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Übers Internet können Kleinanleger in Start-ups und Wachstumsunternehmen investieren. Die möglichen Renditen sind hoch – die Risiken aber auch. Die Experten der Stiftung Warentest erklären, wie Crowdinvesting funktioniert, welche Gefahren lauern, und worauf Anleger achten müssen.
Mit Risikokapital das neue Facebook, Netflix oder Tesla finden
Reich werden könnte so einfach sein: Man müsste nur wissen, welches Start-up mit seinem Produkt in Zukunft so richtig durchstarten wird. Dann investiert man früh in das Unternehmen und sahnt richtig ab, wenn aus der kleinen Klitsche das neue Facebook, Netflix oder Tesla geworden ist. Für professionelle Investoren ist das seit Langem ein Geschäftsmodell, das oft ganz gut funktioniert. Aber auch ihnen passieren amtliche Fehlinvestitionen. Nicht umsonst bezeichnet man das investierte Geld als Wagnis- oder Risikokapital.
Crowdinvesting: Wenn Kleinanleger auf große Renditen hoffen
Recht neu ist, dass sich über verschiedene Internetplattformen auch Kleinanleger an Start-ups beteiligen und so zum Mini-Investor werden können. Crowdinvesting nennt sich das, weil eine „Crowd“ (auf Deutsch: „Menschenmenge“) zusammen eine Finanzierung im meist sechsstelligen Bereich stemmt. Auch hier winkt die Chance auf großartige Renditen – aber es droht auch immer der Komplettausfall des investierten Geldes.
Was ist Crowdinvesting?
Beim Crowdinvesting investieren viele Menschen mit jeweils kleinen Beiträgen gemeinsam über Internetplattformen in Start-ups und wachsende Unternehmen. Mit dem Geld können die Firmen innovative Ideen entwickeln und umsetzen. Die vermittelnden Plattformen wählen Projekte und Unternehmen aus, stellen sie vor und nennen eine Zielsumme, die erreicht werden soll. In einem festgelegten Zeitrahmen können mögliche Anleger entscheiden, ob sie Geld investieren. Wird die Zielsumme in dieser Zeit nicht erreicht, erhalten die Anleger eingezahltes Geld zurück. Im besten Fall winken hohe Gewinne, im schlimmsten Fall verlieren sie alles, was sie eingesetzt haben.
- Chance.
- Beim Crowdinvesting lassen sich grob zwei Arten der Vergütung unterscheiden: Bei frischen Start-ups ist die feste Verzinsung oft minimal, dafür bieten sie eine Gewinnbeteiligung oder beteiligen die Anleger am Erlös, wenn das Unternehmen verkauft wird („Exit“). Kleine und mittlere Wachstumsunternehmen bieten Anlegern stattdessen einen festen, hohen Zins, wenn sie für einen bestimmten Zeitraum Geld zur Verfügung stellen.
- Risiko.
- Insolvenzen sind bei Start-ups wie auch bei Wachstumsunternehmen durchaus üblich. Dann endet die Risikokapitalanlage mit Verlust bis hin zum Totalausfall des Geldes.
Insolvenz ist reale Gefahr
Dass diese Gefahr durchaus real ist, beweisen in letzter Zeit mehrere Insolvenzen von Start-ups, die zuvor Geld von der Crowd eingesammelt hatten. So unter anderem die Firma MyCouchBox (siehe „Das dicke Ende“), die ihren Kunden jeden Monat eine Süßigkeiten- und Snackbox ins Haus schickte oder Freygeist, die an einem besonders leichten und modernem E-Bike arbeiteten.
Beispiel Panono
Insolvenzverfahren können dauern, und oft ist lange nicht klar, ob Anleger etwas von ihrem Geld wiedersehen. So ist es zum Beispiel beim Start-up, das den Kameraball Panono entwickelte. Die Panono GmbH musste Insolvenz anmelden. Eine neue Investorin hat die Vermögenswerte des Unternehmens übernommen und produziert die Kamera weiter, Verpflichtungen gegenüber den Anlegern hat sie jedoch nicht.
