Was Testpersonen erlebten: Kein Coach wie der andere

Neben unserer Autorin vereinbarten fünf weitere Testpersonen der Stiftung Warentest einen ersten Termin mit einem Coach. Fazit: Jedes Gespräch verläuft anders.
Wie läuft der erste Termin mit einem Coach ab? Was erwartet Personen, die sich coachen lassen möchten, im Erstgespräch? Das wollte die Stiftung Warentest wissen. Denn für den Ablauf dieser ersten Begegnung von Coach und Klient gibt es keine Standards. Fünf Testpersonen haben sich mit unserer Hilfe einen Coach gesucht und inkognito einen ersten Gesprächstermin wahrgenommen So sind wir vorgegangen. Alle Tester hatten ein echtes berufliches Anliegen, das sie im Coaching klären wollten.
Gespräch 1: Hilfe zur Selbsthilfe
Mit dem Wunsch nach Unterstützung bei der Berufswahl wendete sich Testperson Eins, eine Studentin, an einen Coach. Ihr Dilemma: Sie studiert auf Lehramt, möchte aber keinesfalls Lehrerin werden. „Ich habe zwar alternative Ideen für meinen Berufsweg, aber Angst davor, falsche Entscheidungen zu treffen“, so die Testerin vorab. Der kontaktierte Coach bat sie zu einem kostenlosen Kennenlerngespräch. Die Studentin erlebte das rund 35-minütige Treffen als durchweg positiv. Sie beschrieb den Coach als offen, professionell, humorvoll und klar. So korrigierte er etwa falsche Erwartungen: Ihren Wunsch nach dem ein oder anderen „Tritt in den Hintern“, könne er nicht erfüllen, stellte er richtig. Stattdessen könne er sie aber dabei unterstützen, sich selbst zu helfen, wenn sie mal wieder einen Durchhänger habe. Ein Coaching bei diesem Coach wäre für die Studentin ohne weiteres vorstellbar.
Gespräch 2: Guter Eindruck getrübt
Unsicherheit bei der Berufswahl – dieses Motiv führte auch Testperson Zwei zu einem Coach. Die Absolventin eines Wirtschaftspsychologie-Studiums wollte mit professioneller Hilfe klären, welche Richtung sie beruflich einschlagen möchte. Auch in diesem Fall lud der kontaktierte Coach zu einem kostenlosen Kennenlerngespräch. Die Testperson erlebte die Begegnung zunächst als positiv. Sie fühlte sich verstanden und gelangte während des rund 60-minütigen Termins zu der Erkenntnis, dass sie ihr Studium offenbar unterschätzt hatte und ihr mehr Wege offen stehen als gedacht. Den guten Eindruck trübte dann aber eine Randbemerkung des Coaches: Er empfahl ihr nämlich, sich einen Beruf zu suchen, mit dem sie viel Geld verdienen könne. „Darüber habe ich mich sehr geärgert“, sagte unsere Testerin im Nachhinein. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Coach meine Werte und Motive im Hinblick auf die Berufswahl stärker hinterfragt.“ Weitere Sitzungen bei diesem ihr sonst sympathischen Coach konnte sich die Testperson daher nicht vorstellen.
Gespräch 3: Erste Strategien
Einen souveräneren Umgang mit seinen Mitarbeitern wünschte sich Testperson Drei, Geschäftsführer eines kleines Unternehmens, von einem Coaching. Bei der telefonischen Terminvereinbarung hieß es, im ersten Gespräch ginge es vor allem darum, sich kennenzulernen und zu schauen, ob man miteinander arbeiten wolle. Tatsächlich ging die Begegnung aber deutlich darüber hinaus. Der Coach analysierte gemeinsam mit unserem Tester auf einem Blatt Papier die Firmenstruktur und die Beziehungen aller Beteiligten zueinander. Durch die gezielten Fragen des Coaches gelang es dem Firmenchef, erste Strategien für einen besseren Umgang mit seinen Mitarbeitern zu entwickeln. Das Gespräch dauerte gute eineinhalb Stunden und kostete knapp 60 Euro. Sachlich, professionell, unparteiisch – so beschrieb unser Tester den besuchten Coach. Dennoch war er unsicher, ob er ihn ein weiteres Mal in Anspruch nehmen würde. Der Tester hatte erwartet, dass er während des Gesprächs noch mehr über sich selbst und seine Verhaltensmuster erfährt.
