
Mikroapartmenthäuser sind derzeit bei Immobilienentwicklern beliebt. Die Luvebelle-Baustelle in Berlin-Tempelhof, fotografiert Mitte September 2017. © Stiftung Warentest
Erstmals gehen Anleger bei einem schwarmfinanzierten Immobilienprojekt leer aus: Über das Vermögen der Entwickler der Berliner Apartmentanlage Luvebelle ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sie hatten sich über die Internet-Plattform Zinsland.de Geld von Anlegern geliehen. Wirkte die Finanzierungsstruktur in der ersten Fundingphase noch eher risikoarm, stellt sich das nun ganz anders dar. Der Fall zeigt, welche bösen Überraschungen es beim Crowdfunding geben kann.
Makellose Erfolgsbilanz bekommt Kratzer
Die bislang makellose Erfolgsbilanz von Crowdfunding-Immobilienprojekten hat einen Kratzer bekommen. Bislang zahlten alle Anbieter das Geld pünktlich oder sogar vorzeitig zurück. Doch am 8. September 2017 stellten zwei Projektentwicklungsgesellschaften Insolvenzantrag, die in der Friedrich-Karl-Straße 22 in Berlin-Tempelhof zwei Mikroapartmenthäuser mit dem Namen Luvebelle bauen. Geld dafür hatten sich die Conrem-Ingenieure GmbH und die Arplan Projektgesellschaft Alpha 1 GmbH aus München von Anlegern auf der Internetplattform Zinsland geliehen. Bei Conrem ist am 1. Dezember 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Anleger dürften leer ausgehen
Es ist unwahrscheinlich, dass die Anleger Geld wiederbekommen. Sie haben Conrem Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt und kommen daher erst zum Zuge, wenn alle erstrangigen Gläubiger befriedigt wurden. Insolvenzverwalter Björn Hellfeld teilt Finanztest aber mit, dass die Masse nach derzeitigem Stand nicht einmal ausreicht, vor ihnen die erstrangigen Gläubiger voll zu befriedigen. Die Schwarmfinnazierer dürfen daher derzeit nicht einmal Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden.
Zinsland.de wurde von Problemen bei Luvebelle überrascht
Nach wie vor ist rätselhaft, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Auch Zinsland.de-Geschäftsführer Carl von Stechow zeigte sich überrascht. Ihn hatte Heinz Michael Groh – der die Geschäfte beider Projektgesellschaften führt – erst nach einer Anfrage von Stiftung Warentest informiert. Er bedauerte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens: „In den letzten Wochen wurde alles im Einfluss von Zinsland Stehende unternommen, um dieser für alle Beteiligten negativen Entwicklung entgegenzuwirken.“
Anleger sind nachrangige Gläubiger
Bei Schwarmfinanzierungen beziehungsweise Crowdfundings stellen Internetplattformen Projekte und Unternehmen vor und nennen den gewünschten Kapitalbedarf, den sie für die Finanzierung eines Projekts oder Vorhaben benötigen (siehe Test Crowdfunding). Während einer festgelegten Zeitspanne entscheiden Anleger, ob sie Geld zusagen. In der Regel verleihen sie es gegen Zinsen und akzeptieren dabei, im Insolvenzfall erst nachrangig bedient zu werden. Sie werden also nur dann entschädigt, wenn alle vorrangigen Gläubiger befriedigt worden sind – weshalb man auch von Nachrangdarlehen spricht. Wird die Zielsumme für das Projekt nicht erreicht, erhalten die Anleger das Geld zurück. Im Erfolgsfall wird das gesammelte Geld in der Regel über einen Zahlungsdienstleister an die Unternehmen und Projekte ausgezahlt. Über die jeweilige Finanzierung-Plattform sollen sie Anleger weiterhin regelmäßig über den Fortgang informieren.
Sieben Prozent Zinsen pro Jahr angeboten
Bau, Umbau oder Sanierung von Gebäuden machen den Großteil des Crowdfunding-Markts aus. So hat die auf Immobilien spezialisierte Plattform Zinsland.de bis zum 18. September 2017 mehr als 25,5 Millionen Euro von knapp 3 000 Privatanlegern eingeworben – für insgesamt 32 Projekte. Bis zu 7 Prozent Zinsen pro Jahr sollen sie abwerfen, bei Laufzeiten von in der Regel ein bis zwei Jahren.
