Finanztest hat 22 Internetplattformen untersucht, die für Anlageprojekte werben. Fazit: Einsteiger können Risiken leicht übersehen.
Mit kleinen Beiträgen etwas ganz Neues ermöglichen und dabei noch die Chance auf attraktive Gewinne haben, das ist der Charme des Crowdfunding als Geldanlage. Begeisterung weckten zum Beispiel ein Kameraball für Rundum-Fotos, ein Luxusresort an der Ostsee, ein von datenhungrigen Weltkonzernen unabhängiger Computerserver.
Über Internetplattformen stellen sich Projekte und Unternehmen mit der gewünschten Summe vor. Während einer festgelegten Zeitspanne entscheiden Anleger, ob sie Geld zusagen. In der Regel verleihen sie es gegen Zinsen und akzeptieren, im Insolvenzfall erst nachrangig bedient zu werden. Sie sind erst dann an der Reihe, wenn alle vorrangigen Gläubiger befriedigt worden sind.
Wird die Zielsumme in der Fundingphase verfehlt, erhalten Anleger eingezahltes Geld zurück. Sonst bekommen die Unternehmen und Projekte die Mittel. Über die Plattformen sollen sie Anleger weiterhin regelmäßig über den Fortgang informieren.
Plattformen vermitteln nur
Die Historie ist noch recht kurz, die Zahl abgeschlossener Projekte überschaubar. In Deutschland legten die Schwarmfinanzierer 2011 los. Im Jahr 2016 liehen sich Anbieter nach Angaben des Internet-Informationsportals Crowdfunding.de knapp 64 Millionen Euro. Allein im ersten Halbjahr 2017 waren es schon knapp 73 Millionen Euro. Der Markt ist also noch klein, wächst aber stürmisch.
Finanztest hat alle Plattformen zu Konditionen, Auswahlkriterien und Erfolgen befragt, die bis Frühjahr 2017 innerhalb von rund 20 Monaten mindestens zwei Projekte vorgestellt haben. 22 Plattformen antworteten. Das Ergebnis ist ernüchternd. Viele teilten zwar mit, dass sie Projekte auswählen, aber nicht, wie sie dabei genau vorgehen. Das hilft Anlegern wenig, um das Risiko einzuschätzen. Die Kriterien, die ein Projekt oder Unternehmen für ein Funding erfüllen muss, lassen keinen Schluss über die Qualität zu.
Die Plattformen vermitteln nur zwischen Kapitalhungrigen und Interessenten. Sie beraten die potenziellen Geldgeber nicht bei der Frage, ob ein Projekt zu ihnen passt. Das müssen die Anleger selbst entscheiden – und das ist gar nicht so einfach.
Denn der Gesetzgeber gewährte dieser jungen Branche Erleichterungen, als er 2015 fast alle Geldanlageangebote strengeren Regeln unterwarf. Hier aber ist bei weniger als 2,5 Millionen Euro Volumen nur ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) Pflicht. Es beschreibt das Projekt mit Kosten und Risiken auf drei Seiten. Ein sehr viel umfangereicherer Verkaufsprospekt ist nicht nötig. Anlegern fehlt damit eine wichtige Informationsbasis.
Unser Rat
- Eignung.
- Überlegen Sie gut, ob sich Crowdfunding für Sie eignet. Sie beteiligen sich an Unternehmen oder Projekten ohne Mitspracherechte, binden sich aber häufig für Jahre und tragen höhere Risiken als bei sicheren Geldanlagen.
- Auswahl.
- Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Plattformen gute Projekte auswählen. Setzen Sie sich selbst mit den Projekten auseinander. Machen Sie sich ein Bild der Erfolgsaussichten.
- Streuen.
- Investieren Sie lieber kleine Summen in mehrere Projekte als die gesamte geplante Summe in ein einzelnes Projekt.
- Risiko.
- Ein Totalverlust ist immer möglich. Investieren Sie nur so viel in Crowdfunding-Projekte, dass Sie ein Totalausfall aller Projekte nicht in Schwierigkeiten bringt.
Aufbereitung uneinheitlich
Unsere Untersuchung zeigt: Anbieter und Plattformen sind noch nicht hundertprozentig firm in der Anwendung der Regeln. So waren Vermögensanlagen-Informationsblätter oft nicht frei, sondern erst nach einer Registrierung zugänglich. Die Aufbereitung war uneinheitlich, etwa beim Ausweis der Umsatzsteuer bei den Kosten. Jahresabschlüsse waren nicht fristgerecht im elektronischen Bundesanzeiger hinterlegt.
Wir stellen die Crowdfunding-Segmente Immobilien, Start-ups und mittelständische Unternehmen sowie erneuerbare Energien mit den größten Plattformen vor und sagen, worauf Interessenten achten müssen.
Tipp: Weitere Crowdfunding-Formen wie spendenbasiertes Crowdfunding beschreiben wir in unserem Special Crowdfunding: Wer im Internet wofür Geld einsammelt, Finanztest 11/2014.
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@Ch_ristian: Im nächsten Heft wird kein Test zu den Crowdfunding-Plattformen veröffentlicht. Weiter in die Zukunft hinein, darf ich keine Infos zu geplanten Veröffentlichungen nach außen tragen. Ob und wenn ja, welche Infos aus diesem test weiterhin aktuell sind, wissen auch wir erst, wenn wir die Plattformen erneut einer Untersuchung unterzogen worden sind.
Der Artikel ist aus dem Jahr 2017. Ist es angedacht, diesen zu aktualisieren?
Oder sind alle Angaben, insbesondere bei den Testergebnissen, noch aktuell?
Der Hinweis, dass die Plattform Innovestment pleite sei, ist ja recht deutlich dargestellt, allerdings veraltet und damit irreführend. Der Presse ist zu entnehmen, dass die nach einer Neustrukturierung wieder am Markt sind, schon seit 2020 (Innovestment.eu).
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam
Seit geraumer Zeit bietet das Unternehmen EXPORO immerwieder bei Projekten auch eine nachrangige Sicherheit an, bewirbt diese aber als tatsächliche Sicherheit für den Kunden. Augenwischerei, denn an erster Rangstelle im Grundbuich steht nahezu dnan immer eine das Projekt finanzierende Bank. Dies bedeutet im Falle eines Crahs des Unternehmens bekommen Anleger erst dann Geld, wenn die Bank alle Forderungen bedient bekommen hat. Ein jeder Leser/Anleger mag sich ausmalen, was dann die von EXPORO angebotene Sicherheit noch für einen Wert hat.
Ähnlich verhält es sich dann auch mit "persönlichen Bürgschaften" der Initiatoren. Was soll das? Marketing? Hierr muss mand och einmal genau wissen über welches Vermögen der Bürgschaftsgeber verfügt bzw- wie viele andere Bürgschaften er möglicherweise schon abgegeben hat. Wie will man dann bitte solch eine Bürgschaft von der Erfüllbarkeut her bewerten? Als Sicherheit sicherlich gar nicht.