Demenz Das können Sie tun

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Die meisten Formen der Demenz sind nicht heilbar. Doch es gibt Möglichkeiten, um den Verlauf der Krankheit zu verzögern.

Worum geht es bei Romeo und Julia? Die Senioren am Kaffeetisch stecken die Köpfe zusammen und rätseln. Doch spontan kann keiner von ihnen die Frage der Gruppenleiterin beantworten. Nachdenken und erinnern fällt den alten Menschen schwer. Sie haben Demenz.

Alle zwei Wochen kommen sie in die Betreuungsgruppe, die der kirchliche Träger Diakonie für Demenzkranke anbietet. Jeder Teilnehmer hat einen ehrenamtlichen Betreuer für diese Zeit. Die Pädagogin Cindy Reichert organisiert die Nachmittage: „Das sind zwei Stunden, in denen Menschen mit Demenz mit anderen gemeinsam singen, Karten spielen und miteinander lachen.“

Spiele und Lachen sind jedoch nicht das, woran man beim Thema Demenz denkt. Jeder zweite Deutsche fürchtet sich vor der Erkrankung, ergab jüngst eine DAK-Studie.

„Wir verlieren, was uns ausmacht“

Demenz ist eine Hirnleistungsstörung. Sie ist nicht mit der üblichen Vergesslichkeit im Alter gleichzusetzen. Die Betroffenen verlieren nach und nach ihr Gedächtnis. Es fällt ihnen immer schwerer zu denken, zu sprechen und sich zurechtzufinden.

Die Angst vor der Krankheit ist daher nicht verwunderlich, sagt Klaus Hager, der als Arzt für Geriatrie am Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung in Hannover täglich Demenzpatienten behandelt. „Schließlich verlieren wir durch eine Demenz, was uns ausmacht – unsere Erinnerung, teilweise sogar unsere ganze Persönlichkeit.“

Am häufigsten ist es Alzheimer

Etwa 1,2 Millionen Deutsche leben mit der Diagnose Demenz. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz: Rund 60 Prozent aller Demenzkranken haben sie. Als Ursache vermuten Forscher eine Fehlregulation von Botenstoffen und schädlichen Ablagerungen im Gehirn. Durch diese sterben vermehrt Gehirnzellen ab. Andere Demenzformen werden beispielsweise durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht.

Die meisten Demenzen können nicht geheilt werden (Ausnahmen siehe „Formen der Demenz“). Doch wer rechtzeitig von der Erkrankung erfährt und aktiv wird, kann den Verlauf verzögern.

Beim ersten Verdacht zum Arzt

Bereits beim ersten Verdacht (siehe rechts) sollte der Hausarzt aufgesucht werden. Experten empfehlen, sich im Zweifelsfall vom ihm in eine Gedächtnissprechstunde überweisen zu lassen. „Die speziell geschulten Mediziner dort haben viel mehr Zeit für den Patienten. Die Diagnose Demenz ist doch für das restliche Leben von immenser Bedeutung. Das sollte man nicht nebenbei untersuchen“, sagt Hans Gutzmann, der im Berliner Krankenhaus Hedwigshöhe Gedächtnissprechstunden durchführt. Im Gespräch, mit Merkaufgaben und Zeichentests (siehe „Krankheitsphasen“) versuchen die Experten herauszufinden, ob es sich um die übliche Altersvergesslichkeit oder bereits um erste Anzeichen einer Demenz handelt.

Auch körperliche Untersuchungen mit Bluttests oder Kernspintomografie gehören dazu. Denn manchmal haben Gedächtnislücken eine ganz andere Ursache: Auch schwere Leber- oder Nierenschäden, Blutarmut oder eine schwere Depression können dazu führen. Diese Erkrankungen können oft behandelt werden, und die Demenz-Symptome gehen dann zurück.

Die Ärzte fragen auch, welche Arzneimittel der Patient einnimmt. So können zum Beispiel Schlafmittel ebenfalls zu Gedächtnisproblemen führen.

Absterben der Gehirnzellen verzögern

Steht jedoch die Diagnose Demenz fest, gilt es, den Verlauf zu verzögern. Medikamente können aber nur wenig helfen – zumal es spezielle überwiegend nur für Alzheimer-Demenz gibt siehe Tabelle „Medikamente“). Azetylcholinesterasehemmer sind nur eingeschränkt wirksam. Die Wirkstoffe verhindern den Abbau des Botenstoffs Azetylcholin. Der ist fürs Denken und Lernen wichtig, doch bei Alzheimerpatienten zu wenig vorhanden.

Doch auch diese Arznei kann das Absterben der Gehirnzellen nicht wesentlich aufhalten, sondern nur um ein paar Monate verzögern. Haben die Fähigkeiten des Betroffenen mit der Zeit auf einen bestimmten Umfang abgenommen, sollte das Medikament abgesetzt werden. Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Durchfall würden sonst den Nutzen überwiegen.

Ginkgo ist wenig geeignet

Ginkgo ist für die Behandlung wenig geeignet. Die Wirksamkeit des Pflanzenextraktes ist nicht genügend belegt. Können Azetylcholinesterasehemmer nicht zur Behandlung eingesetzt werden, ist jedoch ein Versuch mit Gingko vertretbar.

Keine Beruhigungsmittel geben

Viele Betroffene werden depressiv oder erleben Angstzustände, nachdem sie die Diagnose erfahren haben. Auch diese Begleiterscheinungen können mit Medikamenten behandelt werden. Gegen schwierige Verhaltensweisen wie Aggressivität verordnen Ärzte zunehmend Beruhigungsmittel – mit fatalen Folgen. „Die häufig verordneten Neuroleptika führen nachweislich zu einem früheren Tod von Demenzpatienten“, sagt der Arzneimittelexperte Gert Glaeske von der Universität Bremen. Sie seien daher für eine Behandlung ungeeignet.

