Diagnosen verstehen

Interview: Ein Gefühl der Sicherheit

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Die Gesundheitsforscherin Professor Marie-Luise Dierks leitet an der Medizinischen Hochschule Hannover unter anderem die Patientenuniversität. Dort gibt es Teilnehmer von 16 bis 96 Jahren.

Was können Interessierte an der Patientenuniversität lernen?

Unsere Teilnehmer lernen zum einen ganz viel Wissenswertes über den Aufbau und die Funktionen des menschlichen Körpers, über normale Entwicklungen, Erkrankungen und Therapien. Wir erklären aber auch, wo Menschen vertrauenswürdige Informationen über Gesundheit und Krankheit finden und welche Ansprechpartner es bei Fragen und Problemen gibt, auch außerhalb der Arztpraxen und Krankenhäuser.

Wer sind die Studenten?

Sie kommen überwiegend hier aus der Region um Hannover. Die Altersspanne reicht von 16 bis 96 Jahren, im Mittel sind die Teilnehmer um die 60 Jahre. Das Alter hängt natürlich auch vom Thema einer Veranstaltung ab. Zwei Drittel der Studierenden sind Frauen.

Was interessiert sie besonders?

Die meisten interessieren sich für Möglichkeiten der Prävention und was sie selbst tun können, um gesund zu bleiben. Hier bieten wir Veranstaltungsreihen zu den Volkskrankheiten, zu Sinnesorganen und Organsystemen an. Zentrales didaktisches Prinzip ist, dass die Teilnehmer mit Kopf, Herz und Hand lernen, also sich aktiv die Themen erarbeiten, mit Experten ins Gespräch kommen, Experimente machen oder konkrete Übungen erlernen.

Welche Rolle spielt der Befund?

Viele Patienten wollen heute genau wissen, was bei einer Untersuchung herausgekommen ist und welche Informationen die behandelnden Ärzte austauschen. Es gibt Patienten ein Gefühl der Sicherheit, wenn sie auf dem gleichen Informationsstand wie ihre Behandler sind. Dieser Wunsch kann natürlich im Einzelfall unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Müssen Patienten den schriftlichen Befund in allen Details verstehen?

Sie müssen nicht, aber sie sollten die Chance haben, ihn tatsächlich so zu verstehen, dass es für sie nützlich ist, zum Beispiel bei einer Entscheidung für oder gegen eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme.

Sollte nicht der Arzt dem Patienten im Gespräch alles erklären?

Das wäre natürlich das Allerbeste. Allerdings wissen wir auch aus vielen Studien, dass Menschen sich auch bei den besten mündlichen Informationen nicht alles Gesagte wirklich gut merken können. Dann ist eine schriftliche Ergänzung sicher sehr zu begrüßen. Ein Professor der inneren Medizin, den ich persönlich sehr schätze, hat – als er noch praktizierte – bei der Entlassung der Patienten zwei Briefe geschrieben, einen an den behandelnden Arzt und einen an den Patienten. Das ist unter den heutigen Bedingungen vermutlich nicht mehr umsetzbar, aber ein schönes Beispiel für Patientenorientierung.

Was sollen Patienten tun, wenn sie etwas nicht verstanden haben?

Wir empfehlen den Patienten, so lange nachzufragen, bis sie für sie wichtige Aspekte verstanden haben. Dazu haben wir auch auf unserer Internetseite www.patienten-universitaet.de nützliche Hinweise zusammengestellt, unter anderem Checklisten für die Vorbereitung auf einen Arztbesuch.

Wie sinnvoll ist ein Befundübersetzungsservice?

Ich freue mich, dass die Studierenden hier den Patienten, die mehr Klarheit haben möchten, helfen. Dass es einen großen Bedarf gibt, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die doch schon vielen freiwilligen Studierenden die Flut der Anfragen kaum bearbeiten können.

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