
Ulrich A. Müller, Arzneimittelexperte der Stiftung Warentest, war Professor für Diabetologie am Uniklinikum Jena. Nun wirkt er in einer Praxisgemeinschaft. © Nora Klein
Ulrich A. Müller hat die Leitlinie zu Diabetes Typ 2 mitverfasst. Der Diabetologe weiß, womit Betroffene in der Therapie hadern.
Die neue Leitlinie rät zu Therapien, die stark auf den Einzelfall abgestimmt sind. Wie setzen Sie das um?
Viele Patienten haben Angst vor möglichen Folgen des Diabetes wie Erblindung, Dialyse oder Amputation. Ich versuche, ihnen die Angst zu nehmen, denn viele sind beschwerdefrei und gut behandelt. Ihr persönliches Risiko ist gering. Das gilt besonders für ältere Patienten mit mildem Diabetes. Die Leitlinie hilft hier mit konkreten Zahlen zur Höhe des Risikos und wunderbaren Patienteninformationsblättern im Internet.
Sind Abnehm- und Bewegungsprogramme da die erste Wahl?
Ja und nein! Gewichtsreduktion und Bewegung gehören zur Basistherapie, noch vor Medikamenten. Einige Patienten können so den Zeitpunkt, ab dem Medikamente nötig werden, hinauszögern oder brauchen weniger. Sehr langfristig angelegte große Studien haben aber gezeigt, dass Abnehmen oder körperliche Aktivität Folgeerkrankungen nicht verhindern. Man lebt dadurch auch nicht länger. Das schaffen nur Medikamente. Steigt der Blutzucker, gehts nicht mehr ohne. Viele haben auch Probleme durchzuhalten. Wie viel Energie der Körper in den Fettzellen speichert und ob Bewegung Freude macht, hat auch viel mit genetischer Veranlagung zu tun.
Wie bekommen solche Patienten Diabetes in den Griff?
Ich empfehle ihnen, unbedingt eine Patientenschulung zu machen. Dort erfahren sie alles über Abnehmen und Bewegung und können sich in der Gruppe über ihre Erfahrungen austauschen. Das Wichtigste für gute Blutzuckerwerte ist Essen und Trinken. Viele wissen nicht genau, was den Blutzucker steigen lässt. Wer sich da gut auskennt und diese Lebensmittel mehr oder weniger reduziert, kann bessere Werte erreichen und behalten. Blut- oder Harnzucker zu messen, hilft bei der richtigen Auswahl. Es darf auch mal Kuchen sein − in der richtigen Menge.
Und damit haben die Betroffenen tatsächlich Aussichten auf Erfolg?
Mehr Erfolg, als wenn ich ihnen einschneidende Umstellungen aufzwinge. Viele Patienten staunen, dass oft nur wenige Änderungen nötig sind, um ein weniger belastetes Leben mit Diabetes zu führen. Am Ende entscheidet aber jeder selbst, was er von unseren Empfehlungen umsetzen möchte, und das ist auch gut so.
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Ich bin nicht der erste, der Süßigkeiten und Zuckernahrung als Droge bezeichnet und werde auch nicht der letzte sein. Nahrungsmittelkonzerne wie Nestle haben in den letzten Jahrzehnten Unsummen in ihre Forschung und Produktion gesteckt, um ungesunde Nahrungsmittel zu kreieren, denen sehr viele Menschen nicht oder nur mit großer Mühe widerstehen können. Sie erzeugen mit diesen drogenartigen Nahrungsmitteln Krankheiten, die es bei Naturvölkern noch nie gab, unglaubliches Leid, vorzeitige Tode, Verkrüppelungen und neben dem menschlichen Leid letzlich enorme volkswirtschaftliche Schäden. Obwohl sie nicht besser als andere Drogendealer sind, baden sie – natürlich – ihre Hände in Unschuld, denn verantwortlich sind ja die dummen Konsumenten, die sich von diesem Nahrungsmüll ernähren.
Wenn Stiftung Warentest den Verbraucherschutz wirklich ernst nehmen würde, dann würde dies hier auch offen thematisiert werden. Naja, vielleicht findet in der Redaktion ja mal irgendwann ein Umdenken statt.
@Doc_Martin15: Unser Artikel bezieht sich auf die Empfehlungen der neuen Nationalen Versorgungsleitlinie für Diabetes Typ 2, die Sie sicherlich kennen:
www.leitlinien.de/themen/diabetes/pdf/diabetes-2aufl-vers1.pdf
Darin heißt es unter anderem: "2.4.1 Stellenwert der nicht-medikamentösen Therapie - Die nicht-medikamentöse Basistherapie (siehe noch zu erstellendes Kapitel nicht-medikamentöse Therapie) bietet eine wirkungsvolle Therapieoption und ist die Grundlage der Behandlung. Erst wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen ausgeschöpft sind, sieht die Leitliniengruppe die Indikation zur medikamentösen Therapie."
Wir behaupten nichts anderes.
Auch steht der Artikel nicht im Widerspruch zu den Aussagen von Ulrich A. Müller, emeritierter Professor für Diabetologie und Mitverfasser der Nationalen Versorgungsleitlinie für Diabetes Typ 2. Zitat Professor Müller: "Gewichtsreduktion und Bewegung gehören zur Basistherapie, noch vor Medikamenten. Einige Patienten können so den Zeitpunkt, ab dem Medikamente nötig werden, hinauszögern oder brauchen weniger."
Zum Thema HbA1C-Wert raten wir Diabetes-Typ-2-Patienten ausdrücklich, das Gespräch mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zu führen. Denn welcher HbA1c-Wert für wen relevant ist, hängt - wie Sie als Mediziner ja wissen - von vielen Aspekten und individuellen Umständen ab.
Als Mediziner kann ich über den Text nur den Kopf schütteln:
Zuerst wird die Erwartung geweckt , dass Patient durch Bewegung etc. auf Medikamente verzichten kann, dann kommt der Experte (Prof. Müller) zu Wort, der sagt, damit sei 1)der Zeitpunkt der Medikamentengabe nur„in einigen Fällen“ hinauszögerbar und 2.) dass Bewegung Folgeerkrankungen nicht verhindert, das könnten nur Medikamente.
Zumindest würde ich dann von der Redaktion entweder einen dazu kongruenten Text erwarten, oder aber eine Begründung, warum man hier eigentlich dem Experten widerspricht bzw. suggeriert, Medikamente seien nur selten nötig.
Zum Thema mit dem HbA1C -Anstieg im Alter - indirekt wird auch hier wieder die Mär vom harmlosen Altersdiabetes geschürt; zumindest muss man dann angeben, ab welchem Alter man dann welchen HbA1C als normal ansieht. Auf die Antwort bin ich gespannt. Patienten werden das so interpretieren, dass sie ja schon mit 50 alt sind…und den HbA1C großzügig auslegen.
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