
Demenzkranke handeln oft anders als erwartet. Eine gute Haftpflichtversicherung ist für sie unentbehrlich.
Herd aus, Tür zu: Nicht nur die Hilfe von Freunden und Angehörigen ist für Demenzkranke unentbehrlich. Auch gut lesbare Notizen an Küchen- und Wohnungstür leisten einen wichtigen Beitrag, dass sich Betroffene trotz der Krankheit in ihren eigenen vier Wänden zurechtfinden. Doch was, wenn trotzdem etwas passiert? Eine private Haftpflichtversicherung ist für Demenzpatienten und deren Angehörige unerlässlich. test.de sagt, was gute Policen leisten sollten.
Versicherung muss nicht jeden aufnehmen
Die Gefahr ist immer da: Ein Waschbecken läuft über, das vergessene Bügeleisen löst einen Schwelbrand aus oder der Kranke läuft in einem unbeobachteten Moment aus dem Haus und vor ein Auto. Um dann zumindest finanzielle Nachteile abzufedern und für Ersatzansprüche nicht selbst geradestehen zu müssen, ist eine private Haftpflichtversicherung ein Muss. Jeder sollte so eine Police besitzen. Es gibt nur ein Problem: Die Anbieter sind nicht verpflichtet, jeden Interessenten aufzunehmen. Außerdem können sie bestehende Verträge kündigen, wenn ihnen die Kosten zu hoch werden oder der Kunde Risiken verschwiegen hat.
Patienten bleiben versichert
Deshalb warnt das Familienministerium im Internet: Demenz sei eine nachträgliche Gefahrerhöhung, über die die Versicherung informiert werden müsse. „Wer das versäumt, riskiert, dass die Leistung verweigert wird.“ Selbst mit der Meldung seien Kunden noch nicht aus dem Schneider. Laut Ministerium müssen sie dann mit Beitragserhöhungen rechnen. „Im schlechtesten Fall kündigt der Versicherer.“ Vergleichbare Warnungen sind auf der Internetseite der Alzheimer Gesellschaft zu lesen. Laufen die 1,4 Millionen Demenzkranken in Deutschland also Gefahr, bald ohne Versicherungsschutz dazustehen? Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft will man davon nichts wissen. „Demenz ist keine Gefahrerhöhung“, sagt Sprecherin Katrin Rüter de Escobar. „Es gibt keine Pflicht, sie zu melden. Die Patienten bleiben versichert.“
Keine Zuschläge, keine Kündigung
Die Stiftung Warentest hat nachgefragt bei den Versicherern mit den besten Angeboten aus unserer Analyse Private Haftpflichtversicherung . Keiner der Anbieter fragt im Antrag, ob der Interessent an Demenz leidet, keiner kassiert bei einer Erkrankung Zuschläge, keiner droht mit Kündigung oder verlangt eine nachträgliche Meldung. Im Gegenteil. Die Gesellschaften versichern, im Ernstfall zu leisten. Das bestätigen auch andere Anbieter: „Wir kündigen nicht wegen einer Erkrankung“, schreibt die Ammerländer. „Demenz muss weder gemeldet werden noch kann der Versicherer kündigen“, bestätigt die Gothaer. „Keine Meldepflicht“, sagt die Allianz. Nach der Anfrage von test will das Bundesfamilienministerium seine Webseite nun aktualisieren.
Oft zahlt die Versicherung trotzdem nicht
Wenn die Versicherung im Schadensfall trotzdem nicht zahlt, hat das einen anderen Grund: Wer dement ist, gilt laut Gesetz als „deliktsunfähig“. Wenn er nicht gerade einen lichten Moment hat, muss er für Schäden nicht haften – ähnlich wie Kinder unter sieben Jahre. Konkret bedeutet das: Wenn ein Sechsjähriger mit dem Rad an einem Auto entlangschrammt, erhält der Besitzer ebenso wenig Schadenersatz, wie wenn ein Alzheimerpatient mit dem Rollator dasselbe tut. Das gilt auch, wenn der Patient versichert ist: Die Versicherung zahlt nur, wenn er dazu verpflichtet wäre.
