
Kompromittierende Fotos, verräterische Links und peinliche Kommentare: Wer solche Spuren im Internet loswerden möchte, braucht viel Zeit, Hartnäckigkeit und etwas Glück.
Der neue Job schien Jule sicher. „Ich denke, Sie werden unsere Verkehrsrechtsexpertin“, hatte der Chef der Anwaltskanzlei sie verabschiedet. Ein paar Tage später platzt der Traum mit einer kurzen Mail aus der Kanzlei: „Ist das unsere neue Kollegin?“ Darunter ein Foto von Jule mit Cocktail am Steuer. Ein Freund hatte die Aufnahme bei Facebook gepostet und mit Jule verlinkt. Auch der Chef der Kanzlei ist bei Facebook unterwegs. Aus für Jule.
Der Fall ist nicht echt, aber durchaus realistisch: Personalabteilungen scannen heute die Onlinespuren ihrer Bewerber.
Feldversuch mit Allerweltsbeiträgen
Das Internet vergisst nichts. Es sei denn, wir achten auf unsere Daten und beharren im Einzelfall auf Löschung. Funktioniert das? Lassen sich Foreneinträge und Fotos zuverlässig entfernen?
Ein Feldversuch: Wir beginnen im Juli 2014, Deutschland ist gerade Fußballweltmeister geworden. Eine Handvoll Testpersonen legt Spuren in verschiedenen Foren. Es sind Allerweltsbeiträge, keine wüsten Beleidigungen. Aber doch Einträge, die der Autor irgendwann bereuen könnte. Zum Beispiel Robert. Er schrieb in einem Forum: „Soll Amazon doch nach Rumänien gehen und nur noch dort verkaufen.“

Peinlicher Eintrag. Eine Löschfunktion hilft, verbale Fehltritte zu korrigieren.
Drei Agenturen im Test
Die Tester posten bei Computerbase.de, Gutefrage.net, Mobiflip.de und Techstage.de. Im Laufe von drei Monaten entstehen ein paar Dutzend Beiträge. Wir haben diese Foren ausgewählt, weil sie keine direkte Löschfunktion bieten. Mal sehen, ob und wie sich Einträge dennoch wieder entfernen lassen.
Wir schicken drei Agenturen ins Rennen, die Reputationsmanagement und Datenlöschen als Dienstleistung anbieten: Dein-guter-Ruf.de, Web-Killer.de und Reputation-Defender.de. Die hilfreichen Geister sollen die als peinlich empfundenen Beiträge entfernen. Die Dienstleistung kostet zwischen 29,95 und mehr als 200 Euro pro Forumbeitrag. Für diesen Preis schreiben die Agenturen an den Betreiber des Forums und bitten um Löschung. Selbst löschen können die Agenturen natürlich nicht. Web-Killer zündet ein multimediales Benachrichtigungs-Feuerwerk von Mail, Fax und Brief. Zur Kontrolle versuchen einige Tester, die Löschung selbst zu erreichen: per Mail an den Betreiber des Forums. Ergebnis: Bei den meisten Foren haben beide Erfolg: Agenturen und Tester. Nur Gutefrage.net weigert sich zunächst, Beiträge zu löschen oder zu anonymisieren.
Unechte Profile auf Facebook und Co.
Eine zweite Testmannschaft tummelt sich in sozialen Netzwerken und auf Plattformen wie Youtube, Instagram und Twitter. Mehrere Testpersonen veröffentlichen Fotos und Kommentare. Ihre Profile sind nicht echt. Die Emma Fischer, die für uns auf Facebook postet, heißt nicht so. Auch Jan Christopher Meyer ist eine Kunstfigur. Zur Sicherheit, damit unseren Testern keine Nachteile entstehen.
Foto auf fremder Profilseite löschen

Verräterische Links. Fotos bei Facebook & Co. geben viel preis. Ein Klick auf Anna zeigt ihre Welt – durch Verlinkung zu ihrer Profilseite. Der Link lässt sich löschen.
