Diabetes Operieren statt Insulin spritzen

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Diabetes - Operieren statt Insulin spritzen

Für Menschen mit Typ-2-Diabetes könnten Magen­ver­kleinerungen eine neue Therapie­methode sein. Nach der OP sollen sie an Gewicht verlieren und keine Medikamente mehr brauchen. Bislang kamen vor allem extrem fett­leibige Diabetiker unter das Messer. Jetzt berichten Chirurgen der Uni Heidel­berg, dass sie mit einem Magenbypass auch mäßig über­gewichtige Diabetiker von ihrer Krankheit befreien konnten. Doch einige Diabetes-Experten kritisieren die Operationen.

Operationen bisher nur bei starkem Überge­wicht

Schät­zungs­weise 8 Millionen Bundes­bürger sind Diabetiker. Die meisten von ihnen leiden unter Diabetes­Typ 2 und haben Überge­wicht. Viele von ihnen müssen Tabletten nehmen, um den Zucker­haushalt zu regulieren. Etwa jeder Vierte spritzt sogar Insulin. Möglicher­weise könnte manchen Typ-2-Diabetikern auch eine Operation helfen: Per Magen­verkleinerung soll dabei der Diabetes verschwinden, das Körpergewicht deutlich sinken und sich der gesundheitliche Allgemein­zustand bessern. Bislang kamen solche Operationen vor allem als Therapie gegen starkes Überge­wicht bei Menschen mit einem Bodymaßindex (BMI) von mehr als 35 zum Einsatz, in Deutsch­land gab es im vergangenen Jahr etwa 4 000 solcher Operationen.

Neu: Besserung auch bei mäßigem Überge­wicht

Forscher der Universität Heidel­berg haben den chirurgischen Eingriff jetzt an einer kleinen Gruppe von 20 Patienten erprobt, wie Professor Markus Büchler auf dem Kongress der Deutschen Gesell­schaft für Chirurgie 2012 berichtete. Alle Patienten hatten jahre­lang Insulin gespritzt und mäßiges Überge­wicht – ihr BMI lag im Durch­schnitt bei 30. Bei der Operation legten ihnen die Heidel­berger Chirurgen einen Magenbypass. Dabei wird der Magen­eingang direkt an den Dünn­darm ange­schlossen, ein Teil des Magens sowie des Zwölffingerdarms von der Verdauung abge­koppelt. Das Ergebnis: 70 Prozent der Patienten waren nach der Operation ihren Diabetes los, 20 Prozent brauchten weniger Medikamente. Die Chirurgen planen jetzt eine größere Studie mit 200 Teilnehmern. Es werde aber noch Jahre dauern, bis die Operationen für mäßig überge­wichtige Diabetiker in den Klinikall­tag einziehen könne.

Studien: Diabetes verschwindet nach wenigen Tagen

Welt­weit forschen Wissenschaftler über Nutzen und Risiken von Diabetes-Operationen. Erst kürzlich bestätigten zwei Studien im New England Journal of Medicine (NEJM 2012, online am 26. März), dass die meisten stark überge­wichtigen Patienten von einer Magen-Verkleinerung profitieren können. Die Studien verglichen verschiedene Operations­verfahren wie Magenbypass und Tunnelmagen mit einer intensi­vierten medikamentösen Therapie. Das Ergebnis: Viele der operierten Patienten brauchten bis zu zwei Jahre nach der Operation kein Insulin oder Anti-Diabetika mehr; bei den medikamenten­pflichtigen Patienten änderte sich kaum etwas. Interes­sant an diesen sowie früheren Studien zu Diabetes-Operationen: Sie beschreiben, dass die Patienten oft schon nach wenigen Tagen keinen Diabetes mehr hatten.