Das Projekt erschien aussichtsreich
Sieben Prozent pro Jahr sollten die Schwarmfinanzierer auch bei Luvebelle bekommen, einem Projekt, das aussichtsreich und vergleichsweise wenig riskant erschien. Berlin ist beliebt, die Nachfrage nach kleinen (in der Regel möblierten) Mikroapartments ist hoch. Conrem-Ingenieure sammelte vom 28. April bis 31. Mai 2016 von 274 Investoren eine halbe Million Euro ein und visierte die Rückzahlung nach 18 Monaten für den 27. Oktober 2017 an. Vom 20. Juni bis 30. Juni 2017 lieh sich die Grundstückseigentümerin Arplan 750 000 Euro von 12 Investoren im Rahmen eines „exklusiven Club-Deals“ für ihre Offerte unter dem Namen Luvebelle 2 für das gleiche Projekt und lockte sogar mit 9 Prozent Zinsen pro Jahr. Solche Club Deals sind Angebote, die Zinsland.de Interessenten vermittelt, die etwas mehr Geld anlegen wollen.
Hohen Eigenkapitalanteil präsentiert
Die Finanzierung der erforderlichen 7,5 Millionen Euro erschien ursprünglich nicht gerade spekulativ. Laut Plan steuerte der Projektentwickler Conrem-Ingenieure in der Fundingphase 2,2 Millionen Euro bei, das sind etwa 29 Prozent. Das ist ein ungewöhnlich hoher Anteil bei einem Crowdfunding-Immobilienprojekt. Je höher der Eigenkapitalanteil, desto geringer ist tendenziell das Risiko für die Crowd. Nur 4,8 Millionen Euro machte ein Bankenkredit aus. Die Schwarmfinanzierer überwiesen eine halbe Million Euro. Wenige Monate später schon verkündete der Luxemburger Vermögensverwalter AviaRent Capital Management S.à r.l., die beiden Apartmentgebäude für gut 8 Millionen Euro für seinen Fonds MikroQuartier I kaufen zu wollen. Im Oktober 2017 sollten die Häuser fertig sein. Auf Zinsland.de lasen die Anleger Neues zum Baufortschritt, zuletzt am 5. September 2017.
Insolvenzantrag als Vorsichtsmaßnahme?
Dann kam völlig überraschend der Insolvenzantrag, über den Geschäftsführer Heinz Michael Groh Zinsland.de aber erst am 15. September 2017 informierte, nachdem Zinsland.de am Vortag eine Anfrage der Stiftung Warentest erhalten hatte. Die Crowdfunding-Plattform teilte dann am 18. September Stiftung Warentest mit, dass laut Projektentwickler „die Liquiditätssituation derzeit nicht gesichert sei“, da „Kaufpreiszahlungen vom Baufortschritt abhängen und dieser sich verzögert hat“. Zinsland-Geschäftsführer Carl von Stechow schildert die Gründe, die Groh ihm genannt habe: Der kaufmännische Leiter der Projektentwicklungsgesellschaften sei offensichtlich plötzlich ausgeschieden, Groh müsse sich nun erst einmal einen Überblick verschaffen und habe daher vorsichtshalber Insolvenz angemeldet. Die dreimonatige Verzögerung liege unter anderem an Styropor-Altlasten, die nicht planmäßig hätten entsorgt werden können.
Merkwürdige Informationspolitik
Nachvollziehbar ist das nicht so ohne Weiteres. Bauprojekte werden häufig mehrere Monate später fertig als geplant. Das kann einen erfahrenen Entwickler wie Groh nicht überraschen. Es verwundert, dass das Ausscheiden eines einzigen Mitarbeiters solche gravierenden Folgen haben soll – auch auf die Informationspolitik. Erstaunlich ist außerdem, wie stark sich die Finanzierungsstruktur gegenüber der ersten Präsentation verändert hat. Den Kapitalbeitrag des Projektentwicklers beziffert von Stechow gegenwärtig auf eine halbe Million Euro. Er habe zunächst eine Million Euro und später noch 250 000 Euro eingebracht. Davon hätten die Crowd eine halbe Million Euro und die Anleger des Club Deals 250 000 Euro abgelöst.
