
Die Kasse zahlt. Ausgesuchte Apps bieten etwa Übungen gegen Rückenschmerzen – wie Angebote von Kaia (Bild) und Vivira. © Kaia Health
Seit 2020 können Patienten Gesundheitsanwendungen etwa per App verordnet bekommen, kurz Diga. Bringen die was? Nutzern zufolge ja. Auch im Test zeigen sie Potenzial.
Bei verschiedenen Erkrankungen im Einsatz
Von Angst über Depression, Diabetes und Rückenschmerzen bis hin zu Tinnitus: Digitale Gesundheitsanwendungen (Diga) sollen bei einer Vielzahl von Erkrankungen helfen.
Seit 2020 sind solche Apps oder Online-Programme als Kassenleistung möglich. Sie bieten beispielsweise Informationen, Symptom-Tagebücher oder Übungen. Das soll die Behandlung unterstützen. Sie sind ein Baustein im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens, mehr dazu auf unserer Themenseite E-Health.
Als sinnvoll und zeitlich flexibel eingestuft
Bringen die Apps was? Das hat kürzlich eine Umfrage der AOK bei mehr als 2 600 Versicherten ermittelt, die bereits Diga genutzt haben. Ergebnis: 58 Prozent der Befragten bewerten die Angebote als sinnvolle Ergänzung ihrer Therapie. Als größten Vorteil gaben sie an, dass sie sich die Behandlung mit einer Diga zeitlich flexibel einteilen können.
„Dauerhafte“ Diga ist besser als „vorläufige“
Nicht jede Gesundheits-App ist gleich eine Diga. Dafür muss sie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zunächst auf Antrag des Herstellers überprüfen. Erfüllt eine Diga alle geforderten Punkte, etwa hinsichtlich Datenschutz und Benutzerfreundlichkeit, wird sie „dauerhaft“ in das sogenannte Diga-Verzeichnis des BfArM aufgenommen.
Daneben gibt es eine zweite Kategorie: „vorläufig“. Für diese Diga müssen Anbieter innerhalb einer Erprobungsphase Studien nachreichen, die einen positiven Versorgungseffekt belegen. Ansonsten werden sie wieder aus dem Verzeichnis gestrichen. Daher ist „dauerhaft“ das bessere Label als „vorläufig“. Kritische Stimmen, etwa seitens der Krankenkassen, fordern strengere Regeln – darunter, die vorläufige Aufnahme ins Verzeichnis abzuschaffen.
So gehen Sie vor, um eine Diga zu bekommen
- Einen Überblick über alle erstattungsfähigen Diga finden Sie online im Diga-Verzeichnis des BfArM.
- Interessiert sie ein Angebot, besprechen Sie das beispielsweise mit Ihrer Hausärztin. Auch Psychotherapeuten können Diga verordnen.
- Das Rezept reichen Sie Ihrer Krankenkasse ein; sie schickt Ihnen einen Freischaltcode für die Diga.
- Bei entsprechender Diagnose ist eine Erstattung auch ohne Verordnung möglich – fragen Sie bei Ihrer Kasse nach.
- Bedenken Sie: Viele Diga erfordern Einsatz und Geduld, etwa regelmäßige Übungen. Das sollte Ihnen im Vorfeld klar sein.
Beim Datenschutz soll nachgebessert werden
Strenger werden sollen in jedem Fall die Anforderungen an den Datenschutz. Bislang prüfte das BfArM diesen überwiegend anhand der Angaben der Hersteller.
Im Sommer 2022 deckte das ehrenamtliche Kollektiv Zerforschung gravierende Datenschutzlücken bei zwei Diga auf. Kurz darauf veröffentlichte das BfArM neue Prüfkriterien. Anbieter müssen demnach ab August 2024 durch spezielle Zertifikate nachweisen, dass ihre Anwendungen datenschutzkonform sind.
Die Stiftung Warentest hat sechs Digas getestet
Die Stiftung Warentest prüft regelmäßig Gesundheits-Apps. Dabei geht es um Aspekte wie Nutzenbelege, Handhabung, Datenschutz. Seit Einführung der Diga haben wir sechs getestet. Zwei davon schnitten gut ab und sind dauerhaft ins Diga-Verzeichnis aufgenommen. Drei waren befriedigend – von ihnen ist nur noch eine im Verzeichnis gelistet. Die Sechste bekam kein Qualitätsurteil, weil uns der Anbieter keine Testzugänge zur Verfügung stellte.
Überprüft haben wir die Diga im Rahmen unserer Untersuchungen von Apps gegen Angststörungen sowie von Apps gegen Kopfschmerzen und Migräne.
Tipp: Bereits vor Einführung der Diga haben wir im Jahr 2019 acht Online-Programme gegen Depression getestet. Vier bekamen das Urteil empfehlenswert. Eines davon ist inzwischen dauerhaft im Diga-Verzeichnis gelistet.
Selbst nützliche Angebote finden
Jenseits der Diga gibt es unzählige weitere Gesundheits-Apps. Der Markt ist bislang kaum geregelt. Verbraucher müssen oft selber überlegen, ob ihnen ein Angebot nützlich und sicher erscheint. Dabei helfen Fragen wie diese:
- Wer steht hinter der App?
- Werden klinische Studien genannt, die den Nutzen belegen?
- Ist die Datenschutzerklärung leicht auffindbar und transparent?
- Wird erklärt, was Nutzende erwartet? Ist die Information verständlich?
- Gibt es gegebenenfalls transparente Angaben zu den Kosten?
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- Unsere Arzneimittelexperten haben Schmerzmittel bewertet: von rezeptfreien mit ASS, Ibuprofen und Paracetamol bis zu Opioiden. Nicht alle sind gleichermaßen geeignet.
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- Servicestellen vermitteln auch Termine zur Akutbehandlung beim Psychotherapeuten – innerhalb von zwei Wochen. So funktioniert die Terminvermittlung zu Fachärzten.
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- Medikamente, ein hohes Alter, Krankheiten: Erektionsstörungen können viele Gründe haben. Wir haben 100 Potenzmittel geprüft und sagen, ob und wie sie wirken.
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Kommentarliste
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Ich stehe dieser Entwicklung einer verschriebenen App zwispältig gegenüber. Auf der einen Seite sind die Vorteile dieser Apps und dazugehörigen Geräte echt nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite sehe ich diese Apps und Diagnosen echt kritisch. Mir kommt es so vor, als würden einige Menschen das Gefühl verlieren, einschätzen zu können, wie es ihnen geht. Schließlich haben wir doch einen Körper der uns durch Gefühle darauf aufmerksam macht, wie es uns geht. Und dieses Gefühl ist aus meiner Sicht unsere Handlungsanleitung, wenn es uns schlecht geht. Daher finde ich diese Übervorsorge durch Technik eher kontraproduktiv. Aber sicherlich könnte man das auch von Fall zu Fall unterschiedlich bewerten.
Sicherlich kann ein Smartphone und die dazugehörige App sehr praktisch sein. Doch ich frage mich, wann die Menschen so unselbständig geworden sind, dass sie sich ein Leben ohen Smartphone oder App mehr vorstellen können. Jetzt fehlt nur noch eine App, die einen darann erinnert zu Atmen.