
Container. Die Solvium-Gruppe bietet Investments in solche Boxen für Privatanleger an. © Getty Images / Glowimages RF
Die Solvium-Gruppe leiht sich Geld von Investoren, um Container zu kaufen. Dafür zahlt sie Zinsen. Das klingt gut, birgt aber hohe Risiken. Einige sind beunruhigend.
Solvium gehört zu den Marktführerinnen
Schiffe stauen sich, überlastete Häfen fertigen sie verzögert ab. Reedereien setzen drastisch höhere Frachtraten für den Transport mit Containern durch. Gute Zeiten für diejenigen, die in solche Metallboxen investieren, so scheint es. Möglich ist das auch für Privatanleger, zum Beispiel über die Containergruppe Solvium aus Hamburg. Solvium gehört zu den Marktführerinnen mit mehr als 14 500 Verträgen mit Anlegern, die mehr als 400 Millionen Euro investiert haben. Allein 2021 sammelte Solvium rund 138 Millionen Euro ein, so viel wie nie zuvor.
Anlegende leihen Solvium-Tochter Geld
Früher kauften Kunden Container oder beteiligten sich an einer Fondsgesellschaft. Seit 2018 leihen sich Solvium-Töchter zudem Geld von ihnen, derzeit die Solvium Logistik Opportunitäten Nr. 4 GmbH (Solvium Nr. 4). Mindestens 10 000 Euro sollen sie ihr für gut drei Jahre zur Verfügung stellen, insgesamt 50 Millionen Euro. Zu den 4,4 Prozent Zins pro Jahr kann ein Bonus kommen, etwa für Frühzeichner. Zwei Mal dürfen die Geldgeber die Laufzeit um zwei Jahre verlängern.
Containerinvestment Solvium – unser Rat
- Risiken.
- Bei der nachrangigen Namensschuldverschreibung Logistik Opportunitäten Nr. 4 (siehe Grafik) haben Anleger keine Informations- und Mitwirkungsrechte. Bei Insolvenz ist Totalverlust möglich, es gibt keine verlässliche Kontrolle der Mittelverwendung. Im Verkaufsprospekt steht nichts zum konkreten Miet- und Preisniveau – wichtig für die Beurteilung, ob Zinsen und Rückzahlung fließen. Wir setzen die Emittentin auf die Warnliste Geldanlage.
- Geldverleih.
- Obwohl die Anlagegrundsätze das nicht vorsehen, verleihen Solvium-Gesellschaften Geld, das sich mittelbar andere der Gruppe leihen. Wo Geld von wem landet, ist unbekannt. Die Lage anderer Firmen ist zum Teil schwierig (Überschuldung oft deutlich höher als erwartet und Überblick Solvium-Gruppe).
- Zusatzrunde.
- Anleger können bei Angeboten wie Container Select Plus Nr. 2, Wechselkoffer Euro Select 7, Logistik Opportunitäten Nr. 1 bis Nr. 4 die Laufzeit verlängern. Das ist nicht ratsam.
Ein Fall für die Warnliste Geldanlage
Der Kollaps der Konkurrentinnen Magellan und P&R 2016 und 2018 legt die Frage nahe, wie sicher Containerinvestments sind. Die Solvium-Gruppe wirbt mit „100 Prozent Erfüllungsquote“ aller Angebote an Anlegende. Solvium-Pressevertreter Jürgen Braatz betonte in seiner Antwort auf eine Finanztest-Anfrage an die Solvium-Gruppe: „In allen Produkten sind zahlreiche bewährte Risikopuffer berücksichtigt.“ Wir kamen bei einer Analyse des aktuellen Angebots, der Namensschuldverschreibung Logistik Opportunitäten Nr. 4, und der Solvium-Gruppe zu einem anderen Ergebnis. Dabei kam Beunruhigendes zutage. Wir setzen das Angebot auf unsere Warnliste Geldanlage, denn es sind zu viele Risiken zu erkennen.
Risiko 1: (Total-)Verlust im Krisenfall
Bei einer Namensschuldverschreibung haben Anleger weder Informations- noch Mitwirkungsrechte. Es handelt sich zudem um eine nachrangige Verbindlichkeit – die Gesellschaft muss nicht zahlen, wenn sie dadurch in die Insolvenz geraten könnte. Das kann schnell passieren: Das Eigenkapital von Solvium Nr. 4 ist mickrig im Vergleich zu dem der Anleger. Schon geringe Verluste können die vertragsgemäße Rückzahlung gefährden.