Projektentwickler brachte nicht die ganze Summe ein
Gegenüber der Crowd hatte der Entwickler aber von rund 2,2 Millionen Euro Eigenkapital gesprochen. „Aufgrund der bereits fortgeschrittenen Projektentwicklung, unter anderem Ankauf, Baurechtsschaffung und Abrissgenehmigung sowie Baustelleneinrichtung, waren zum Zeitpunkt der ersten Finanzierung bereits Eigenmittel im Wert von etwa einer Million Euro im Projekt eingebracht“, erläutert von Stechow. „Da eine verbindliche Kaufabsichtserklärung eines renommierten Fondshauses – die spätere Käuferin – bereits vorlag, waren zu dieser Zeit keine weiteren Eigenkapitalmittel notwendig.“
„Branchenüblich und nachvollziehbar“
In der Präsentation für den „Club Deal“ im Jahr 2017 war das Eigenkapital auf eine halbe Million Euro geschrumpft. Das akzeptierte Zinsland.de auch. Die Gesamtsumme habe der Entwickler aufgrund des Verkaufs und der ersten Kaufpreisteilzahlungen gar nicht erst einbringen müssen, sagt von Stechow. Die Reduzierung des Eigenkapitalanteils „ist, aufgrund des dann deutlich geringeren Risikoprofils durch den bereits erfolgten Kauf des Projektes, branchenüblich und deshalb für uns nachvollziehbar gewesen“, erklärt von Stechow. Die Bank bekam ihren Einsatz bereits ganz aus Kaufpreisteilzahlungen zurück.
Wieso überbrückt der Entwickler nicht den Liquiditätsengpass?
Warum aber fließt das nicht eingebrachte Eigenkapital nicht einfach jetzt, um den Liquiditätsengpass zu überbrücken? „Das entzieht sich auch unserer Kenntnis“, räumte von Stechow ein. Er kündigte an, in Abstimmung mit allen Beteiligten darauf zu drängen, dass die Käuferin, die beteiligten vorläufigen Insolvenzverwalter und Groh eine Lösung finden, um den Bau fertig zu stellen und den Anlegern das Geld zurückzuzahlen.
Bürgschaft von Arplan
„Für die Crowdanleger hat sich Zinsland.de eine Bürgschaft einer weiteren Projektgesellschaft aus der Gruppe, der Arplan Development GmbH, geben lassen“, erläutert von Stechow. Inwieweit sie gezogen werden kann, bleibt offen. Es ist auch nicht sicher, ob die Anleger beider Fundings gleich behandelt werden, da die emittierenden Gesellschaften unterschiedlich sind. Die Projektgesellschaften äußerten sich nach dem Insolvenzantrag auf Anfrage der Stiftung Warentest nicht.
Ungünstige Stellung im Insolvenzverfahren
Zinsland.de hat dem Insolvenzverwalter von Conrem – Björn Hellfeld von der Kanzlei Pohlmann Hofmann in München – Informationen über die Anleger und ihre Forderungen übermittelt und kündigte an, die Anleger über die Frist der Anmeldung der Ansprüche zu informieren. Die Plattform habe dem nun eingesetzten Insolvenzverwalter schon vor Eröffnung des Verfahrens dargelegt, „dass vorliegend die Forderungen der Darlehensgeber möglicherweise nicht nachrangig sind.“ Es sieht aber nicht danach aus, dass er diese Einschätzung teilt.
Fazit: Hohe Risiken auch bei scheinbar risikoarmen Projekten
Die vielen offenen Fragen rund um die ersten Insolvenzanträge im Bereich Immobilien-Crowdfunding zeigen, dass selbst bei vermeintlich konservativ strukturierten Angeboten hohe Risiken bestehen. Bei einem Gesamtvolumen für unterschiedliche Projekte von bis zu 2,5 Millionen Euro müssen Anbieter zudem nur ein dreiseitiges Vermögensanlageninformationsblatt erstellen. Die Informationsbasis ist daher mager.
Diese Meldung ist erstmals am 18. September 2017 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrmals aktualisiert, zuletzt am 11. Januar 2018.
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Glaubt man als Anleger den Gerüchten die im Moment seit neuesten umgehen sollte auf gar keinen Fall Geld bei Zinsland oder bei Exporo AG angelegt werden. Dort sollen unbestätigte Beträge in Millionenhöhe vor dem Exitus stehen und hunderte von Geldanlegern werden wohl ebenfalls leer ausgehen. Ob das stimmt kann weiß man nicht aber es gehen Gerüchte hier in Berlin um, die das aus mehreren Richtungen bestätigen. Aber wie immer muß jeder bei Gerüchten vorsichtig sein, schaden kann es nicht meinen meine Bekannten. Dann lieber warten was sich bei den beiden Unternehmen entwickelt und lieber später investieren, wenn sich diese Gerüchte nicht bestätigten.
9 % Zinsen? Beim derzeitigen Zinsniveau? Also bei einer solchen Zahl müssten aber auch wirklich alle Alarmglocken ohrenbetäubend erschallen. Selbst bei den regulären 7 % hätte man mehr als kritisch sein müssen.
Man muss sich hier eins vor Augen halten: Offenbar waren Banken nicht bereit, die Finanzierung zu übernehmen, auch nicht für 7 oder gar 9 %. Deshalb wich der Anbieter auf das Crownfunding aus. Das sagt eigentlich schon alles.