
Digitale Aktivitäten gelegentlich zu ordnen, ist für jeden sinnvoll.
Was passiert mit Accounts bei Facebook, Google, Spotify und Co., wenn ein Mensch stirbt? Der Bundesgerichtshof hatte im Fall eines Facebook-Kontos bereits klargestellt: Ein solches Konto ist vererbbar. Klargestellt hat er jetzt noch, dass Facebook den Erben vollen Zugang gewähren muss. Ein Datenträger reicht nicht. Auch Apple wurde bereits gerichtlich gezwungen, Angehörigen eines Verstorbenen Zugang zur iCloud gewähren. Hier erfahren Sie, wie sich der digitale Nachlass per Testament regeln lässt und welche Regelungen für digitale Güter wie E-Books gelten.
Leitentscheidung des BGH: Facebook Account ist vererbbar
Was wiegt mehr: Das Erbrecht der Mutter einer Facebook-Nutzerin, die den Account ihrer verstorbenen Tochter einsehen möchte? Oder das Fernmeldegeheimnis der digitalen Kommunikationspartner? Am 12. Juli 2018 traf der Bundesgerichtshof eine Entscheidung, in der er dem Erbrecht den Vorrang gab (BGH III ZR 183/17). Facebook mus der Mutter des toten Mädchens kompletten Zugang zu dem seit fünfeinhalb Jahren gesperrten Nutzerkonto der Tochter gewähren. Die Karlsruher Richter hatten damit das Urteil des Berliner Kammergerichts aufgehoben, das die Sperre unter Verweis auf das Fernmeldegeheimnis noch bestätigt hatte, und stellten das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Berlin wieder her.
Der Anspruch auf Zugang zum Facebook-Account und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten ergebe sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter und Facebook. Vorsitzender Richter Ulrich Herrmann betonte, dass weder das Fernmeldegeheimnis noch das Datenschutzrecht dem Anspruch der Erben entgegenstehen. Eine lang erwartete Entscheidung war damit getroffen worden. Hier lesen Sie alle Details zum Fall Facebook.
Facebook-Konto in den „Gedenkzustand“ versetzt
Das schreckliche Ereignis liegt Jahre zurück: 2012 verletzt ein einfahrender Zug eine 15-jährige Schülerin im Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße tödlich. War es ein Unfall oder ein Suizid? In der Hoffnung, tiefere Einblicke in das Seelenleben des Teenagers zu bekommen, wollten die Eltern das Facebook-Konto des Mädchens zurate ziehen. Doch obwohl sie die Zugangsdaten hatten, konnten sie sich nicht einloggen: Facebook hatte das Nutzerkonto bereits in den sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt. Unklar ist bis heute, wer das veranlasst hat (alle Details zum Berliner Fall).
Auch Apple musste Erben Zugang gewähren
Gegen den Großkonzern Apple erging ein ähnliches Urteil des Landgerichts Münster: Apple musste den Erben eines verstorbenen iCloud-Nutzers Zugang zu dessen Account gewähren. In dem Fall war ein Mann während einer Reise im Ausland verstorben. Seine Erben erhofften sich, in seinen in der iCloud gespeicherten Daten, etwa Fotos, Videos und E-Mails, Erkenntnisse über die Gründe zu finden, die zu seinem Tod geführt hatten. Apple hatte den Wunsch der Angehörigen, Zugang zur iCloud zu erhalten, abgelehnt (Az. 014 O 565/18).
Digitale Vorsorge – so gehen Sie vor
Aufbereiten. Verschaffen Sie sich regelmäßig einen Überblick über Ihre Onlineaktivitäten. Listen Sie für jedes Konto die Zugangsdaten und Passwörter auf. Dann können Erben oder andere Vertrauenspersonen darauf zugreifen. Diese können etwa auf einem USB-Stick abgespeichert werden, der an einem sicheren Ort hinterlegt ist, oder in Passwortmanagern aufgelistet werden. Die Auflistung sollte regelmäßig aktualisiert werden.
Löschen. Daten, die niemandem in die Hände fallen sollen, löschen Sie am besten von Zeit zu Zeit. Das können E-Mails oder Fotos sein.
Testament. Wer festhalten will, welche seiner Daten gelöscht und welche vererbt werden sollen, kann das in einem Testament regeln. Er kann auch eine Vertrauensperson zum digitalen Nachlassverwalter bestimmen und dies in einer Vollmacht festhalten.
Handgeschrieben. Formulieren Sie alle Regeln zu Ihrem digitalen Nachlass persönlich von Hand. Auch für den digitalen Nachlass gilt: Nur ein handschriftliches und unterschriebenes Testament ist rechtswirksam.
