
Das Hamburger Start-Up Coaching Cosmos verspricht mit seinem digitalen Coaching-Tool fundierte Beratung und schnelle, ortsunabhängige Hilfe für berufliche Probleme – per Chat oder Telefon. test.de sagt, was das (kostenpflichtige) Angebot taugt.
Drei kostenpflichtige Bausteine
Coaching Cosmos ist eine Plattform im Internet, die Berufstätigen eine „ganzheitliche berufliche Online-Beratung“ verspricht – und zwar „in allen Phasen und bei allen Herausforderungen ihres Berufslebens“. Um dieses Versprechen zu erfüllen, bietet Coaching Cosmos drei kostenpflichtige Bausteine an:
- Kompetenzanalyse: Laut Angebot werden die Kompetenzen des Nutzers gemessen, ein „hoch differenziertes Kompetenz- und Persönlichkeitsprofil“ erstellt und das „Potenzial“ des Nutzers bestimmt. Der Kunde erhält ein Feedback dazu, wie stark bestimmte Kompetenzen bei ihm ausgeprägt sind, und Tipps, um sie auszubauen. Die Analyse kostet 24,95 Euro und ist auch unabhängig von den anderen Bausteinen buchbar.
- Selbstcoaching („CoachingUp“): Hier soll der Kunde zu beruflichen Beispielsituationen Stellung nehmen – entweder, indem er „Ja“ oder „Nein“ anklickt oder sich auf einer Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll und ganz zu“ einordnet. Beispiel: „Unser Vorgesetzter hat uns für ein in meinen Augen wirklich gutes Ergebnis, für das wir im Team hart gearbeitet haben, gelobt. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, er meinte es nicht wirklich so, wie er es gesagt hat.“ Als Ergebnis verspricht der Anbieter „Tipps und Handlungsempfehlungen, maßgeschneidert auf Ihren konkreten Bedarf“. Kostenpunkt: 29,95 Euro für 14 Tage, 98,85 Euro für drei Monate und 167,70 Euro für sechs Monate. Ist nur zusammen mit der Kompetenzanalyse buchbar.
- Individuelles Coaching per Telefon oder Chat („CoachingLive“): Sechs Coaches mit unterschiedlichen Schwerpunktthemen bieten auf der Webseite Termine an. Je nach Erfahrung und Expertise des Coaches fallen pro Stunde zwischen rund 70 und 360 Euro an. Das Coaching ist einzeln in 15-Minuten-Abschnitten buchbar.
Für Kompetenzanalyse und Selbstcoaching hinterlegt der Nutzer zunächst sein Profil, indem er Angaben zu seiner beruflichen Position („Mitarbeiter“, „Young Professional“, „Manager“, „Unternehmer“), seinem Tätigkeitsfeld und der Größe seines Unternehmens macht.
Kompetenzanalyse und Selbstcoaching wenig überzeugend
Drei Fachgutachter haben das Angebot für die Stiftung Warentest geprüft: Einer prüfte das Angebot inhaltlich, einer die rechtlichen Aspekte, ein weiterer Bedienbarkeit und Datensicherheit. Außerdem probierten drei geschulte Testpersonen das gesamte Paket aus (in unserem Auftrag, aber unter eigenem Namen) und protokollierten den Ablauf und ihre Erfahrungen. Ergebnis: Kompetenzanalyse und Selbstcoaching überzeugten weder den Experten für die Inhalte noch die Testpersonen. Beide Bausteine haben deutliche Schwächen.
Nur individuelles Coaching ist empfehlenswert
Das individuelle Coaching per Telefon und Chat ist jedoch zu empfehlen. Wer ein berufliches Problem hat, wird über beide Kanäle kompetent gecoacht. Weitere Pluspunkte: Die Plattform lässt sich gut und intuitiv bedienen. Bei Problemen reagiert der Support prompt. Auch in puncto Datenschutz und bei den Vertragsbedingungen gibt es nichts zu meckern.