Tanzen oder Riechen als Therapie

Um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, sind andere Methoden bedeutsam: Ziel ist es nicht unbedingt, Neues zu lernen, sondern vor allem die noch vorhandenen Fähigkeiten zu trainieren. Wichtig in der Behandlung von Menschen mit Demenz ist das Erinnern. Betreuer, Angehörige und Therapeuten ermuntern die Betroffenen, sich an positive Momente in ihrem Leben zu erinnern. Fotos oder Accessoires aus früheren Zeiten helfen dabei. Körperliche Aktivität regt ebenso das Gehirn an. Daher kann Krankengymnastik oder Wandern, Schwimmen und Tanzen helfen, sich fit zu halten. Das Sprechen fällt im Verlauf der Demenz schwerer. Auch hier hilft Training, zum Beispiel eine Sprechtherapie.

Ist die Demenz fortgeschritten, erleben Betroffene die Umwelt vor allem über ihre Sinne. Der Therapeut nutzt dann Düfte, Klänge oder Lichter, der Patient lauscht oder riecht mit geschlossenen Augen. Diese Methode heißt Snoezelen.

Soziale Kontakte halten fit

Auch im Alltag können sich Betroffene der Erkrankung entgegenstellen. Der beste Weg: aktiv bleiben. „Sie sollten ihre Interessen verfolgen, etwa Musik oder Sport. Das Wichtigste: Sie sollten sich nicht zurückziehen, sondern Freunde treffen, unter Menschen gehen“, sagt Gutzmann. Doch aus Scham und Angst brechen Menschen mit Demenz oft den Kontakt zu Freunden ab.

Tipp: Eine Selbsthilfegruppe kann da helfen. Die Betroffenen sind unter sich, tauschen sich aus, sprechen sich Mut zu. Hin und wieder unternehmen sie etwas gemeinsam. Wo es diese Gruppen gibt, teilt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit. Alzheimer-Telefon: 0 180 5/17 10 17.

Pflegende Angehörige entlasten

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Pflegekassen und Wohlfahrtsverbände bieten Beratungen und Pflegekurse für Angehörige an. Denn mehr als die Hälfte aller an Demenz Erkrankten wird zuhause gepflegt, die meisten von ihren Angehörigen. Für sie ist die Situation meist psychisch und körperlich belastend, Hilfe dringend nötig.

Entlastungsmöglichkeiten stehen zum Beispiel mit ambulanten Pflegediensten zur Verfügung oder mit stationärer Betreuung am Tag. Aber nur wer eine Pflegestufe zwischen 1 und 3 hat, dem bezahlen die Pflegekassen solche Entlastungsangebote.

Ohne Pflegestufe können Demenzkranke Unterstützung von der Pflegekasse erhalten, wenn sie in bestimmtem Maße hilfebedürftig sind. Gutachter vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen prüfen das. Dann bezahlen die Pflegekassen bis zu 100 Euro im Monat für Betreuung, in schweren Fällen 200 Euro. Die Kassen übernehmen die Kosten für Besuchsdienste zuhause oder für eine Betreuungsgruppe außer Haus, wie die der Diakonie in Berlin.

„Es geht um Liebe“

Dort, in Karlshorst, werden die Teilnehmer mit Bewegung, Musik und Spielen körperlich und geistig gefordert. Rätsel regen zum Nachdenken an: Wer gehört noch mal zu Romeo? Das wissen die meisten. An die tragische Geschichte des jungen Paares erinnern sie sich hingegen nicht mehr im Detail, nur: „Es geht um Liebe.“ Auch was die Demenzpatienten am Betreuungsnachmittag gemacht haben, wissen sie beim nächsten Mal nicht mehr. Wohl aber, dass sie sich gut aufgehoben fühlten.

Tipp: Mehr zu Demenz erfahren Sie im Internet auf www.test.de/special-demenz. Tipps zur finanziellen Unterstützung finden Sie in der aktuellen Ausgabe von Finanztest 08/2011. Übrigens: Seit Mai dürfen in Deutschland Haushaltshilfen aus Osteuropa uneingeschränkt arbeiten (siehe Meldung „Hilfe aus Osteuropa“).

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gundiG am 19.01.2016 um 20:33 Uhr
Schlimmes Thema

Nicht nur unsere Mutter sondern genauso wir litten schwer unter der voranschreitenden Demenz. Aggressionen gab es Gott sei Dank zu keinem Zeitpunkt. In der Psychiatrie (Demenzgruppe) haben wir tolle Unterstützung sowie hilfreiche Tipps erhalten. Ebenso war der Austausch zwischen anderen betroffenen sehr hilfreich. Da wir unsere Eltern aber nicht mehr alleine lassen konnten, haben wir uns für eine osteuropäische Pflegekraft entschieden. Sie ist rund um die Uhr vor Ort und wir können beruhigt unseren Tagesablauf gestalten. Der Gesundheitszustand unserer Mutter hat sich seither deutlich verbessert. In die Demenzgruppe geht sie noch weiterhin und .......* hat uns bei der Suche nach einer weiteren deutlich kleineren Gruppe geholfen. Unsere beiden Helferinnen haben wir durch diese Firma erhalten. Wichtig ist einfach die Ruhe und das gewohnt Umfeld Zuhause. Als unsere Mutter für wenige Tage in die Kurzzeitpflege musste, kam sie in einem deutlich schlechteren Zustand wieder nach Hause.

*gelöscht, wegen Schleichwerbung