Risiko 2: Kaufpreis nicht im Prospekt
Es ist wichtig zu erfahren, wofür das Geld gedacht ist und wie es Solvium Nr. 4 finanziell geht. Dazu dienen der Verkaufsprospekt mit aktuellen Zahlen und Prognosen sowie das dreiseitige Vermögensanlageninformationsblatt. Solvium Nr. 4 will Container kaufen, vermieten und am Ende wieder verkaufen. Dabei geht es um Standardboxen, Tankcontainer und Wechselkoffer mit ausklappbaren Beinen, je nach Typ zwischen 1,5 und 9 Jahre alt. Solvium Nr. 4 kauft laut Prospekt zum Marktpreis. Mieten, Markt- und Kaufpreise sind in den 108 Seiten aber nicht aufgeführt. Sind die Container noch nicht erworben, sind Preisangaben auch nicht vorgeschrieben.
Von Finanztest gefragt, befürchtete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sogar, durch die Angabe fester Preise würde gegebenenfalls „der (falsche) Anschein eines besonders werthaltigen Anlageobjektes und damit einer risikoarmen Investition suggeriert“. Für Anlegerinnen und Anleger heißt das: Sie kaufen die Katze im Sack. Denn ohne konkrete Preise können sie Risiken des Angebots kaum einschätzen.
Prospekte für Vorgängerangebote aus der Solvium-Gruppe boten mehr und beschrieben zumindest, wie sich Kaufpreise und Mietraten entwickelt haben. So war zum Beispiel zu sehen, wie stark Containerpreise in den vergangenen Jahren geschwankt haben.
Risiko 3: Firma lange überschuldet
Laut Prognose im Prospekt wird der Wert des Vermögens in der Bilanz in den kommenden Jahren niedriger sein als die Verbindlichkeiten, also der Betrag, den Solvium Nr. 4 anderen zahlen muss – allen voran den Anlegern. Mit gewaltigen 20,8 Millionen Euro soll sie Ende 2024 bilanziell überschuldet sein. Die Bilanzlücke wird vor allem durch die anfänglichen Kosten und die Abschreibung für die Abnutzung der Container verursacht. Mieteinnahmen und die Erträge aus den abschließenden Verkäufen sollen dafür sorgen, dass Solvium Nr. 4 planmäßig zahlen kann.
Die Solvium-Gruppe weist auf „Vorgaben der Gesetze und Finanzbehörden“ hin. Daher dürften die Bilanzen nicht den „wahren“ Wert zeigen, sondern enthielten stille Reserven. Hohe Restwerte seien nicht zu vergessen. Der Verkauf soll also mehr als den Bilanzwert einbringen und die Lücke mehr als ausgleichen. Für Abnutzung schreibt Solvium Nr. 4 im Jahr 20 Prozent des Kaufpreises ab, erwartet aber, dass die Boxen tatsächlich nur 4 Prozent im Jahr an Wert verlieren. Das entspricht vereinfacht 25 Jahren erhoffter Restlebensdauer und erscheint für heute zum Teil schon alte Container ambitioniert. Sinkt der Wert deutlich stärker, wird es mit der Rückzahlung eng.
Risiko 4: Geschäfte in der Gruppe
Je teurer Solvium Nr. 4 die Boxen erwirbt, desto schwerer wird es, sie mit den nötigen Erträgen zu verkaufen. Laut Prospekt kauft Solvium Nr. 4 sie ohne Aufschlag von ihrer Schwester Solvium Verwaltungs GmbH. Das birgt das Risiko von Interessenskonflikten. Der Solvium-Gruppe zufolge können Boxen aus der Gruppe stammen: Verkaufe eine Tochtergesellschaft Container, um ausscheidende Investoren zu beim Kauf bereits festgelegten Kaufpreisen auszuzahlen, „dann ist es hochgradig sinnvoll, diese Container für eine andere Tochtergesellschaft anzukaufen“. Container, Mieter und Bonität seien bekannt, weder Wertgutachten noch aufwendige Verkaufsverhandlungen nötig.
Das Problem: Es lässt sich ein hoher Preis vereinbaren. Das wäre vorteilhaft für die Verkäuferinnen, nicht aber für Solvium Nr. 4. Problematisch wäre das vor allem, wenn früher hohe Rückkaufpreise zugesagt wurden. Versprochene Preise bei einigen älteren Angeboten legen das nahe. Dann ist die Versuchung groß, nun beim Verkauf in der Gruppe hohe Preise zu erzielen, um mit einer hohen Erfüllungsquote werben zu können. Auf Nachfrage von Finanztest ging die Solvium-Gruppe nicht darauf ein, ob Solvium Nr. 4 Marktpreise bezahlt oder sogar mehr.
