
Anleger der beiden hessischen Immobilienprojekte Steinbacher Terrassen und Nassauer Hof verlieren wohl ihr Geld. Sie haben der Projektgesellschaft AZP Projekt Steinbach GmbH über die Crowdfunding-Plattform Zinsland.de Geld geliehen. Am 6. Mai 2019 hat AZP Insolvenz angemeldet. Damit zeigt sich wieder, wie unwägbar Crowdfunding-Projekte sind.
Kostenanstieg bei Steinbacher Terrassen
Die Projektentwicklerin AZP Holding GmbH und ihre Projektgesellschaft AZP Projekt Steinbach GmbH aus Frankfurt haben am 6. Mai 2019 Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsführer der AZP Holding begründete dies damit, dass das mit der Bauleitung der Steinbacher Terrassen beauftragte Architekturbüro erhebliche Planungsmängel und Kostensteigerungen verursacht habe. Dem Büro sei im Februar fristlos gekündigt worden. Zudem sei Anfang des Jahres ein Geschäftsführer unerwartet verstorben. Es sei aus eigenen Kräften nicht möglich, die Gesellschaft weiterzuführen: „Nach Sichtung der Unterlagen und der Aufnahme der Mängel durch einen Gutachter übersteigen die Kosten bis zur Fertigstellung die Einnahmen, so dass eine wirtschaftliche Perspektive nicht mehr gegeben ist.“
Crowdfunding-Anleger sehen ihr Geld wohl nicht wieder
Damit ist absehbar, dass Anleger, die der AZP Projekt Steinbach GmbH Geld geliehen haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mehr davon sehen. Sie hat zwei Mal über Zinsland.de Nachrangdarlehen angeboten. Im August und September 2017 investierten 522 Anleger 966 000 Euro in den Neubau des Wohn- und Geschäftshauses Steinbacher Terrassen in Steinbach bei Frankfurt. Im Dezember 2017 und Januar 2018 entschieden sich 453 Anleger dafür, 897 000 Euro in den Bau des Wohn- und Geschäftshauses Nassauer Hof in Kronberg zu stecken.
Risikoeinschätzung ist schwierig
Der Fall illustriert, wie schwierig es ist, die Risiken von Crowdfunding-Projekten einzuschätzen. Zinsland.de ist eine von mehreren Internetplattformen, auf denen Unternehmen ihre Projekte vorstellen (siehe Test Crowdfunding). Anleger entscheiden dann während einer festgelegten Zeitspanne, ob sie investieren. In der Regel verleihen sie es in Form von Nachrangdarlehen. Die Unternehmen versprechen, Zinsen zu zahlen und das Geld an einem festen Termin oder innerhalb einer Zeitspanne zurückzuzahlen. Bei den Steinbacher Terrassen sollten die Anleger das Geld, verzinst mit 6 Prozent pro Jahr, frühestens im Frühjahr 2018 und spätestens im Frühjahr 2019 zurückbekommen. Beim Nassauer Hof sollten sie im Jahr 2019 ihr Geld mit 6,5 Prozent Zinsen pro Jahr zurückerhalten.
Planabweichung führt leicht zu Verlusten
Die Anleger gehen bei solchen Nachrangdarlehen allerdings hohe Risiken ein. Sie werden im Insolvenzfall nur dann entschädigt, wenn alle vorrangigen Gläubiger befriedigt worden sind. Die Chance, das investierte Kapital wiederzusehen ist gering. Laufen Immobilienprojekte nicht wie geplant, können Schwarmanleger leicht Verluste erleiden. Die Projektentwickler finanzieren solche Projekte zum Großteil über Bankkredite, sie machten bei den Steinbacher Terrassen drei Viertel der geplanten Investitionssumme aus, beim Nassauer Hof sogar 80 Prozent. Die Projektgesellschaft steuerte lediglich 5,5 Prozent beziehungsweise 4,9 Prozent bei. Für den Rest suchte sie Investoren. Fallen die Kosten höher aus als geplant oder lassen sich die Immobilien nicht zum erhofften Preis verkaufen, müssen die Bankkredite trotzdem vollständig zurückgezahlt werden. Für die Entwickler und die Investoren bleibt dann wenig oder gar nichts übrig. Sie verlieren ihren Einsatz zum Teil oder ganz.
