Unternehmen: Höhenflüge und Abstürze

Kameraball Panono. Knapp 3 Millionen Euro sammelte der Berliner Kameraball seit 2013 über Plattformen ein. Er schießt Rundum-Fotos, wenn er in die Luft geworfen wird. 2017 hat die Panono GmbH Insolvenz angemeldet. Eine neue Investorin hat die Vermögenswerte übernommen, Verpflichtungen gegenüber den Anlegern hat sie nicht.
Die Faszination – und das Risiko – junger Unternehmen illustriert das Berliner Start-up Panono. Sein Ball mit Kameras schoss beeindruckende Rundum-Panoramafotos, wenn er in die Luft geworfen wurde (Schnelltest Panono Camera: „Wegwerfkamera“ mit Panoramablick). Die Idee zündete. Im Jahr 2013 stellten Anleger über die US-Plattform Indiegogo 1,25 Millionen Dollar bereit. Über Companisto beteiligten sie sich 2014 mit rund 1,6 Millionen Euro an der Panono GmbH. Doch die Markteinführung verzögerte sich, 2017 meldete die Firma Insolvenz an. Den Kameraball gibt es zwar weiter: Eine neue Firma will das Geschäft fortführen, gegenüber der Crowd hat sie keine Verpflichtungen. Ihr droht ein Totalverlust.
Hohes Risiko bis zum Totalverlust
Schwarmfinanzierung für junge Unternehmen ist das älteste Crowdfunding-Segment und das mit den meisten Investoren (Testergebnisse Unternehmensfinanzierung). Der Vorteil: Die Crowd kann jungen Unternehmen helfen, Produkte zu entwickeln, die es vielleicht sonst nie zur Marktreife gebracht hätten. Solche Investments heißen aber nicht umsonst Risiko- oder Wagniskapital. Manche Gründer überschätzen sich und schaffen es nicht, ihre Ideen umzusetzen oder das Produkt zur Marktreife zu bringen. Andere stellen fest, dass ihr Produkt ein Ladenhüter ist.
Wer alles richtig macht, kann dennoch scheitern: Selbst schlechtere Konkurrenzprodukte können sich durchsetzen oder erfolgreiche Ideen Nachahmer anziehen. Auch Profi-Investoren schaffen es trotz intensiver Checks nicht, nur Gewinner herauszupicken.
Erfahrungsgemäß enden viele Risikokapitalanlagen mit Verlust bis hin zum Totalausfall, wenige spielen ihr Geld wieder ein, ganz wenige sind wirklich erfolgreich.
Die Crowdfunding-Branche nennt 14 Prozent Ausfall zwischen 2011 und 2016. Das Informationsportal Crowdfunding.de zählt in der kurzen Geschichte wenige Erfolge auf und nennt Renditen zwischen 25 und 300 Prozent, wie beim Snackerfolg „Erdbär“. Unsere Tabelle zeigt: Die in Aussicht gestellten Renditen sind angesichts des hohen Risikos relativ gering. Lukrativ wird die Geldanlage erst, wenn Anleger Unternehmensanteile erwerben oder Gründer ihnen Rückkaufangebote unterbreiten.

Obst- und Gemüsesnack Erdbär. 300 Prozent Rendite konnten Anleger bei dem Obst- und Gemüsesnackhersteller erzielen. Im Jahr 2013 liehen sich die Berliner Alexander und Natacha Neumann 250 000 Euro über Seedmatch, um püriertes Obst in Tüten auf den Markt zu bringen. 2016 boten sie ihren 277 Anlegern an, das Vierfache zurückzuzahlen.
Seltene Spitzenergebnisse
Die Durchstarter müssen wirklich toll laufen, um Totalverluste bei anderen Projekten auszugleichen. Das illustriert unsere Szenariorechnung: Ein Investor steckt je 1 000 Euro in zehn Unternehmen. Sechs fallen aus, drei spielen seinen Einsatz wieder ein. Das zehnte erweist sich als Knüller. Nur wenn es mindestens 7 000 Euro abwirft, vermeidet der Anleger insgesamt einen Verlust. Das entspricht gewaltigen 600 Prozent Rendite. Solche Spitzenergebnisse sind selten.
Damit nicht genug: Schwarmfinanzierer bekommen auch bei einem Durchstarter nicht automatisch viel ab. Wenn das Start-up schon vor dem Einstieg hoch bewertet wurde, erhalten sie oft nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil vom Erfolg.
