
Was steckt in dem Aktienangebot? Die Informationen im Wertpapier-Informationsblatt sind zu dürftig für eine Einschätzung. © iStockphoto
Aktienangebote ohne Wertpapierprospekt über Crowdfundingplattformen sind neuerdings erlaubt, aber riskant für Käufer. Die Finanztest-Experten erklären, worin die Risiken bestehen.
Aktien ohne Wertpapierprospekt – seit 2018 möglich
Die Ameria AG aus Heidelberg hat bis Mitte Januar 2019 über die Crowdfunding-Plattform Companisto ohne Wertpapierprospekt Aktien für 8 Millionen Euro angeboten. Ameria entwickelt und vertreibt unter anderem Software und interaktive Geräte, etwa für Kunden in Geschäften. Öffentliche Wertpapierangebote bis zu 8 Millionen Euro innerhalb der Bundesrepublik sind ohne Verkaufsprospekt seit Sommer 2018 möglich. Die Bundesregierung hat die Angebote im Rahmen der Umsetzung einer EU-Verordnung von der Prospektpflicht befreit. Von der EU war nur eine Prospektbefreiung bis zu 1 Million Euro vorgegeben.
Wertpapier-Informationsblatt genügt
Als Entscheidungsgrundlage für die Anleger genügt es formal, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ein Wertpapier-Informationsblatt (WIB) abnimmt. Es soll auf bis zu drei Seiten die wichtigsten Informationen über die Wertpapiere enthalten.
Im Insolvenzfall droht der Totalverlust
Aktionäre werden als Miteigentümer an Gewinnen beteiligt, falls die Gesellschaft Dividenden zahlt. Im Insolvenzfall verbuchen die Aktionäre einen Totalverlust. Wollen sie die Aktien loswerden, müssen sie bei nicht börsennotierten Aktien einen Käufer finden.
WIB keine ausreichende Informationsgrundlage
Das Wertpapier-Informationsblatt alleine ist zu dürftig für eine Anlageentscheidung, das illustriert das Beispiel Ameria. Es war ohne weitere Unterlagen nicht möglich zu beurteilen, ob die Aktien günstig, angemessen oder überteuert waren. Nicht ohne Grund sind Wertpapierprospekte oft mehr als 100 Seiten dick. Junge Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen sind selbst für Profis schwer zu bewerten, die Aktien sind riskant.
Tipp: Mehr Infos zu den Risiken von Crowdfunding-Projekten finden Sie in unserem Test Crowdfunding: So investieren Sie richtig – 22 Plattformen im Check und in der Meldung Crowdfunding: Erstmals Insolvenzverfahren bei Immobilienprojekt.
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NDI hatte über Companisto im April 2018 sogar 3,5 Mio. € eingesammelt (also 350.000 € Gebühren daraus für Companisto), bevor NDI schon im Januar 2019 Insolvenz anmeldete.
Die Kennzahl, die am wichtigsten ist, ist das Investmentvolumen. Companisto erhält 10 % Gebühr hiervon. Da trifft es sich gut, dass Companisto nach ihren AGB die Angebote nicht wirtschaftlich prüfen muss, da Companisto um so mehr verdient, je mehr Anleger in die auf ihrer Plattform - ungeprüft - präsentierten Unternehmen investieren. Wobei eben 10 % nicht dem Projekt, sondern Companisto zukommen. In ihrem Eigenfunding im Juli 2016 prognostizierte Companisto folgende Investmentvolumina, gestand aber dann später folgende tatsächlichen Investmentvolumina ein (nach Gründerszene): für 2016 prognostiziert: 12.156.100,00 €, tatsächlich erreicht: 10,1 Mio.; für 2017 prognostiziert: 22.032.310,72 €, tatsächlich erreicht: 10,4 Mio.; für 2018 prognostiziert: 34.136.536,42 €, tatsächlich erreicht: 12,6 Mio. €. Differenz zu Lasten der Anleger insgesamt: mehr als 33 Mio. €. Aufgrund dieser überhöhten Prognosen von Companisto investierten Anleger 2 Mio. € in das Unternehmen.
[Fortsetzung SPIEGEL 34/2016 unter dem Titel „Sauercrowd":] "... Schon für die Eröffnung eines einzigen Yogastudios sei das viel zu wenig, sagt Neef. Er habe anschließend versucht, mit einer Fitnessstudiokette eine Kooperation zu schließen. Doch als die nicht zustande kam, sah er keinen anderen Ausweg als die Insolvenz.“ Zwischen Kampagne auf Companisto und Insolvenzantrag lagen weniger als ein Jahr. Vermutung: Companisto selbst wies im Jahresabschluss 2017 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.634.525,81 € aus, sind deshalb darauf angewiesen möglichts viele Unternehmen mit möglichst hohen Bewertungen zuzulassen - sie müssen nach ihren AGB ja nicht wirtschaftlich prüfen. In 2016 hat Companisto ein Eigenfunding über 2 Mio. € durchgeführt, mit Prognosen, die sämtliche bei weitem nicht erfüllt wurden.
SPIEGEL 34/2016 unter dem Titel „Sauercrowd": "Die Verbraucherzentrale Berlin klagte gegen Companisto und gewann Ende 2015 in zwei von drei Punkten. Companisto, so das Urteil, müsse unter anderem erklären, wie die Unternehmensbewertungen zustande kommen, mit denen die Firmen für sich werben. Als Paulus Neef 2015 die Crowdinvesting-Kampagne für sein Projekt Unyte Yoga vorbereitete, habe er Companisto eine Unternehmensbewertung von sechs Millionen Euro vorgeschlagen, sagt Neef. Companisto habe das Angebot ohne Zögern und ohne Verhandlungen akzeptiert. Das Vorhaben ist mittlerweile Geschichte, das Unternehmen liquidiert.Und Neef gibt Companisto eine Mitschuld: "Companisto hat mir in Aussicht gestellt und die Zuversicht gegeben, dass ich mit unserem Konzept, dem Team und meinem Namen locker zwei Millionen Euro einsammeln würde", sagt er. "Ich habe mich darauf verlassen, sonst hätte ich das Crowdinvesting gar nicht erst gemacht.“ Es kamen aber nur 190 000 Euro zusammen. ...."
Companisto prüft nicht und will keine Verantwortung übernehmen. 3.1 ihrer AGB: "Companisto stellt mit der Companisto-Webseite lediglich eine Plattform zur Verfügung, mittels derer Companisten Investitionen in Crowdinvestingprojekte tätigen und Crowdinvestingprojekte Investoren suchen können. Die Informationen über die Crowdinvestingprojekte auf der Companisto-Webseite werden ausschließlich von den Crowdinvestingprojekten zur Verfügung gestellt. Eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Crowdinvestingprojektes durch Companisto findet nicht statt. Companisto steht daher nicht für die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Informationen ein.“ Folge: Bereits jetzt Insolvenzen/Liquidationen oft innerhalb kürzester Zeit von bisher 32 Unternehmen mit einem Schaden von EUR 12,6 Mio. für die Anleger. Zuletzt Insolvenzantrag NDI Januar 2019, gestartet auf Companisto April 2018, Anleger investierten 2 Mio. € (hier Antrag zurückgenommen wegen weiterer Finanzierung, s. Gründerszene),