Gespräch 4: Problem gelöst
Wie schaffe ich es, meinen Auszubildenden zu motivieren? Mit dieser Frage trat Testperson Vier, Mitarbeiterin eines mittelständischen Unternehmens, an einen Coach heran. Bereits bei ihrem Anruf hinterfragte dieser ihr Anliegen intensiv. „Bei unserem Treffen sprachen wir nur noch kurz über den Anlass meines Besuchs, dann begann das Coaching“, erzählte die Testperson. Dabei forderte der Coach unsere Testerin zum Beispiel auf, sich in ihren Auszubildenden hineinzuversetzen und seine Perspektive einzunehmen. Fragen seitens des Coaches ließen sie im Laufe der Sitzung unter anderem erkennen, dass sie ihren Azubi zu selten lobt. Nach gut zwei Stunden hatte unsere Testerin ihr Problem gelöst und einen Fahrplan für die weitere Zusammenarbeit mit ihrem Lehrling erarbeitet. Das Coaching kostete rund 260 Euro. Bei Bedarf würde die Testerin den Coach jederzeit wieder aufsuchen.
Gespräch 5: Anders als geplant
Warum schaffe ich es nicht, meine Dissertation abzuschließen? Was blockiert mich beim Schreiben? Diese Fragen wollte Testperson Fünf für sich klären und vereinbarte dafür einen Termin mit einem Coach. Das erste Gespräch sollte laut Coach ein maximal 90-minütiges Kennenlerngespräch sein. Kurz vor dem Termin kam für unseren Tester überraschend eine Frage hinzu: Der Doktorand hatte eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekommen und musste nun entscheiden: Nehme ich im Fall einer Zusage das Jobangebot an oder beende ich besser die Promotion? Bei dem Termin stieg der Coach mit dem Tester gleich in das Coaching ein. Er fragte zunächst nach der Schreibblockade und wollte wissen, ob der Doktorand dieser auch positive Aspekte abgewinnen könne. Im weiteren Verlauf fragte der Coach dann, ob der Tester aus aktuellem Anlass für das Jobinterview üben wolle, was dieser gern annahm. Unser Tester kam sehr angetan von der wertschätzenden Art des Coaches von dem Termin zurück und fühlte sich auf das bevorstehende Vorstellungsgespräch gut vorbereitet. Was den ersten Teil der Sitzung betrifft, äußerte unser Tester aber auch Kritik: „Beim Thema ’Schreibblockaden’ fehlte mir der rote Faden. Mir war häufig nicht klar, warum und mit welchem Ziel der Coach bestimmte Tools für die Bearbeitung des Themas wählte.“ Irritiert hatte den Doktorand auch die Dauer der Sitzung. Anders als angekündigt dauerte das Gespräch nämlich ganze zweieinhalb Stunden. Die Sitzung kostete insgesamt 100 Euro. Der Tester würde diesen Coach kein zweites Mal aufsuchen.
Fazit: Jedes Gespräch ist anders
Die Erlebnisse unserer Tester zeigen: Jeder Coach gestaltet das erste Treffen anders. Mal beschränkte sich die Begegnung auf das Kennenlernen, mal stieg der Coach auch in das Coaching ein. Interessierte sollten daher bei der Terminabsprache erfragen, welchen Charakter das Erstgespräch hat, wie lange es dauert und was es kostet. Vor einem Coaching sollte sich der Klient außerdem überlegen, welche Erwartungen (zum Beispiel „Tritt in den Hintern“) er an den Coach und das Coaching hat und diese im Erstgespräch notfalls auch ungefragt ansprechen. Das kann falschen Vorstellungen und Enttäuschungen vorbeugen.