Projektgesellschaft ohne Eigenkapital
Im Vorfeld ist es schwer, die Chancen und Risiken eines Crowdfunding-Projekts einzuschätzen. So wies die Projektgesellschaft in ihrem Jahresabschluss für 2016, der in der Funding-Phase vorlag, zwar keinerlei Eigenkapital aus, doch die Projekte selbst im boomenden Großraum Frankfurt wirkten aussichtsreich. Bei den Steinbacher Terrassen etwa waren schon 31 der 34 Wohnungen verkauft und ein Mietvertrag für die Gewerbefläche abgeschlossen.
Erster Insolvenzfall kam überraschend
Noch überraschender war der erste Insolvenzfall eines schwarmfinanzierten Immobilienprojekts: Im Jahr 2017 meldeten die Projektentwickler der ebenfalls über zinsland.de vorgestellten Mikroapartmentanlage Luvebelle in Berlin Insolvenz an (Crowdfunding: Erstmals Insolvenzverfahren bei Immobilienprojekt). Das Projekt hatte auf dem Papier vergleichsweise risikoarm ausgesehen, weil es schon einen Käufer für die Immobilie gab und der Projektentwickler ankündigte, ungewöhnlich viel eigenes Geld, nämlich etwa 29 Prozent der Investitionssumme, beizusteuern.
Jahresabschluss verspätet veröffentlicht
Es zeigt sich, dass Anleger es auch schwer haben, sich anhand der Informationen während der Projektlaufzeit ein Bild zu machen. Die Unternehmen sollen ihre Anleger über den Fortgang und ihre wirtschaftliche Lage informieren. Das tun sie aber oft nicht oder nur mit großer Verzögerung. So hinterlegte die AZP Projekt Steinbach GmbH ihren Jahresabschluss 2017, der eine deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage enthüllte, erst im Februar 2019. Eigentlich hätte sie ihn schon Ende Juni 2018 veröffentlichen müssen.
Bei Projekt Stephanplatz floss Geld zurück
Wie volatil das Projektgeschäft sein kann, zeigt auch ein Gegenbeispiel, das erfolgreich für die Anleger ausging. So sah es zeitweise von außen beim Projekt Stephanplatz in Berlin nicht gerade gut aus. Anleger hatten dafür 2016 der Gekko Real Estate GmbH, heute Hedera Bauwert GmbH, 2 Millionen Euro über die Plattform Exporo.de zu 5,5 Prozent Zins pro Jahr bis 28. Februar 2019 geliehen. Die Bauarbeiten gerieten jedoch in Verzug. Hedera berichtigte zudem im Herbst 2018 ihre Jahresabschlüsse von 2013 bis 2016 und wies nun ein negatives Eigenkapital aus. Den Abschluss für 2017 veröffentlichte sie nicht fristgerecht. Sie entwickelte zudem das Projekt Weserstraße der Weser Immobilien GmbH. Deren Nachrangdarlehen über Exporo lief bis 31. März 2019. In beiden Fällen bekam die Crowd ihr Geld trotzdem fristgerecht zurück.
Risiken sind hoch und schwer einschätzbar
Beim Crowdfunding für Immobilienprojekte bieten die Anbieter Zinsen für Nachrangdarlehen, die auf den ersten Blick – insbesondere im derzeitigen Niedrigzinsumfeld – hoch wirken. Es lässt sich aber hinterfragen, ob sie eine angemessene Vergütung für die hohen und schwer einschätzbaren Risiken sind, die Anleger eingehen. Die Anbieter müssen bei einem Gesamtvolumen für unterschiedliche Projekte von bis zu 2,5 Millionen Euro nur ein dreiseitiges Vermögensanlageninformationsblatt erstellen. Wenn Anleger sich an solchen Projekten beteiligen wollen, sollten sie die eingeplante Summe lieber auf mehrere Projekte verteilen statt alles auf ein Projekt zu setzen.
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