Coaching per Chat erfordert Übung
Zunächst zum überzeugenden Baustein. Unsere drei Testpersonen konsultierten jeweils einen Coach am Telefon und einen im Chat. Alle hatten ein echtes berufliches Anliegen und erhielten im Coaching viele Denkanstöße und Hinweise zur Lösung ihres Problems. Im Vergleich schnitten die Gespräche am Telefon besser ab als die Chats. Nachteil beim Chatten: Das Tippen erfordert Konzentration und kostet Zeit, weil man langsamer schreibt als spricht. Der Vorteil aber: Die Ergebnisse liegen später zum Nachlesen oder Ausdrucken als Protokoll vor. Coachings via Chat sind damit vor allem etwas für Chat-Erfahrene und Schnell-Tipper (siehe auch Tipps).
Mehr Infos über Coaches wünschenswert
Die Vereinbarung der Termine mit den Coaches verlief überwiegend unkompliziert. Der „Verfügbar“-Button in den Profilen der Experten ließ schnell erkennen, wer wann erreichbar ist. Wünschenswert wären jedoch mehr Informationen über die einzelnen Coaches. Die Kandidaten stellen sich nämlich nur sehr knapp mit Foto, Berufserfahrung, Schwerpunktthemen und Branchen vor. Was fehlt, sind zum Beispiel Angaben dazu, ob sie eine Coaching-Ausbildung absolviert haben und ob sie Mitglied in einem Coaching-Verband sind.
Übrigens: Ganz billig ist das individuelle Coaching per Chat oder Telefon nicht. Die Honorare der Coaching-Cosmos-Coaches bewegen sich aber in der auf dem Markt üblichen Preisspanne: Von 50 Euro für eine Coaching-Stunde bis zu Tagessätzen von 10 000 Euro ist alles möglich.
Es fehlt eine Dokumentation
Hauptproblem bei Kompetenzanalyse und Selbstcoaching: Beide Instrumente können aus wissenschaftlicher Sicht nicht überzeugen. Seriöse Instrumente müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Das muss der Entwickler – in diesem Fall Coaching Cosmos – belegen und dokumentieren, und zwar im besten Fall in einem Handbuch, auch Manual genannt. Außerdem muss er dort nachweisen, dass die Instrumente zuverlässig das messen, was sie messen sollen. Coaching Cosmos hat uns eine solche Dokumentation auf unsere Anfrage nicht zur Verfügung gestellt. Da damit für uns eine wissenschaftliche Fundierung nicht erkennbar ist, können wir Kompetenzanalyse und Selbstcoaching nicht empfehlen.
Beispielsituationen häufig zu komplex
Trotzdem hat unser Experte die Instrumente begutachtet und dabei Schwächen festgestellt, etwa bei den beruflichen Situationsbeschreibungen. Sowohl bei Kompetenzanalyse als auch beim Selbstcoaching sind sie oft zu komplex oder zu absolut. Zwei Beispiele:
- Aus dem Selbstcoaching: „Ich bin bereit zu akzeptieren, dass ich für eine wettbewerbsorientierte Karriere mit starker Auslese viel Zeit und Mühen investieren und dafür auch privat auf einiges verzichten muss. Dabei muss ich die Möglichkeit einkalkulieren, nicht so voranzukommen, wie ich es mir wünsche.“ Dem Nutzer könnte es schwer fallen sich zu entscheiden, auf welchen Aspekt der Situationsbeschreibung sich seine Antwort beziehen soll.
- Aus der Kompetenzanalyse: „Ich bin mir meiner Wirkung auf meine Mitmenschen (Gestik, Körpersprache, unterschwellige Botschaften usw.) in jeder Situation bewusst.“ Die Aussage soll mit „Ja“ oder „Nein“ bewertet werden. Das ist in dieser Absolutheit aber nicht möglich. Erforderlich wäre ein abgestuftes Antwortformat, zum Beispiel „Trifft zu“, „Trifft eher zu“, „Trifft eher nicht zu“, „Trifft nicht zu“.
Viele Tipps bleiben auf alltagspsychologischem Niveau
Außerdem: Viele Handlungsempfehlungen und Tipps, die Nutzer bei der Kompetenzanalyse und beim Selbstcoaching erhalten, bleiben auf alltagspsychologischem Niveau und können zum Teil auch angezweifelt werden.