Erfolgs­aussichten kurz nach Diabetes-Diagnose am größten

Die Ursachen für die rasche Diabetes-Befreiung sind noch ungeklärt. Nach Vermutung der Wissenschaftler ändert sich das Zusammen­spiel der Verdauungs­hormone, wenn die Nahrung einige Teile des Magens und des Darms nicht mehr durch­läuft. Das scheint sich günstig auf den gestörten Insulin­stoff­wechsel der Typ-2-Diabetiker auszuwirken. Nach der Operation verlieren die Patienten normaler­weise auch deutlich an Gewicht. Die Begründung der Forscher: Der Appetit lasse nach, der verkleinerte Magen zwinge zu kleineren Mahl­zeiten. Die Studien zeigen auch: Die Operationen schlagen am besten bei stark überge­wichtigen Menschen an, die noch nicht lange an Diabetes leiden.

Operation hat aber Neben­wirkungen

Ein künst­lich verkleinerter Magen und der Ausschluss mancher Dünn­darm­bereiche haben aber auch kritische Neben­wirkungen. Der Verdauungs­trakt kann weniger lebens­wichtige Vitamine, Mineralstoffe und Spuren­elemente aufnehmen. Zudem treten nach Einschät­zung von Chirurgen bei etwa zehn Prozent der Diabetes-Operationen Komplikationen auf. Der chirurgische Eingriff kann auch psychische Probleme auslösen, da Betroffene anders essen und trinken müssen als früher. Es gibt Erkennt­nisse aus der Adipositas-Chirurgie, wonach fast jeder zweite Operierte nach zehn Jahren wieder auf Insulin angewiesen und zunehmen könnte.

Gesunder Lebens­stil kann gegen­steuern

Die Deutsche Diabetes Gesell­schaft (DDG) warnt davor, die Operationen als Allheil­mittel für überge­wichtige Diabetes-Patienten zu verstehen: Lang­zeit­studien fehlten, die Neben­wirkungen seien beträcht­lich. Die DDG warnt vor allem vor chirurgischen Eingriffen bei mäßig überge­wichtigen Diabetikern mit einem BMI von 30 bis 35. Bei ihnen könnten die bisher üblichen Diabetes-Therapien noch wirken. Das heißt: Im Anfangs­stadium der Krankheit sollten Patienten mit einem gesunden Lebens­stil gegen­steuern – durch Abnehmen, viel Bewegung, eine pflanzenreiche und energiearme Kost. Spezielle Diabetes-Schulungen können helfen, die neuen Heraus­forderungen zu meistern. Diabetes-Experten räumen aber auch ein, dass die bisher üblichen Therapien viel Mitarbeit von den Betroffenen erfordern und nicht jeder Patient koope­rativ ist. Manche hätten Sucht­probleme, andere könnten die Anforderungen aus kognitiven Gründen nicht einhalten. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass medikamentöse Diabetes-Therapien den Körper belasten und sogar die Gewichts­zunahme fördern. Die Medikamente verursachen über die Jahre oft hohe Kosten bei den Krankenkassen. Die Operationen könnten sich bereits nach bis zu drei Jahren amortisieren.

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Die Stiftung Warentest informiert regel­mäßig zum Thema Diabetes, gesunde Ernährung und Sport – in Form von Tests, Medikamentenbe­wertung, Specials und Büchern.

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Gelöschter Nutzer am 04.05.2012 um 12:22 Uhr
Menschenverachtend

Vielleicht sollte man Migränepatienten einfach das Gehirn amputieren
falls sie es nicht überleben - was soll`s- verursachen sie wenigsten keine Kosten mehr.
Vorschläge wie diese sind an Dummheit, Zynismus und Menschenverachtung kaum zu übertreffen.
Wurde der Beitrag überhaupt gelesen?
Eine OP "amortisiert sich bereits nach 3 Jahren" vs. "kann bis zu 2 Jahren Besserung bringen" - wie bitte?
Würde steht einem hierzulande wohl erst nach dem Tod zu.
Ausserdem ist allen gebetsmühlenartigen Wiederholungen anders lautender Behauptungen zum Trotz die Ursache von Diabetes nach wie vor unbekannt.
Korrelationen mit Symptomen sind da so beweiskräftig, wie der gleichzeitige Geburtenrückgang mit der, der Storchenpopulation.