Jeder Tester veröffentlichte auf seiner Seite bei Facebook und Co. jeweils ein Foto eines anderen Testers. Der versucht nun, seine Abbildung löschen zu lassen. Unsere Tester nutzen die Meldefunktionen der Netzwerke. Sie klicken zum Beispiel bei Facebook „Foto melden“ und begründen das so: „Ich bin auf dem Foto und es gefällt mir nicht.“ Das hilft. Facebook entfernt die Verknüpfung, Foto und Text verschwinden von der Webseite des Abgebildeten. Der Chef der Anwaltskanzlei hätte den verhängnisvollen Schnappschuss von Jule nicht mehr auf ihrer Facebook-Seite gefunden. Das funktioniert so oder ähnlich bei allen sozialen Netzwerken im Test.
Wir haben auch zwei der Agenturen eingeschaltet, die Datenlöschen als Dienstleistung anbieten. Sie erweisen sich in diesem Fall als machtlos. Geld kostete der Auftrag trotzdem. Soll ein Foto oder ein Text auch von der fremden Profilseite verschwinden, wird es komplizierter. Die Entscheidung über Löschen oder Nichtlöschen liegt beim Urheber, zumindest wenn er das beanstandete Foto selbst gemacht hat. Im Zweifelsfall müsste der Abgebildete belegen, dass die Aufnahme ohne sein Einverständnis entstand. Unter echten Freunden hilft oft eine Bitte, und das Foto verschwindet. Mit etwas Glück haben auch entferntere Facebook-Bekanntschaften ein Einsehen und löschen. Sonst bleibt nur der Rechtsweg, um den Autor eines Beitrags zu zwingen.
Beharrlichkeit bringt weiter
Dass sich Hartnäckigkeit auszahlen kann, erleben wir zum Ende des Tests. Das Forum Gutefrage.net reagiert doch noch und löscht den Beitrag, den es zuvor stehenließ. Auslöser war offenbar eine weitere Anfrage der Löschagentur Web-Killer.de. Die Reaktion von Gutefrage.net fällt radikaler aus als erwünscht: Der Testkunde verliert seinen Zugang. Seine restlichen Beiträge bleiben erhalten, laufen jetzt aber unter geänderten Namen (user 0815). Für einen Forumliebhaber, der sich einen Ruf aufgebaut hat, ist das keine gute Lösung.
Lesen Sie im nächsten Heft: Digitaler Nachlass – Was wird aus den Profilen bei Facebook & Co, wenn ihr Urheber stirbt?
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Statt einem Löschdienst 200€ zu geben für eine Leistung, die man leicht selbst erbringen kann, würde ich das Gelder eher in einen Anwalt investieren und den Rechtsweg beschreiten wenn es wirklich sein muss.
Soweit ich weiß, lassen sich tatsächlich beleidigende oder gegen das Urheberrecht verstoßende Tweets schon löschen, in dem man bei Twitter ein längeres Formular ausfüllt.
Der Grund "Dieser Tweet ist nervig" sorgt dafür, dass der Tweet und dessen Urheber für den Meldenden nicht mehr sichtbar und somit blockiert ist, an sich aber noch für andere sichtbar, bestehen bleibt.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Hallo Antefix,
bis wann definieren Sie "Jung únd Alt"?
Ab 14 Jahren ist man bekanntlich strafmündig und für seine Untaten selbst
verantwortlich.
Ab 18 Jahren kan ich ohne Begleitung Auto fahren.Ich bin dann zwar
etwas älter als 14,fühle mich aber immer noch Jung.Ihrer Meinung zufolge,
dürfte ich dann bei einer Verkehrswidrigkeit auch nicht so hoch belangt
werden,als wenn ich z.B.30 Jahre alt bin?
Die Mehrzahl der Leser - bis hierher - hat sich womöglich 'ertappt' gefühlt und würde keinen Datenlöscher (mit)finanzieren wollen. Verständlich, aber nur für den Fall, dass die Peinlichkeiten nicht selbst verursacht worden sind. Man denke an Prominente wie Bettina W. Aber was hat sie nicht auch für einen Aufwand treiben müssen, um da heil bei rauszukommen. War bestimmt auch nicht billig (hätte eine RSV / Rechtsschutzversicherung kaum finanziert, weil noch Neuland).