
Begehbarer Darm. Das größte Modell in Europa gehört der Felix-Burda-Stiftung. Es kann zu Aufklärungszwecken ausgeliehen werden, etwa von Kommunen oder Krankenhäusern.
Darmkrebs ist bei Männern die dritthäufigste, bei Frauen sogar die zweithäufigste Tumorerkrankung in Deutschland. Etwa 62 000 Menschen erkranken pro Jahr, 25 000 sterben jährlich daran. Früh entdeckt, stehen die Heilungschancen aber gut. Doch viele Menschen nehmen Leistungen der Darmkrebsvorsorge wie Darmspiegelung und Stuhltest nicht in Anspruch – sei es aus Unwissenheit oder aus Scham. Ein neues Screeningprogramm der Krankenkassen soll mehr Menschen zum Mitmachen bewegen.
Schriftliche Einladung plus Infomaterial
Seit dem 19. April 2019 können gesetzlich Krankenversicherte das neue organisierte Screeningprogramm zur Früherkennung von Darmkrebs in Anspruch nehmen. Es umfasst mehrere Untersuchungen in unterschiedlichen Zeitabständen. Künftig werden gesetzlich Versicherte dann von ihrer Krankenkasse per Brief zur Darmkrebsfrüherkennung eingeladen – und zwar alle fünf Jahre ab dem 50. bis zum 65. Geburtstag.
Wichtig: Auch ohne eine solche Einladung ist die Teilnahme möglich – vorausgesetzt, das Alter stimmt.
Bislang nutzen nur 20 Prozent die Früherkennungsmöglichkeiten
Die Einladung enthält ausführliche Informationen zu den angebotenen Untersuchungen, Datenschutz, Widerspruchsrechten und Programmbeurteilungen. Das Einladungsverfahren ist Teil des neuen Darmkrebs-Screenings, das auf Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses deutschlandweit gilt. Bisher gibt es Einladungen dieser Art nur für die Mammografie (Früherkennung Brustkrebs). Erfahrungen zeigen, dass Einladungen, die Bereitschaft mitzumachen, steigern können. Denn bislang nutzten nur etwa 20 Prozent der Anspruchsberechtigten das Angebot zur Früherkennung.
Tipp: Was die Gesetzlichen Krankenkassen an zusätzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen für Frauen bieten, zeigt der Krankenkassenvergleich der Stiftung Warentest.
Darmspiegelung schon ab 50 möglich
Wichtigste Untersuchung im Rahmen des Screeningprogramms ist die Darmspiegelung – in der Fachsprache Koloskopie genannt. Männer können sie jetzt bereits ab dem 50. Geburtstag auf Kassenkosten in Anspruch nehmen. Das ist fünf Jahre früher als bisher. Grund: Sie erkranken häufiger und vor allem früher an Darmkrebs als Frauen. Die Darmspiegelung gilt als aufwendig, aber als zuverlässigste Methode. Fachärzte wie Gastroenterologen untersuchen dabei mithilfe eines Schlauchendoskops den Dickdarm auf Gewebeveränderungen und können Krebsvorstufen wie Polypen direkt entfernen. Die Ergebnisse einer Langzeitbeobachtung der Universität Pennsylvania belegen, dass eine Spiegelung das Risiko, an Darmkrebs zu sterben in den folgenden zehn Jahren deutlich vermindert: Die Spiegelung senkt das Risiko um knapp 70 Prozent.
Wer früh einsteigt, hat Anspruch auf zwei Tests
Für Frauen bleibt es vorläufig bei 55 Jahren als Einstiegsalter für eine Darmspiegelung. Beide Geschlechter können die Untersuchung ein zweites Mal auf Kassenkosten vornehmen lassen – aber erst nach zehn Jahren Mindestabstand, denn Darmkrebs entwickelt sich in der Regel langsam. Wer sich mit 65 Jahren oder später erstmals untersuchen lassen will, hat nur Anspruch auf eine einzige Früherkennungskoloskopie.
Tipp: Sind Sie familiär vorbelastet oder haben Sie unklare Beschwerden, können Sie schon früher eine Darmspiegelung auf Kassenkosten wahrnehmen, wenn der Arzt es für erforderlich hält. Denn der Anspruch auf eine Abklärungskoloskopie besteht jederzeit.
Stuhltest bleibt schnellere Alternative
Daneben gibt es eine zweite gesetzlich finanzierte Früherkennungsmethode – den immunologischen Stuhltest (iFOBT). Er ersetzt seit 2017 den früheren, chemischen Stuhltest. Beim immunologischen Test wird eine Stuhlprobe mittels Antikörpernachweis auf nicht sichtbare Blutspuren analysiert – möglicher Hinweis auf einen Tumor. Männer und Frauen im Alter von 50 bis 54 Jahren können ihn – wie bisher – jährlich machen lassen. Über 55-Jährige haben jedes zweite Jahr Anspruch darauf – solange keine Darmspiegelung gemacht wurde.
Wichtig zu wissen: Wird Hämoglobin im Stuhl nachgewiesen, kann dem Krebsverdacht nur mittels einer Darmspiegelung nachgegangen werden.
Einmaliges Beratungsgespräch
Ab sofort können sich Versicherte auf Kassenkosten auch ausführlich über das neue Vorsorgeprogramm von ihrem Arzt beraten lassen. Alle Vertragsärzte, die Darmkrebsfrüherkennung oder Gesundheitsuntersuchungen durchführen, dürfen die einmalige ausführliche Beratung über Ziel und Zweck des Screeningprogramms anbieten.
Tipp: Der Gemeinsame Bundesausschuss stellt neue Informationsbroschüren zum Angebot zur Verfügung – für Frauen und für Männer.
Lob und Kritik der Fachgesellschaften für das Krebs-Screening
Die deutschen Fachgesellschaften der Gastroenterologen sehen die Einführung des Screenings als wesentlichen Fortschritt, hätten sich in manchen Punkten aber weitergehende Regelungen gewünscht. So befürwortet die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), bei Männern bereits ab 45 Jahren mit der Früherkennung zu beginnen. Zudem wäre es laut DGVS sinnvoll, den Stuhltest zusammen mit dem Einladungsverfahren zu versenden. Auch sollte für Angehörige von Darmkrebspatienten ein früherer Beginn der Vorsorge festgelegt werden, da sie ein erhöhtes Krebsrisiko haben.
Weitere organisierte Programme für Krebsfrüherkennung folgen
Im vergangenen Jahr hatte der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme beschlossen. Das Darmkrebs-Screening ist das erste Programm, das davon umgesetzt wurde. Mit dem organisierten Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs soll 2020 ein weiteres Vorhaben aus der Richtlinie starten. Ab Januar kommenden Jahres werden dann alle gesetzlich versicherten Frauen zwischen 20 und 65 Jahren ebenfalls von ihrer Krankenkasse angeschrieben und über die Möglichkeiten der Früherkennung informiert. Auch hier gilt: Wer keine Einladung bekommt, kann trotzdem an dem neuen Programm teilnehmen.
Neu auch Tests für den Bereich des Gebärmutterhalses
Neu sind altersabhängige Untersuchungen: Bis zum 34. Lebensjahr können Frauen weiterhin einmal jährlich einen „Pap-Test“ durchführen lassen, der den Gebärmutterhals auf veränderte Zellen untersucht. Älteren Frauen wird dann stattdessen nur noch alle drei Jahre eine kombinierte Untersuchung aus „Pap-Abstrich“ und Test auf Humane ‧Papillomviren (HPV-Test) angeboten.
Diese Meldung ist erstmals am 5. Dezember 2013 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 5. Juni 2019.