucken kann, nö is nicht.

  • Testibus am 13.07.2018 um 11:25 Uhr
    Der Gesetzgeber ist gefordert

    Und zwar wie folgt:
    Konten im Netz, die z.B. 1-2 Jahre nicht genutzt werden, müssen den Inhaber auffordern, das Weiterbestehen zu bestätigen oder ihn auffordern, es zu löschen. Ich bin bei ca. 100 angemeldet, denn man kaufte mal hier, mal dort. Und löschen geht gar nicht so einfach, meist kann man nicht mal dahintzer kommen, wie man ein Konto bei dem betr. Shop wieder löschen kann.
    Ich bin z. B,. noch bei Quelle Versand angemeldet.....den es schon lange nicht mehr gibt.
    Sind meine Daten dort nun gelöscht oder wer kann noch über sie verfügen, zu welchem Zweck auch immer.