Ratgeber nutzen. Das Nachlass-Set der Stiftung Warentest zeigt Ihnen praxisnah, wie Sie Ihr Testament verfassen und Ihren digitalen Nachlass regeln können. Professionelle Formulierungen und Formulare zum Heraustrennen helfen dabei.
Verträge gehen oft auf Erben über
In Deutschland sind 87 Prozent aller Menschen ab zehn Jahren online. Wir kommunizieren über E-Mail und soziale Netzwerke, schließen Kaufverträge im Netz und Abos mit Musik- oder Filmdiensten, erledigen Bankgeschäfte online. Informationen, die wir im Internet, aber auch auf Festplatten, USB-Sticks und Speicherkarten hinterlassen, gehören im Todesfall zur Erbschaft – genauer: zum digitalen Nachlass. Der umfasst nicht nur gespeicherte Daten, sondern auch online geschlossene Verträge – ob mit Versandhändler, Reiseanbieter oder Auktionsplattformen.
Rechte und Pflichten gehen auf den Erben über. Dieser muss den Mantel bezahlen, die Kreuzfahrt stornieren oder die ersteigerte Designer-Uhr abnehmen. Die wenigsten Verträge enden mit dem Tod. Auch Nutzerkonten bei sozialen Netzwerken und Versandhändlern bleiben erst einmal bestehen.
Erben sollten auch den digitalen Nachlass sichten
Erben sollten den digitalen Nachlass auf keinen Fall ignorieren. Sie stehen vor der Aufgabe, den digitalen Nachlass abzuwickeln, also Nutzerkonten aufzulösen und Verträge zu kündigen. Laut Rechtsanwalt Pfaff (siehe Interview) stellen sie dabei vor allem zwei Fragen: „Wo war der Verstorbene online unterwegs?“ Und: „Wie bekomme ich Zugriff auf seine Nutzerkonten?“ Entscheidende Hinweise auf laufende Verträge, offene Rechnungen oder Online-Mitgliedschaften liefert oft der E-Mail-Verkehr des Verstorbenen.
Ohne Passwort kein Zugriff
In der analogen Welt lassen sich dessen Geschäftsbeziehungen meist einfach nachvollziehen: Der Erbe ist berechtigt, die an diesen gerichteten Briefe zu öffnen. Im Internet sieht es anders aus: Ohne Passwörter und andere Zugangsdaten wie Nutzernamen ist es schwierig, den digitalen Nachlass zu ordnen und die Pflichten des Verstorbenen zu erfüllen. Kennt der Erbe ein Passwort nicht, kann er das dazugehörige Nutzerkonto nicht aufrufen und löschen. Er muss sich an den Diensteanbieter, etwa den E-Mail-Provider, wenden. Die sind nach dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshof dazu verpflichtet, den Erben Zugang zu dem Konto zu gewähren.
Lassen sich E-Books vererben?
Zwischen einer digitalen Sammlung von E-Books und einer Bibliothek aus gedruckten Büchern besteht ein wichtiger Unterschied: Letztere wechselt im Todesfall unproblematisch vom Verstorbenen zum Erben, E-Books hingegen können oft nicht vererbt werden. Das hat mit den allgemeinen Geschäfts- oder Nutzungsbedingungen der Anbieter zu tun. Dort steht meist, dass derjenige, der sich ein E-Book herunterlädt, lediglich ein einfaches Nutzungsrecht erhält, das er nicht übertragen darf. Oft ist ausdrücklich ausgeschlossen, dass der Leser Eigentümer wird. Das bedeutet: Der Leser darf das E-Book nicht vererben und auch nicht verkaufen oder verschenken. Pech für die Erben: Was digitale Bücher betrifft, gehen sie leer aus.
Überblick über Onlineaktivitäten
Den Erben ist oft nicht klar, welche Internetdienste ein Verstorbener genutzt hat und welche geschäftlichen Beziehungen noch bestehen. Kein Wunder: Viele Menschen könnten schon zu Lebzeiten nur mit den Achseln zucken, würden sie gefragt, welche Dienste sie verwenden und wo sie überall registriert sind.
Tipp: Um den Überblick über Ihre Onlineaktivitäten nicht zu verlieren, sollten Sie regelmäßig Ein- und Ausgang Ihres E-Mail-Postfachs durchforsten. Alte Newsletter, Bestellbestätigungen und Rechnungen können Aufschluss über Kundenkonten geben, die in Vergessenheit geraten sind.