Risiko 5: Keine Verwendungskontrolle
Zudem kontrolliert niemand, wofür Solvium Nr. 4 Anlegergeld ausgeben will. Ist es „zum Erwerb eines Sachgutes“ gedacht, schreibt das Vermögensanlagengesetz eine unabhängige Mittelverwendungskontrolle vor. Das sei nicht der Fall, behauptet Solvium Nr. 4 im Prospekt, obwohl an anderer Stelle die Rede davon ist, „Anlageobjekte als Sachanlagen“ zu erwerben. Die Gruppe äußerte sich dazu auf Anfrage nicht. Selbst wenn die Ansicht im Prospekt richtig sein sollte, entspräche es dem Geist des Gesetzes, die Mittelverwendung kontrollieren zu lassen.
Solvium Nr. 4 gibt an, eine „Prüfgesellschaft“ beauftragt zu haben, die Investments nachgelagert beurteilen solle. Diese muss aber zum Beispiel nicht prüfen, ob die Unterlagen inhaltlich richtig sind und die Investments tatsächlich durchgeführt wurden.
Risiko 6: Haftung für Prospekt
Enthält ein Prospekt Fehler oder fehlt Wichtiges, können Anlegerinnen und Anleger einen etwaigen Schaden einklagen. In diesem Fall haftet nur Solvium Nr. 4 für den Prospekt. Das war früher besser: Für den Prospekt des ersten Nachrangdarlehens Logistik Opportunitäten Nr. 1 stand die in der Gruppe bedeutendere Solvium Capital GmbH ein. Wir sehen es sehr kritisch, wenn nur die Anlagegesellschaft selbst haftet.
Risiko 7: Fehlbetrag über Prognosen
Ist der Ausgleich der Überschuldung am Ende plausibel? Zahlen älterer Solvium-Gesellschaften nähren Zweifel. Sieben haben Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen. Alle prognostizierten darin, jahrelang bilanziell überschuldet zu sein, so wie Solvium Nr. 4. Bei den fünfen mit einem Jahresabschluss für das Gesamtjahr 2020 war die Lücke deutlich größer als prognostiziert. Der Wirtschaftsprüfer wies bei allen auf bestandsgefährdende Risiken hin.
Dazu gehören Solvium Capital Vermögensanlagen und Solvium Intermodale Vermögensanlagen. Ihre Direktinvestments Container Select Plus Nr. 2 und Wechselkoffer Euro Select 3 und 4 hatte Finanztest 2017 untersucht und mit Mangelhaft bewertet. Die Lage von Solvium Capital Vermögensanlagen ist nicht rosig. Sie hatte Ende 2020 Container im Bestand, die die Gesellschaft für 7,8 Millionen Euro angeschafft hatte. Anlegern standen aber 10,4 Millionen Euro zu.
Solvium Intermodale Vermögensanlagen hatte Ende 2020 weniger Wechselkoffer im Bestand, als es nach den Verträgen mit Anlegerinnen und Anlegern sein mussten. Für den Ersatz der 80 Metallboxen setzte die Gesellschaft 79 2 179,57 Euro an, also im Schnitt gut 9 900 Euro pro Stück. Das erscheint viel. Ob die Beträge wirklich hoch waren, lässt sich mangels Details nicht beurteilen. Wäre es der Fall, wäre es dann schwerer, die Boxen mit ausreichendem Ertrag zu verkaufen.
Dass das keineswegs immer gelingt, zeigt Solvium Logistik Opportunitäten. Die GmbH & Co KG hat sich ab 2019 Geld von Anlegern geliehen. Sie hat im Jahr 2020 Container verkauft und bekam so wenig, dass sie einen Millionenverlust ausweisen musste.
Die Solvium-Gruppe beantwortete Finanztest-Fragen zu den Jahresabschlüssen nicht konkret, auch bezüglich der folgenden Risiken 8 und 9: Solvium könne Einzelfragen nicht so beantworten, „dass für Ihre Leser ein Erkenntnisgewinn zu erwarten wäre“.