Einfluss der Start-up-Bewertung
Wie entscheidend es ist, welche Bewertung ein Startup sich selbst beimisst, zeigt ein Vergleich: Ein junges Unternehmen wird vor einer Finanzierungsrunde („Pre-Money“) einmal niedrig und einmal hoch bewertet. Es sammelt jeweils 100 000 Euro gegen eine Erfolgsbeteiligung ein. Später wird es für 3,5 Millionen Euro verkauft.
Es wird im niedrigen Fall mit 400 000 Euro bewertet. Dann steuern die Anleger 100 000 Euro bei. Das ergibt 500 000 Euro insgesamt. Den Anlegern stehen somit 20 Prozent am Erfolg zu, bei 3,5 Millionen Euro Verkaufspreis also 700 000 Euro. Sie machen aus 100 000 Euro 700 000 Euro und erzielen 600 Prozent Rendite.
Im zweiten Fall soll der ursprüngliche Unternehmenswert 1,9 Millionen Euro betragen. Dadurch stehen den Investoren beim Ausstieg nur 5 Prozent vom Verkaufspreis, also 175 000 Euro zu. In diesem Fall bleiben dem Anleger vor Steuern 75 Prozent Rendite, also deutlich weniger als im ersten Fall.
Hohe Bandbreite bei der Bewertung
Kann ein Unternehmen so unterschiedlich bewertet werden? Ja. Je nach Wahl der Methode und der Annahmen für die zukünftige Entwicklung kann das Ergebnis stark variieren. Das gilt umso mehr, je jünger das Unternehmen und je innovativer und weniger ausgereift die Produktidee ist. Normalerweise sinkt das Risiko im Zeitablauf, wenn ein Erfolg in greifbare Nähe rückt.
Daher sollten Unterstützer der ersten Stunde mehr für ihren Einsatz bekommen als spätere Einsteiger. Bei mehreren Finanzierungsrunden besteht aber auch die Gefahr der Verwässerung.
Altgesellschafter wollen hohen Wert
Eigentümer haben ein Interesse an einem hohen Wert. Für Außenstehende ist er aber anhand der auf der jeweiligen Plattform veröffentlichten Informationen oft schwer oder gar nicht nachzuvollziehen.
Die Controme GmbH aus Traunstein, die neuartige Heizungssysteme anbietet, sammelte 2015 über Seedmatch 411 000 Euro ein. Im Frühjahr 2017 wollte sie weitere 750 000 Euro haben. Der über die Plattform abrufbare, vorläufige Jahresabschluss 2016 wies 619 000 Euro Umsatz und 273 000 Euro nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Im Vermögensanlagen-Informationsblatt waren 4 300 Prozent Verschuldungsgrad und im Muster-Darlehensvertrag 6,7 Millionen Euro Pre-Money-Wert zu finden, fast das Elffache der Erlöse. War das angemessen? Auf den ersten Blick erschien es jedenfalls ehrgeizig.
Nicht immer wird die Crowd direkt am Erfolg beteiligt, profitieren also die Anleger von einem Unternehmensverkauf (Exit), Testergebnisse Unternehmensfinanzierung. Bei unbefristeten Verträgen ist das der Fall. Bei Aescuvest werden sie nur bis zur Rückzahlung des Darlehens nach vier bis sechs Jahren Vertragslaufzeit am Erfolg bei einem Verkauf beteiligt.
Weder Mitsprache noch Kontrolle
Mehrere Plattformen wie Deutsche Mikroinvest oder Kapilendo vermitteln auch Geld an mittelständische Unternehmen. Das kann Tücken haben, etwa wenn die Crowd nur ins Boot geholt wird, weil Banken keinen Cent mehr geben. Bei Finnest und Kapilendo geht es um Kredite mit festem Zins.
Mitspracherechte haben Anleger nicht. Wenigstens indirekt gewährt Innovestment Einfluss. Die Plattform bündelt das Geld der Anleger bei einer Zweckgesellschaft, die als echter Eigenkapitalgeber mit allen Rechten die Interessen der Anleger beim jeweiligen Start-up vertreten soll.
Das zugesagte Geld müssen Investoren meist sofort bereitstellen. Nur Deutsche Mikroinvest und Finnest warten, bis feststeht, dass das Funding stattfindet.
Auch Kontrolle haben Schwarmfinanzierer nicht. Die Start-ups müssen zwar regelmäßig Bericht erstatten, die meisten Plattformen geben an, vierteljährlich zu informieren. Wie intensiv sie aber Verstöße oder Mängel beanstanden, wird sich erst zeigen.