Zugangsdaten sicher hinterlegen

Häufig hilft es schon, wenn Internetnutzer ihre Zugangsdaten – also E-Mail-Adressen, Nutzernamen und Passwörter – für Angehörige, Erben oder andere Personen auflisten und sicher hinterlegen. Im Fall des Falles kommen diese dann leicht an den Schriftverkehr heran und können Nutzerkonten meist ohne großen Aufwand auflösen. Wichtig ist das vor allem bei kostenpflichtigen Diensten und Abos, die der Erbe schnell kündigen können sollte.
Tipp: Unser Buch Schnelle Hilfe im Trauerfall bietet Ihnen Rat und Hilfe nach einem Todesfall. Hier finden Sie Rat bei allen wichtigen Fragen in schweren Zeiten.
Digitalen Nachlass per Testament regeln
Wer für größtmögliche Klarheit sorgen will, kann seinen digitalen Nachlass per Testament regeln. Darin lässt sich festlegen, ob Onlinekonten gelöscht oder der Familie bestimmte Daten nicht zugänglich gemacht werden sollen. Der Nutzer kann eine Person seines Vertrauens beauftragen, sich um die Umsetzung der im Testament festgelegten Wünsche zu kümmern.
Tipp: Alternativ dazu können Sie in einer sogenannten Vorsorgevollmacht eine Person benennen, die im Krankheits- oder Todesfall Ihre Nutzungsverträge kündigen oder Daten löschen darf.
Zugangsdaten auflisten
Ein Testament muss handschriftlich verfasst, klar formuliert und unterschrieben sein. Da viele selbstformulierte Testamente allerdings unwirksam sind, lohnt sich der Gang zum Fachanwalt für Erbrecht oder zum Notar. Einfacher umzusetzen als ein Testament ist eine Liste der Nutzerkonten. Nutzer sollten sie aktuell halten und ausgedruckt oder als Dokument auf einem verschlüsselten USB-Stick hinterlegen.
Tipp: Nutzen Sie hierfür das Formular Nutzerkonten im Internet.
Google-Account: Den Kontoinaktivität-Manager nutzen
Wer einen E-Mail-Account bei Google hat, für den empfiehlt sich dessen Kontoinaktivität-Manager: Der Nutzer kann bis zu zehn Personen benennen, die benachrichtigt werden, wenn er auf das Konto in einer von ihm festgelegten Wartefrist zwischen 3 und 18 Monaten nicht zugegriffen hat. Die benannten Personen bekommen dann drei Monate Zeit, die relevanten Inhalte herunterzuladen. Zur Schritt für Schritt Anleitung Bei Google vorsorgen.
Was sind Ihre Erfahrungen?
Erben müssen sich mit dem Nachlass eines verstorbenen Angehörigen auseinandersetzen – auch mit dem digitalen. Für eine unserer nächsten Veröffentlichungen wollen wir herausfinden, welche Probleme im Umgang mit den digitalen Daten Verstorbener auftreten. Sollten Sie schon einmal Probleme damit gehabt haben, an die Zugangsdaten für die Onlinekonten heranzukommen, senden Sie uns bitte eine E-Mail an digitales.erbe@stiftung-warentest.de. Uns interessieren Ihre Erfahrungen:
Wie sind Sie an die Zugangsdaten eines verstorbenen Angehörigen herangekommen? Gab es Probleme?
Hatte der Verstorbene eine Accountliste mit Passwörtern erstellt, auf die Sie zugreifen konnten?
Nutzte der Verstorbene einen Passwortmanager? Hatten Sie das Masterpasswort hierzu?
Hatten Sie Zugang zu dem E-Mail Account des Verstorbenen? Konnten Sie damit weitere Online-Konten ausfindig machen?
Falls Sie keine Zugangsdaten zum E-Mail Account des Verstorbenen hatten: Welche Nachweise mussten eingereicht werden, um Zugang zu bekommen oder das Konto zu löschen? Oder hat Ihr Anbieter Ihnen sogar den Zugang zum E-Mail-Account verwehrt?
Hatten Sie bei Facebook schon Probleme mit der Beantragung des Gedenkzustandes oder der Löschung eines Facebook-Kontos? Wurden Sie bei Facebook als Nachlassverwalter eingesetzt?
Hatten Sie trotz Zugangsdaten bei Facebook Probleme damit, auf den Account zugreifen zu können?
Hat der Verstorbene mit Hilfe eines Dienstes wie exmedio Vorsorgemaßnahmen getroffen?
Hat Ihr Bestatter Ihnen die digitale Nachlassverwaltung angeboten?
Haben Sie ein Unternehmen mit der Regelung des digitalen Nachlasses beauftragt?