- Beispiel aus einem Tipp: „(...) Es kann in Verhandlungen sinnvoll sein, bewusst mit dem Element der Emotionalität Einfluss auf die Gesprächspartner zu nehmen. (...) Aus der Wissenschaft ist bekannt, dass offen ausgesprochene Emotionen keinen negativen Einfluss mehr auf das Gefühlsleben des Sprechers haben (...).“ Hier wird behauptet, dass es sich um eine wissenschaftliche Erkenntnis handelt, ohne dass deren Quelle genannt wird. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist diese Behauptung vor allem für negative Emotionen fraglich.
Testpersonen empfanden Fragen und Empfehlungen als wenig hilfreich
Unsere Testpersonen hatten sowohl mit der Kompetenzanalyse als auch mit dem Selbstcoaching ihre Probleme. Bei der Kompetenzanalyse empfanden sie die vorgegebenen Fragen zum Teil als unpassend, zum Teil fiel es ihnen schwer, nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten zu können. Nicht zu antworten, war keine Option. Auch die Ergebnisse und Tipps, die es nach dem Ausfüllen der Fragebögen gab, enttäuschten, weil sie viel zu allgemein blieben und kaum neue Erkenntnisse über die eigenen Stärken und Schwächen brachten.
„Genauso schlau wie vorher“
Ähnlich ging es ihnen beim Selbstcoaching. Die Tester fanden sich in den dargestellten beruflichen Situationen häufig nicht wieder. Auch mit dem Feedback, das sie nach dem Ausfüllen der Fragebögen erhielten, konnten sie wenig anfangen, weil es über pauschale Rückmeldungen nicht hinausging. Eine Testperson sagte nach dem Selbstcoaching: „Ich bin genauso schlau wie vorher.“
Profil lässt sich nicht nachträglich ändern
Was außerdem störte: Das berufliche Profil, das der Nutzer anfangs hinterlegt, lässt sich später nicht mehr ändern. Die Folge: Der Nutzer kann nicht ausprobieren, ob er mit einem anderen Profil nützlichere Ergebnisse erzielt hätte. Denn je nach Profil werden nur bestimmte Themen zur Bearbeitung freigeschaltet. Eine unserer Testpersonen – eine Teamleiterin – hatte zu Beginn die Option „Mitarbeiter“ gewählt. Später hätte sie gern ausprobiert, ob sie als „Manager“ andere Handlungsempfehlungen bekommen hätte.
Tipp: Es gibt fundierte Instrumente, mit denen sich Kompetenzen messen lassen, zum Beispiel ISK-360°, Bonner-Postkorb-Module und Malamut Profiler. Allerdings können diese Verfahren nur im Rahmen eines Coachings von Coaches mit einer psycho-diagnostischen Qualifikation eingesetzt werden.
Fazit: Coaching auf Distanz hat Vor- und Nachteile
Das Geld für die Kompetenzanalyse und das Selbstcoaching können sich Berufstätige getrost sparen. Coaching Cosmos kann die hohen Versprechen bezüglich beider Bausteine nicht halten und bleibt sowohl das „hochdifferenzierte Kompetenz- und Persönlichkeitsprofil“ als auch die „maßgeschneiderten“ Handlungsempfehlungen schuldig. Das individuelle Coaching via Chat und vor allem per Telefon hingegen ist eine gute Möglichkeit, der Lösung eines beruflichen Problems näher zu kommen. Die Leistung hat allerdings ihren Preis – wie jedes Coaching.
Die Vorteile eines Coachings auf Distanz liegen auf der Hand: Das Coaching ist im Prinzip überall dort möglich, wo es Telefon oder Internet gibt, auch am Arbeitsplatz. Das spart Zeit. Es gibt aber auch Nachteile: Die nonverbalen Elemente des Kommunizierens wie Mimik, Gestik, Blicke und Körpersprache fehlen, und beim Chat fehlt auch die Stimme. Dadurch können auf beiden Seiten schnell Missverständnisse entstehen.
Tipp: In Deutschland gibt es rund 8 000 Coaches, die auf berufliche Fragen spezialisiert sind. Wie Sie den richtigen Coach finden und worauf Sie bei der Auswahl achten sollten, verrät unser Artikel Den richtigen Coach finden: Nicht nur die Chemie muss stimmen.
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