„Ein Haar wie neu kriegen wir leider nicht hin“

Professor Thomas Gassenmeier ist Dekan des Fachbereichs Life Science Technologies an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
Professor Thomas Gassenmeier lehrt im Studiengang „Technologie der Kosmetika und Waschmittel“. Er weiß, was Haare schädigt, wie Spülungen helfen können und wo ihre Grenzen liegen.
Herr Gassenmeier, wie unterscheidet sich gesundes von geschädigtem Haar?
Haar ist aus zwei großen Strukturelementen aufgebaut. Innen haben wir den sogenannten Kortex, der wesentlich aus Keratinen besteht, und außen die Kutikula, eine Schuppenschicht. Die dachziegelartig angeordneten Schuppen sind bei gesundem Haar an der Oberfläche angelegt. Bei geschädigtem Haar spreizen sie sich vermehrt ab. Im Haarinneren kann das Keratin geschädigt sein. Beides hat verschiedene Effekte.
Welche sind das?
Ist das Haar äußerlich geschädigt, lässt es sich zum Beispiel schwerer kämmen. Außerdem wird weniger Licht an der Haaroberfläche reflektiert, dafür aber mehr gestreut. Dadurch glänzt das Haar weniger. Und es fühlt sich rauer an als gesundes Haar. Sind die Keratine im Inneren geschädigt, nimmt die Haarfestigkeit ab, also die mechanische Widerstandsfähigkeit des Haares. Die Folge sind Haarbruch oder Spliss.
Was sind die häufigsten Ursachen für geschädigte Haare?
Eine große Rolle spielen zum Beispiel Anwendungen wie Blondiermittel, permanente Haarfarben oder Dauerwellmittel. Neben dem erwünschten Effekt, etwa dem Entfärben der Haare beim Blondieren, schädigen diese harscheren kosmetischen Behandlungen immer auch die Haarstruktur.
Wer kein gefärbtes oder dauergewelltes Haar hat, ist auf der sicheren Seite?
Nein, auch der normale Alterungsprozess unserer Haare ist relevant. Dazu muss man wissen, dass Haare ganz langsam wachsen. Das Kopfhaar nur etwa einen Zentimeter pro Monat. Dreißig Zentimeter langes Haar ist in den Spitzen also älter als zwei Jahre. In dieser Zeit wird das Haar unzählige Male gewaschen, gekämmt und mitunter auch oft geföhnt. Außerdem hat es zwei Sommer erlebt und damit viel Sonne und UV-Licht abbekommen. All das führt zu ähnlichen Schädigungen wie durch die kosmetischen Anwendungen. Auch ohne jedes Blondiermittel werden Haare über die Jahre natürlicherweise strapaziert.
Was ist der Unterschied zwischen einem Shampoo und einem Conditioner?
Kurz gesagt: Shampoo reinigt die Haare. Hauptzweck eines Conditioners ist es, Haare zu pflegen oder auch zu konditionieren, also ihren Zustand zu verbessern.
Wie funktioniert ein Conditioner im Gegensatz zum Shampoo?
Ein Shampoo reinigt mit negativ geladenen, waschaktiven Substanzen, sogenannten anionischen Tensiden. Beim Conditioner sind dagegen kationische Tenside wertbestimmend, also positiv geladene Substanzen. Sie werden von der Haaroberfläche quasi angezogen, gerade da, wo der Schaden am größten ist. Die Haaroberfläche ist nämlich negativ geladen. An geschädigten Stellen ist die negative Ladung am stärksten.
Was bewirkt ein Conditioner im Haar?
Das Nützlichste ist die starke Reduktion der Kammkräfte, also der Kraft, die aufgewendet werden muss, die Haare zu kämmen. Ein guter Conditioner kann sie bei nassem Haar um mehr als 80 Prozent reduzieren.
Kann geschädigtes Haar wirklich repariert werden?
Da muss man differenzieren. Ich halte es nicht für möglich, ein geschädigtes Haar durch eine Spülung wieder in einen Zustand wie neu gewachsen zu bringen. Das kriegen wir leider nicht hin. Aber die Eigenschaften können wir dem wieder annähern, zum Beispiel beim Kämmverhalten, Haarbruch oder Glanz. Das Haar dauerhaft und vollständig zu reparieren, ist nicht zu erreichen, aber temporär. Daher sollen Conditioner auch regelmäßig angewendet werden.
Kann Haar auch zu viel gepflegt werden?
Ja, speziell dünneres Haar ist gegen zu viel Pflege schon etwas empfindlich.
Woran erkennt man überpflegtes Haar?
Vor allem am reduzierten Haarvolumen. Das Haar liegt eng an der Kopfhaut an – wie gekochte Spaghetti. Es hängt und sieht strähnig aus, obwohl es noch nicht fettig ist.
Eignen sich Conditioner auch für kurze Haare?
Je länger die Haare sind, umso größer ist der Effekt. Kämmarbeit heißt ja auch Kraft mal Weg. Längere und damit ältere Haare haben daher größeren Pflegebedarf als kurze.