Problem Nachrangdarlehen
Dass Anleger bei einer Insolvenz oft völlig leer ausgehen, liegt auch an der Konstruktion der meisten Crowdinvestings als Nachrangdarlehen. Dabei verleihen Anleger ihr Geld gegen Zinsen oder eine Erfolgsbeteiligung und akzeptieren, im Insolvenzfall erst bedient zu werden, wenn andere Gläubiger, wie zum Beispiel Banken, ihr Geld komplett bekommen haben. Meist ist dann nichts mehr übrig.
Das dicke Ende
Den Einsatz vervierfacht – oder verbrannt. Beispiele für Chance und Risiko von Crowdinvesting.
- Erfolgsgeschichte
- 300 Prozent Rendite konnten Anleger bei dem Obst- und Gemüsesnackhersteller Erdbär erzielen. 2013 sammelte das Gründer-Ehepaar 250 000 Euro über die Plattform Seedmatch. 2016 boten sie ihren 277 Anlegern an, das Vierfache zurückzuzahlen. Heute stehen die Produkte als „Freche Freunde“ in Drogerien und Supermärkten.
- Misserfolg MyCouchBox
- lieferte seinen Kunden jeden Monat eine Süßigkeiten- und Snackbox ins Haus. Über die Plattform Companisto bot das Start-up 20 Prozent seines Unternehmens für 300 000 Euro an. 508 Investoren schlugen zu. Nun wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Chancen der Anleger, ihr Geld wiederzusehen, stehen schlecht.
Erfolge brauchen Zeit
Natürlich kann das auch gut gehen: So konnten Anleger 300 Prozent Rendite erzielen beim Obst- und Gemüsesnackhersteller Erdbär, der die Quetschies Freche Freunde erfand (siehe „Das dicke Ende“). Andere erfolgreiche Crowdinvestings machen ihre Renditen aufgrund von Verschwiegenheitserklärungen nicht öffentlich.
Crowdinvesting gibt es in Deutschland erst seit 2011
Die Zahl der Erfolgsmeldungen für Crowdinvesting hält sich bislang in Grenzen. Das liegt auch daran, dass die Historie ziemlich kurz ist und die Zahl abgeschlossener Projekte klein. Eine Insolvenz findet meistens früher statt als ein erfolgreicher Unternehmensverkauf. In Deutschland legten die ersten Schwarmfinanzierer 2011 los. Seitdem wächst der Markt aber stetig. 2017 flossen auf diesem Weg fast 34 Millionen Euro in Unternehmen.
Bewertung entscheidend
Wie viel Geld Anleger bei einem Unternehmensverkauf erhalten, hängt nicht nur davon ab, wie viel sie investiert haben, sondern auch davon, welchen Wert ein Start-up sich selbst beimisst und welchen Anteil die Crowdfinanzierer damit am Unternehmenswert besitzen. Wie entscheidend es ist, welche Bewertung sich ein Start-up selbst gibt, zeigt ein
Rechenbeispiel: Ein junges Unternehmen sammelt 100 000 Euro gegen eine Erfolgsbeteiligung ein. Später wird es für 3,5 Millionen Euro verkauft. Hat es seinen Wert vor der Sammelphase mit niedrigen 400 000 Euro bewertet, ergibt das zusammen mit den 100 000 Euro der Anleger insgesamt 500 000 Euro. Den Anlegern stehen somit 20 Prozent des Unternehmens zu. Ist das Start-up so erfolgreich, dass es für 3,5 Millionen Euro verkauft wird, sind das 700 000 Euro. Wer 1 000 Euro angelegt hat, bekommt 7 000 Euro zurück – eine Rendite von 600 Prozent.
Hat das Unternehmen seinen Wert vor der Sammlung stattdessen mit hohen 1,9 Millionen Euro bewertet, stehen den Investoren nur 5 Prozent des Verkaufspreises zu, also im Beispielfall 175 000 Euro. Ein Anleger mit 1 000 Euro bekommt nur 1 750 Euro. Das ergibt eine Rendite von 75 Prozent.