Risiko 8: Darlehen an andere
Solvium Logistik Opportunitäten und weitere Anlagegesellschaften hatten in den Abschlüssen für 2020 Forderungen sowie Darlehen gegenüber Gesellschaftern oder ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin. Das war früher die Solvium Capital GmbH. Sie wurde Ende 2021, Anfang 2022 durch eine junge Gesellschaft mit weniger Kapital und Vermögen ersetzt (siehe Überblick Solvium-Gruppe). Im Jahresabschluss 2020 erläutert Solvium Capital, Liquiditätsüberschüsse von Gesellschaften aus der Gruppe als Darlehen zu erhalten. Sie leihe die Mittel dann anderen Solvium-Firmen, die sich damit frühzeitig mit Containern eindecken könnten.
Anderen Gesellschaften Geld zu leihen, kann riskant sein. Ist es erlaubt? In den Verkaufsprospekten ist eine Darlehensvergabe nicht vorgesehen. Solvium Capital hält indes im Jahresabschluss 2020 die „notwendige Verfügungsfreiheit“ für gegeben. Es handle sich um verbundene Unternehmen, die zudem nicht den Anlegern der Vermögensanlagen gehörten. Gerade weil diese bei Namensschuldverschreibungen kein Mitspracherecht haben, müssen sie sich aber darauf verlassen können, dass das Geld so verwendet wird, wie es im Prospekt steht.
Risiko 9: Jahresabschlüsse verspätet
Zu allem Überfluss erfahren Anlegende solche Dinge oft auch noch deutlich später als vorgeschrieben. Viele Solvium-Gesellschaften müssen ihren Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten nach Geschäftsjahresende veröffentlichen, waren aber oft viel zu spät dran. Verspätete Abschlüsse waren in anderen Fällen oft ein Indiz für gravierende Probleme bei Anlagegesellschaften.
Risiko 10: Probleme beim Verkauf
Auch der Containerverkauf bis Laufzeitende läuft nicht immer glatt. Beispiele bieten Containerangebote von Conrendit, ebenfalls Teil der Solvium-Gruppe (siehe Überblick Solvium-Gruppe): Mehrfach war in Anlegerinformationen von rückläufigen Preisen oder gar Unverkäuflichkeit zum geplanten Zeitpunkt die Rede. Anleger erlitten zum Teil hohe Verluste. Die Solvium-Gruppe erklärte, mittlerweile seien alle Angebote „beendet und bis auf eine Gesellschaft aufgelöst“, machte aber keine Angaben zum Ergebnis für Investoren.
Containerinvestments sind kein Selbstläufer
Selbstläufer sind Containerinvestments also nicht. So verlockend die Zinsen für das aktuelle Nachrangdarlehen von Solvium Nr. 4 scheinen: Die Risiken für Anlegerinnen und Anleger sind beträchtlich.
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Das erwähnt Finanztest nicht. Dagegen erwähnt Finanztest selbst die Bestätigung der BaFin, dass die Angabe konkreter Preise abgelehnt wird.
3. Finanztest hinterfragt die Art der Abschreibung der eingekauften Wirtschaftsgüter. Die Methode der Abschreibung wird im Prospekt gründlich erläutert, ebenfalls der tatsächliche Wertverlust von Containern. Die Verfahren entsprechen den Anforderungen der Finanzbehörden, dem Handelsgesetzbuch (HGB) und der üblichen Praxis.
Der Text ist einseitig und unfair und zeichnet deshalb insgesamt kein zutreffendes Bild.
Disclaimer: Ich bin PR-Berater und seit 11 Jahren als externer Dienstleister von Solvium Capital tätig. Ich fungiere als Ansprechpartner für Journalist:innen.
Die Meinung der Redaktion von Finanztest wird meiner Kenntnis nach von niemandem geteilt, der sich mit Vermögensanlagen auskennt. Das ist auch kein Wunder, denn Finanztest wünscht sich ein Produkt, das sich nicht um Gesetze kümmert, von der Genehmigungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und den Vorschriften des Steuerrechts und Handelsrechts abweicht. Drei Beispiele zeigen das deutlich:
1. Finanztest bemängelt, das Angebot habe keinen Mittelverwendungskontrolleur. Aber das Vermögensanlagengesetz schreibt sehr klar und unzweideutig vor, dass das Angebot „Solvium Logistik Opportunitäten Nr. 4“ keinen Mittelverwendungskontrolleur haben muss. Es gibt keinen anders lautenden „Geist des Gesetzes“ wie Finanztest meint.
2. Finanztest bemängelt, im Prospekt stehe nichts über das konkrete Miet- und Preisniveau. Das ist formal richtig, im Prospekt wird aber auf mehreren Seiten die viel wichtigere geplante Einkaufsrentabilität beschrieben. 1/2
Sehr spannender Bericht über Container :-)