Haftpflicht- agiert als Rechtsschutzversicherung
Zieht der Autofahrer dagegen vor Gericht, leistet die Privathaftpflicht: Sie wehrt die Ansprüche auf eigene Kosten ab, auch vor Gericht. In der Praxis wirkt sie dann wie eine Rechtsschutzversicherung. Für Angehörige von Demenzkranken kann das trotzdem zum Problem werden. Das Gefühl, im Recht zu sein, hilft wenig, wenn der geschädigte Autofahrer ein netter Nachbar oder Kollege ist. Wer es sich mit ihm nicht verscherzen möchte, versichert Deliktsunfähigkeit mit. Dann zahlt die Gesellschaft auch, wenn der Kunde rein rechtlich nicht haftbar ist. Bei den Anbietern in der Tabelle ist diese Klausel meist ohne Mehrkosten im Vertrag enthalten. Allerdings gilt oft ein Limit von 10 000 Euro.
Tipp: Sehen Sie in Ihrer Police nach, ob Deliktsunfähigkeit versichert ist. Vor allem bei alten Verträgen ist das oft nicht der Fall. Achten Sie darauf, dass der Schutz nicht auf Kinder begrenzt ist. Bei der Interrisk etwa steht „versicherte Person“, bei der Gothaer „Kinder/Sonstige Personen“. Beide Formulierungen beziehen auch erwachsene Demenzkranke ein. Um eine Police aufzurüsten, genügt oft ein Anruf. Es ist nicht nötig, auf eine bestehende Demenz hinzuweisen – es sei denn, der Versicherer fragt danach.
Aufsichtspflicht verletzt?
Ein weiteres Risiko, das Angehörige von Demenzkranken im Blick behalten sollten: Sie können selbst zum Ziel von Schadenersatzansprüchen werden – und zwar, wenn der Geschädigte beweist, dass sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Eine solche Pflicht trifft aber selbst Eheleute nur in besonderen Fällen: zum Beispiel, wenn sie als amtliche Betreuer die volle Personensorge für den kranken Partner übernommen haben. Auch als Haushaltsvorstand können sie mithaften, wenn sie auf vorhersehbare Gefahren nicht angemessen reagieren. Wer also weiß, dass der Patient mit dem Rollator regelmäßig Blechschäden produziert und ihn auf vollbesetzten Parkplätzen dennoch allein lässt, muss damit rechnen, dass Autobesitzer ihn zur Kasse bitten. Unter anderem deshalb sollten Angehörige unbedingt eine eigene Haftpflichtpolice besitzen. Sie zahlt auch bei grob fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht.
Keine Angst vor einem Rauswurf
Was vorkommen kann, ist, dass Versicherer nach einem Schaden kündigen. Dazu sind sie nach jedem Schadensfall berechtigt. Wenn das passiert, sollten Kunden zeitnah bei einem sehr guten anderen Anbieter anheuern.
Tipp: Die Haftpflicht ist eine der wichtigsten Versicherungen. Jeder sollte sie haben. Mit dem Haftpflicht-Vergleich der Stiftung Warentest können Sie gute und günstige Tarife finden.
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Nach mehrmaliger Nachfrage und unter Hinweis auf ihre Versicherungsbedingungen hat die HUK24 eingesehen, dass der Ehepartner auch in einem Pflegeheim versichert ist :-)
@ST: Vielen Dank. Die HUK24 hat mir heute für einen neuen Vertrag das Gegenteil mitgeteilt.
@Imsomnia: In den aktuellen Bedingungen ist die Mitversicherung des Ehepartners in einer Privathaftpflichtversicherung für die Familie gegeben. Denn eine „häusliche Gemeinschaft“ wird hier bei Ehepaaren nicht gefordert. Bei älteren Verträgen sollten Sie sich noch einmal vergewissern, was in den Bedingungen steht. Anders sieht es z.B. bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus. (maa)
Hallo ST Team,
gibt es Haftpflichtversicherungen die den Ehepartner, im Rahmen einer Partnerversicherung mitversichern, obwohl dieser dauerhaft in einem Pflegeheim untergebracht ist (kein gemeinsamer Haushalt?)
Danke für Ihre Unterstützung
Der Artikel geht auf die Betreuung eines Demenzkranken durch einen amtlichen Betreuer ein. Aber wie ist die Versicherungsnotwendigkeit bei Demenz im Pflegeheim, Altersheim, Seniorenheim?