Schwarmfinanzierer haben geringere Informationspflichten
Oft geben die Gründer einen sehr hohen Unternehmenswert an, und die Kleinanleger können ihn nicht verhandeln. Meist können die ohnehin schwer einschätzen, ob die Wertangabe angemessen ist. Ist sie plausibel zum Beispiel in Relation zu Umsätzen, Jahresergebnissen und Wachstumsaussichten? Die Informationspflichten für Schwarmfinanzierungen sind deutlich niedriger als für andere Anlageformen. Der Gesetzgeber hat ein Herz für Start-ups gezeigt und der Crowdfinanzierung Erleichterungen gewährt. 2015 unterwarf er mit dem Kleinanlegerschutzgesetz fast alle anderen Geldanlageangebote strengeren Regeln. Bei weniger als 2,5 Millionen Euro Volumen aber ist statt eines umfangreichen Verkaufsprospekts nur ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) Pflicht. Es beschreibt auf drei Seiten unter anderem Kosten und Risiken des Projekts.
„Kleinanleger können Chancen und Risiken nicht einschätzen“
Verbraucher würden mit dem VIB „definitiv nicht“ ausreichend informiert, sagt Andreas Oehler, Professor für Finanzwirtschaft an der Uni Bamberg. „Kleinanleger können mit den schlechten Informationen aus den Informationsblättern Chancen und Risiken nicht vernünftig einschätzen.“ Oehler, der dem Verwaltungsrat der Stiftung Warentest vorsitzt, stellte bei Forschung mit Probanden gefährliche Scheininformation fest: „Weil da eine Vielzahl von Informationen auf drei Seiten steht, fühlt sich der Verbraucher gut informiert, auch wenn die Daten wenig aussagekräftig sind.“
Kredite gegen hohe Zinsen
Neben der Start-up-Finanzierung, bei der Anleger Anteile am Wert junger Unternehmen kaufen, hat sich eine zweite Form des Crowdinvestings etabliert: Kredite gegen hohe Zinsen. Üblicherweise nutzen es kleine und mittlere Unternehmen, die wachsen wollen. Mehr als 200 000 Euro sammelte vor Kurzem die Fitnesszubehörfirma Dual GmbH. Eine ihrer Ideen: Sie hat die „Dual Bottle“ entwickelt, eine Flasche, die 2,2 Liter fasst. Aus ihr könne man seinen kompletten Tagesbedarf an Flüssigkeit mit einer Füllung decken. Hat die Welt auf dieses Produkt gewartet? Das wird sich, wie bei anderen Ideen auch, in Zukunft zeigen.
Warum Banken manchen Start-ups keine Kredite geben
Anlegern muss klar sein, dass sie hier Unternehmen Geld leihen, die keinen günstigeren Kredit bei der Bank bekommen. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein. Eine Möglichkeit ist, dass die Zahlen nicht stimmen. Pavlos Giannakis, einer der Gründer von Dual, nennt als weitere Hintergründe eine gewisse Skepsis und Ahnungslosigkeit der Banken gegenüber jungen Unternehmen: „Als wir dort zum Beispiel von Instagram als Marketing-Kanal redeten, erzeugten wir bei den klassischen Kredit-Mitarbeitern so viel Verwirrung, dass wir Schwierigkeiten hatten, einen Kredit zu bekommen.“
Feste Zinsen sind nicht garantiert
So bot die Firma Crowd-Anlegern eine „feste Verzinsung“ von 8,5 Prozent pro Jahr an, wenn sie ihr Geld fünf Jahre zur Verfügung stellten. Obwohl feste Verzinsung ähnlich klingt, sollten es Anleger nicht mit Festgeldkonten einer Bank verwechseln. Die bieten für eine Laufzeit von 5 Jahren aktuell gerade maximal 1,4 Prozent Zinsen pro Jahr, in diesem Fall die Akbank (Stand Mai 2018). Das ist nicht so spektakulär, aber dafür steht die deutsche Einlagensicherung für das Geld gerade, sollte die Bank pleitegehen. Geht eine Firma pleite, ist das Geld der Crowd-Anleger hingegen meist weg.
Fazit: Nur Spielgeld als Einsatz
Weil Geldanlage in Crowdinvestings sehr spekulativ ist, eignet sie sich höchstens als Zusatz, neben der Basisanlage in Tages- oder Festgeld bei einer Bank und Wertpapierfonds. In Schwarminvestitionen sollten Anleger nur „Spielgeld“ stecken, dessen Verlust sie problemlos verschmerzen können – und es dann über mehrere Unternehmen streuen. So können Erfolge der einen die Ausfälle anderer Unternehmen ausgleichen.
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